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Beitrag vom 15.12.2007
Lea Singer - Mandelkern
Sharon Adler
Lea Singer, eigentlich Dr. Eva Gesine Baur, erzählt von der in München lebenden, international renommierten Neurowissenschaftlerin und der großen Frage nach Glück und Käuflichkeit. Zwiespältig.
Die Neurowissenschaftlerin Grace Eder ist eine anerkannte Größe der Wissenschaft und eine gefragte Rednerin. Ihrem Aufstieg auf der Karriereleiter scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein, und sie ist eine charismatische, attraktive Single-Frau. Ihr ist aber dennoch bewusst, dass sie die Lust auf Macht kaschieren muss, wenn sie neben den männlichen Kollegen bestehen will. Sie hat gelernt, "mit dem Messer im Rücken zu leben" und ist es leid, die immergleiche Frage nach dem Verzicht auf das Mutterglück zu beantworten.
Die Gehirnforscherin, die sich dem Studium von Neuronen verschrieben hat, gerät einen Tag vor Weihnachten in eine Lebenskrise, als sie das Foto einer alten Schulfreundin in einer Zeitschrift entdeckt. Sophie ist dort mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern abgebildet und sieht sehr glücklich aus. Für Grace, die sich mit den Molekülen der Gefühle beschäftigt, ist dies der Auslöser, den Sinn ihrer bisherigen Existenz in Frage zu stellen.
Die sonst so Beherrschte erkennt, dass ihr eigenes Glück aus der Anerkennung "jüngere[r] Kollegen oder Kolleginnen [besteht], die besinnungslos der gleichen Zukunft entgegenhechelten, maulwurfsblind für die Heillosigkeit, die sie erwartete".
Nachts - alleine im Labor auf das Ergebnis eines Versuchs wartend - trifft sie die erschütternde Erkenntnis, dass ihr Apartment nach nichts anderem als ihrem eigenen Parfum riecht. Aus einem Impuls heraus will sie sich mit einer Überdosis Tabletten das Leben nehmen, spuckt aber in letzter Minute alles wieder aus.
An diesem Wendepunkt ihres Lebens trifft sie auf die geheimnisvolle, vermögende und einflussreiche Lucie, die wie aus dem Nichts auftaucht und sie zum Weihnachtsfest einlädt. Grace, gefangen in ihren Erinnerungen an die ärmliche Kindheit und dem Ehrgeiz ihrer alleinerziehenden Mutter, sagt zu. Von nun an ist nichts mehr wie es war. Lucie scheint all ihre Wünsche und Sehnsüchte nach Liebe und Erfüllung zu ahnen, noch bevor Grace überhaupt einen Gedanken formuliert hat...
Zur Autorin: Lea Singer, eigentlich Dr. Eva Gesine Baur studierte Kunstgeschichte, Musik- und Literaturwissenschaft. Sie ist Sachbuchautorin und Publizistin. Bisher hat sie neben der "Österreichischen Hure" (2005) vier von der Presse hochgelobte Romane veröffentlicht: "Die Zunge" (2000), "Wahnsinns Liebe" (2003) über die tödliche Affäre Mathildes, der Frau Arnold Schönbergs, mit dem Maler Richard Gerstl, "Das nackte Leben" (2005) über das Schicksal und die Ehen der Constanze Mozart und "Vier Farben der Treue" (2006), eine schicksalsträchtige Begegnung von Toscanini und Eleonora von Mendelssohn, Max Reinhardt, Alma Mahler-Werfel und Franz Werfel bei den Festspielen in Salzburg 1935. Die Kulturhistorikerin Dr. Eva Gesine Baur war Redakteurin, stellvertretende Chefredakteurin und Chefredakteurin bei verschiedenen Zeitschriften. Heute lebt und arbeitet sie in München als freie Journalistin und Buchautorin. Ihre besondere Leidenschaft gilt privat wie beruflich der Verbindung der sinnlichen Genüsse und der Gastrosophie.
AVIVA-Fazit: Der Roman Lea Singers ist eine sprachliche Glanzleistung, doch die Figuren wirken oftmals konstruiert und der Plot zu aufgesetzt. Auch mit der Kind-Karriere-Frage macht die Autorin es sich zu einfach: Hier wird einmal mehr ein gängiges Klischee bedient, und das vorhersehbare "Entweder-Oder" mündet in eine Eindimensionalität, die "Mandelkern" zu einem schwachen Ende führt.
Lea Singer
Mandelkern
Hoffmann und Campe Verlag, erschienen August 2007
ISBN: 978-3-455-40080-9
320 Seiten
19,95 Euro (D), 20,60 EUR (A), 34,90 SFR (CH)