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Beitrag vom 02.10.2006
Zwei Mädchen aus Istanbul
Jana Muschick
Ein Film voller Chaos und Orientierungslosigkeit. Aus allen familiären Regeln gerissen, beginnen zwei Großstädterinnen ein wildes und kurzzeitiges Leben im Ausnahmezustand.
Beyihe (Feride Cetin) wird in der elterlichen Wohnung behandelt wie eine "Putzsklavin" - ihr Bruder zwingt sie in die traditionelle und verstaubte Rolle der Frau als Haushälterin. Schon morgens beginnt ihr Tag mit dem Großreinigen der Wohnung. Die Rebellion gegen ihre Familie mit rotgefärbten Haaren und Ladendiebstählen ist ihre Art, sich gegen das strenge heimische Diktat zu wehren. Beyihe ist intelligent, gebildet aber auch sehr aggressiv.
Eines Tages lernt Beyihe Handan (Vildan Atasever) kennen, die das absolute Gegenstück zu allem ist, was sie bisher kannte. Handan ist hübsch, sehr naiv und konsumsüchtig. Sie ist der einzig wichtige Mensch im Leben ihrer Mutter Leman (Hülya Avsar), die sich von ihren Liebhabern aushalten lässt. Aber auch dieses Mutter-Tochter-Gefüge hat einen bitteren Beigeschmack - als Beyihe auftaucht, um für ein paar Wochen bei Handan unterzukommen, bekommt das Verhältnis von Leman und Handan einen starken Knacks.
Beide Mädchen träumen von einem eigenen, selbstbestimmten Leben - fern ab von familiären Zwängen und einer vorgeschriebenen Zukunft. Beyihes Wunsch, aus dem aktuellen Dasein in ein neues Leben zu flüchten, ist ernster gemeint als der von Handan, die alles eher spielerisch und sorglos nimmt. Wie kaltherzig sie damit ihrer Freundin das Herz bricht, scheint ihr nie richtig klar zu werden.
Basierend auf Perihan Magdens kontroversem Bestseller, ist Kutlug Atamans dritter Spielfilm ein modernes Drama über jugendliches Leben in der Türkei. Schon bei seinen vorherigen Filmen widmete sich der Regisseur der jungen Türkei und den Identitätsproblemen junger, die auf der Grenze zwischen erstarrten Doktrinen und einem neuen westlicheren Leben stehen - und orientierungslos bleiben.
"Iki genc Kiz - Zwei Mädchen aus Istanbul" wurde vor der städtischen Kulisse Istanbuls gedreht, wobei sich die türkische Metropole als äußerst westlich zeigt: Es gibt Discotheken, riesige Einkaufszentren und viele Möglichkeiten für junge Mädchen, mal so richtig auf den Putz zu hauen. Allerdings hat die Stadt am Bosporus auch ihre harte Seite: Beyihe kann sich nicht an die oberflächliche Art ihrer neuen "Freundin" anpassen. Handan versucht, sich bei den reichen und schönen Großstadtjungs beliebt zu machen und muss dafür die "Rechnung" akzeptieren. Ist Handan der neue Typ des türkischen Mädchens, vom Kapitalismus "geschult" und "modern" eingestellt, so wirkt Beyihe eher wie die konservativ-erzogene Frau. Unterschiedlicher können Freundinnen nicht sein und so ergeben sich viele Reibungspunkte, an denen sich die beiden Mädels erst mal ordentlich stoßen.
AVIVA-Tipp: Der recht anstrengende Film "Zwei Mädchen aus Istanbul" ist nicht einfach zu handhaben - die vielen hektischen Bilder und fahrigen Schnitte lassen die ZuschauerIn an der Orientierungslosigkeit der jungen Frauen teilhaben. Der Film ist eher das chaotische Porträt zweier türkischer Spätpubertierender als ein Spielfilm. Er wirkt unverständlich, denn frau wird ohne jede Erklärung in das Drama hineingezogen. Die ZuschauerIn sollte sich also nicht auf einen seichten Unterhaltungsfilm vorbereiten - viel mehr ist es der Sog der Großstadt und die Darstellung zweier absolut unterschiedlicher Menschentypen, welche die zwei Mädchen aus Istanbul darstellen möchten.
Iki genc kiz
Zwei Mädchen aus Istanbul
Regie: Kutlug Ataman
HauptdarstellerInnen: Feride Cetin, Vildan Atasever
107 Minuten, 28.09.2006
Türkei 2005
FSK: nicht geprüft
www.mitosfilm.com