Ingeborg Bachmann - Malina - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur



AVIVA-BERLIN.de im Oktober 2024 - Beitrag vom 03.09.2007


Ingeborg Bachmann - Malina
Silvy Pommerenke

Die viel zu früh verstorbene Ingeborg Bachmann beehrt die literaturbegeisterte HörerIn posthum mit ungewöhnlichen Zeitdokumenten. Der Hörverlag hat die Stimme der Österreicherin...




...auf drei Silberlinge gebannt, und ihr damit eine letzte Ehrung erwiesen, indem er Auszüge von "Malina" und "Simultan" verewigt hat.

Aber (und das Aber ist nicht gering, denn man muss ihn mögen, den österreichischen Dialekt), Bachmanns Nervosität ist in jeder Textzeile zu hören – bei der berühmten Lesung vor der Gruppe 47 fiel sie sogar in Ohnmacht – und auch auf den Tondokumenten dieser CDs fällt auf, dass Bachmann mehr schreiben, denn lesen konnte, und ihr öffentliche Auftritte nicht sonderlich lagen. Der bisweilen sehr harte Akzent, die einige Tonlagen zu hohe Stimme (stellenweise trifft das Attribut "schrill" zu), die Unsicherheit beim Lesen und die eigenwillige Betonung der Literatin stören manches Mal den Hörgenuss. Aber wer kann schon von großartigen AutorInnen verlangen, dass sie gleichzeitig begnadete VorleserInnen sind?

Dennoch ist die Aura, die Bachmann, respektive DerHörVerlag, aus den späten sechziger und frühen siebziger Jahren in die Jetztzeit transportiert, etwas Besonderes. Die literarische Ader dieser begnadeten Autorin liest, bzw. hört sich aus jeder Textzeile heraus. Ihr gelang das, was beispielsweise Gisela Elsner nicht vergönnt war: ein großes literarisches Interesse an der Schaffenden zu erwecken, auch über ihren Tod hinaus.

Die ausgewählten Textpassagen auf den drei CDs gehören dem - unvollendeten und als Trilogie geplanten - "Todesarten-Projekt" an. "Malina", einziger noch zu Lebzeiten veröffentlichter Roman Bachmanns dieses Vorhabens, schildert eine (selbst-)zerstörerische Ich-Erzählerin, die in Liebe zu zwei Männern, Malina und Ivan, entbrennt. Eine Dreiecksbeziehung, die allem Anschein autobiographischen Inhalts ist, die sich letzten Endes aber als große schriftstellerischen Leistung der Klagenfurterin herausstellt. Es wäre zu einfach, Bachmann mit dieser Protagonistin gleichzusetzen, auch wenn es mehr als verlockend ist, diesen Roman so zu interpretieren. Was bleibt, ist die Zerrissenheit und die Selbstzweifel der durch die Handlung führenden Figur. So man überhaupt von Handlung sprechen kann. Bachmann ging es bei ihren "Todesarten" darum, dass es "ein einziges langes Buch [ werden sollte], eine einzige große Studie aller möglichen Todesarten, ein Kompendium, ein Manuale." Dabei verschwimmen Realität und Fiktion zu einem undurchsichtigen Textfluss, so dass man als LeserIn rein auf die Sprache geworfen wird, die allerdings dem Roman Halt und Struktur gibt.

"Simultan" ist ebenfalls in der Umgebung der "Todesarten" entstanden, und auch hier geht es, wie bereits bei "Malina", um die verzweifelte Auflehnung einer Frau in einer "von Männern beherrschten Wettbewerbsgesellschaft."

Zur Autorin: Ingeborg Bachmann, geboren 1926 in Klagenfurt, wurde – zusammen mit Paul Celan - durch ihre Freundin Ilse Aichinger der Gruppe 47 vorgestellt. Sie erhielt 1953 für ihren Lyrikvortrag "Die gestundete Zeit" den Preis der 47er, schrieb Hörspiele und Libretti, arbeitete als Dramaturgin und Radiomoderatorin und hielt 1959/1960 ihre vielbeachteten Poetik-Vorlesungen in Frankfurt. Sie lebte bis zu ihrem Tod 1973 - bei dem die Frage bis heute im Raum steht, ob es ein Suizid oder Unfall war - in Italien.

Weiterlesen: "Die gestundete Zeit" und "Das dreißigste Jahr"
Weiterhören: "Der gute Gott von Manhattan" und "Die Zikaden"

AVIVA-Tipp: Trotz der manches Mal anstrengend zu hörenden CDs bleibt die unvergleichliche Literatur Bachmanns im Vordergrund. Für Literaturbegeisterte sowieso ein Muss, sind diese akustischen Textpassagen durchaus ein Grund für Neulinge dieses Genres, um sich der Prosa der Österreicherin anzunähern.

Ingeborg Bachmann
Malina

DHV: DerHörVerlag; Juli 2007
ISBN: 3899403622
24,95 Euro
3 Audi CDs


Literatur

Beitrag vom 03.09.2007

Silvy Pommerenke