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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 24.04.2007


Antje Ravic Strubel – Kältere Schichten der Luft
Silvy Pommerenke

Eine dreißigjährige Frau, die für einen Jungen gehalten wird, eine ätherische Schönheit wie nicht von dieser Welt und ein Sommercamp in Schweden bilden den Mittelpunkt von Antje Rávic Strubels...




...neuestem Roman, dessen Vorlage auf dem gleichnamigen Hörspiel von 2005 basiert.

Der Stoff, aus dem Träume sind? Mit Sicherheit, denn es geht – wie in jedem Roman von Strubel – um den Spagat zwischen Fiktion und Realität. Das ist bisweilen wie eine Traumsequenz zu lesen, vor allem, weil die Autorin mit Bildern des Lichts experimentiert, diese voller Allusionen sind und damit letztendlich der Leserin viel Raum für phantasievolle Interpretationen eröffnen.

Das literarische Motiv: Mit dem Licht fängt es an: "Vom Licht wussten sie alles". Und dieses Licht zieht sich durch den ganzen Roman hindurch. In allen Schattierungen wird es geschildert. Sei es, dass es fahl, grau oder zuviel davon am gefährlichsten ist. Verschwommen und ohne Stufung scheint oder schwer, wie flüssig gewordenes Metall aussieht. Diffus, schräg, wacklig oder in langen Strichen fällt. Immer drückt es den inneren Zustand der Protagonistinnen aus und liest sich fast wie eine Regieanweisung. Die Texte von Antje Rávic Strubel sind vielschichtig und streng konstruiert. Für jede Literaturwissenschaftlerin eine wahre Freude!

Der Plot: Die dreißigjährige Butch Anja (in der praktischen Outdoorkleidung) trifft - während sie als Aushilfskraft für ein Jugendcamp in Schweden arbeitet - auf eine elfengleiche langhaarige Femme, die in ihr einen Jungen sieht, den sie Schmoll nennt. Auch das beharrliche Insistieren der Gore-Tex-Sandalenträgerin, dass sie mitnichten ein Junge sei und auch nicht Schmoll heiße, lässt ihre Gegenspielerin nicht davon abbringen, die Geschlechtergrenzen und Identitäten zu nivellieren. Sie verlieben sich auf eine stille und unprätentiöse Art, bis alles aus dem Ruder läuft und schreckliche Dinge geschehen...

Die Figuren, die Strubel entwirft, leben "wurzellos und zeitenthoben", so dass die Flucht der Protagonistinnen in die Phantasie ihnen ein Überleben in der Gegenwart ermöglichen, respektive sich in den kälteren Schichten der Luft aufzulösen.

Die Autorin: 1974 in Potsdam geboren, machte Strubel erst eine Lehre zur Buchhändlerin um anschließend Amerikanistik, Psychologie und Literaturwissenschaften zu studieren. Neben diversen erhaltenen Auszeichnungen und Stipendien arbeitet sie als Autorin, Journalistin, Übersetzerin und Gastdozentin. Von ihr sind unter anderem die Romane "Offene Blende", "Unter Schnee" und "Fremd gehen" erschienen.

AVIVA-Tipp: Wie immer ist es ein wahres Vergnügen, einen Roman von Antje Rávic Strubel zu lesen. Sie entfaltet ein Szenario, das in Paul Auster'scher Manier die ProtagonistInnen zwischen Schein und Sein schweben lässt, ohne dabei jedoch zu viele Fragen offen zu lassen. Unbedingt lesen!

Antje Rávic Strubel im Netz: www.antjestrubel.de

Antje Rávic Strubel
Kältere Schichten der Luft

S. Fischer Verlag, erschienen Februar 2007
ISBN: 3100751213
17,90 Euro
Gebunden - 189 Seiten


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Beitrag vom 24.04.2007

Silvy Pommerenke