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Beitrag vom 12.04.2011
Des Teufels Kinder. Filmkunst der entgrenzten Exzesse - Ein Animationsfilm von Mariola Brillowska
Ute Vetter
Sechs fiktive Kindheiten werden zeichnerisch in einem 70 min Trickfilm animiert. Die Leinwand wird zu einer provokanten Projektionsfläche für Zeichen, Symbole und Mischwesen, die sich ...
...wieder und wieder überlagern, miteinander verschmelzen und auseinanderfallen. Anspielungen und visuelle Methaphern der gruseligen Kinderzeiten fluten Augen und Ohren der Zuschauerinnen.
Smotscheks israelische Mutter implantiert ihrem gefundenen Kind lieber die Niere eines deutschen Waisenkindes, als die eines arabischen. Sie praktiziert und experimentiert nur zu Hause an Tieren, Mikroben oder Viren. Auf kriminelle, doch für sie politisch "korrekte" Art und Weise, beschafft sie für ihren Sohn eine Niere aus dem schönen Düsseldorf. Jahre später wird Smotschek mit einem Maschinengewehr seine auch manisch-depressive Mutter beim Verlassen der psychiatrischen Klinik unsentimental mit einem Machinengewehrs durchlöchern. Die bizarre Geschichte basiert auf der literarischen Vorlage der israelische Autorin Orly Castel-Bloom. Fünf weitere Episoden bilden das Herzstück des schrillen Films. Empfindlichkeiten jeglicher Art werden in diesem Animationsfilm bewußt ignoriert oder schlichtweg übergangen.
Pentagramm, gelbe Tabletten, NS-Symbole, Abfahrtski, Finnland, Polen ...Israel, Asseln und grüne Mischwesen, schwebende Spritzen, Mord und überdimensionierte Geschlechtsteile ...: "Des Teufels Kinder. Filmkunst der entgrenzten Exzesse" vereint schonungslos provokativ Mythos, Pop-Art, Kitsch, Trash, Klischees und haltlose Gerüchte. Die Zukunftspräsidentin des Vereinigten Universums und Familienexpertin Brillowska gibt auf einer Weltkugel schwebend, fachgerecht Auskunft, was die Familien der Gegenwart im alten Europa verbindet. Die Comicfigur Mariola Brillowska moderiert im Raumanzug und zeigt den alarmierenden Zusammenhang der sechs erzählten Geschichten.
Die in Hamburg lebende Künstlerin Mariola Brillowska bat sechs zeitgenössische AutorInnen, Geschichten über Kinder zu schreiben, die ihre Eltern töten. Die Episoden Manuela Gretkowskas (Polen), Orly Castel-Blooms (Israel), Eduard Limonows (Ukraine), Fernando Arrabals (Spanien) und Sibylle Bergs (Deutschland) sind in diesem verstörenden Animationsfilm eingebettet. Die Filmemacherin fokussiert dabei das sich im Nichts auflösende Familienkonzept in ganz Europa. Eine jede Familiengeschichte steht dort stellvertretend und brutal in ihrem national angedeuteten Kontext. Ob in Polen, Deutschland, Spanien oder Israel, die Familie bricht auseinander - die nachfolgende Generation ist gnadenlos gestört, verstört oder verhindert. Auf der animierten Europakarte entsteht das teuflische Pentagramm durch die Verbindung der Orte des Geschehens. Egoismus, Wollust, Drogen, purer haltloser Sex zeigen das hoffnungslos zerstörte europäische Familienmodell.
Die als Professorin an der HfG (Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main) arbeitende Mariola Brillowska, glaubt nicht, dass sie mit ihrer schöpferisch-subversiven Kunst viele Zuschauerinnen erreichen wird. Im Internet ist sie keine Unbekannte mehr. Links und Bilder geben einen Eindruck ihrer vielseitigen Kunst. Ihren Arbeiten, einmal auf sie aufmerksam geworden, kann frau sich kaum entziehen. Die magische Kraft ihrer Animationen, die alle Konventionen auflösenden, ist inspirierend und nachhaltig. Bruchstücke allen Wissens vereinen sich in ihnen und eine individuelle, schwer in Worte zu fassende Wahrnehmung, ist garantiert.
Zur Regisseurin: Mariola Brillowska in Polen geboren, studierte von 1985 bis 1991 Freie Kunst an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Seit dem Sommersemester 2005 ist sie an der HfG Professorin für Zeichnen und Illustration. Sie erweiterte die Lehre auf Performance und Zeichentrickfilm, (gegenwärtig die aktiven Gebiete ihres künstlerischen Schaffens). Mariola Brillowska ist als Performerin, Prosaistin, Poetin, Zeichnerin und Trickfilmerin international bekannt. 1991 erhielt sie den Grand Prix der internationalen Kurzfilmtage Oberhausen für ihren ersten Zeichentrickfilm "Grabowski, Haus des Lebens". Mariola Brillowska ist Mutter von zwei Kindern. (Quelle: www.hfg-offenbach.de, 11. April 2011)
AVIVA-Tipp: Mariola Brillowskas Arbeiten bedienen nicht das Anliegen, den Geist vorsichtig, oder diskret zu stören. Nein, die Animationsfilme zeigen irritierend brutal und bedeutungsschwer unausweichliche Wahrheiten. Des Teufels Kinder zeigt unsentimental und teilweise in psychedelisch anmutenden Zeichnungen die Wunder und Dramatik des Lebens. Das europäische Konzept von Familie ist hier unbrauchbar geworden. Der Film wird als Trickfilm in seiner farbenfrohen Schonungslosigkeit zu einem nachhaltigen Erlebnis für alle Altersstufen und die Erregungsübertragung an allen Synapsen laufen garantiert hochtourig.
Weitere Infos finden Sie unter:
Die Filmemacherin im Netz: www.mariolabrillowska.org (under construction)
Portrait der Künstlerin auf Arte unter: www.youtube.com/watch
Des Teufels Kinder
Deutschland 2011
Regie: Mariola Brillowska
Drehbuch: Mariola Brillowska
Genre: Animationsfilm
Lauflänge: 70 Minuten
Kinostart: 10. April 2011