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Beitrag vom 07.12.2005
Waiting for the Clouds
Karin Effing
Yesim Ustaoglu begleitet in ihrem neuen Spielfilm Ayshe. Die sich aus Trauer über den Tod der Schwester zurückzieht und sich ihrer Vergangenheit als pontische Vertriebene stellt.
Die 60-jährige Ayshe lebt während der 70er Jahre mit ihrer kranken Schwester zusammen in einem türkischen Fischerdorf. Zärtlich und liebevoll pflegt sie die schwerkranke Frau bis diese stirbt. Die Zurückgebliebene kommt über den Tod der Vertrauten nicht hinweg und zieht sich immer mehr von der dörflichen Gemeinschaft zurück. Nur Mehmet, der 10-jährige Nachbarsjunge, bleibt in Kontakt mit ihr. Er liebt es, ihren geheimnisvollen und amüsanten Geschichten zuzuhören. Mit seinem Freund Chengiz, der ein Vagabundenleben führt, ist er auf der ständigen Suche nach dessen Vater.
Als sich die Leute aus dem Dorf auf den Weg ins Hochland machen, um eine Hochzeit zu feiern, folgt auch Ayshe dem Zug, der aus Menschen und Tieren, wie Kühen und Schafen, besteht. An den Feierlichkeiten nimmt sie jedoch nicht teil und verbarrikadiert sich in ihrer Trauer um die Schwester. Sie kehrt mit den anderen nicht ins Dorf zurück, sondern bleibt allein in der kargen Landschaft.
Währenddessen kommt ein Fremder ins Dorf. Ist es ein russischer Spion, fragen sich Mehmet und Chengiz, die durch die politische Propaganda in ihrer Schule voller Misstrauen gegenüber allem anscheinend Fremden sind. Sie bleiben dem geheimnisvollen Mann auf der Spur. Tanasis ist sein Name. Mehmet führt ihn auf dessen Wunsch zu Ayshe aufs Hochland. Tanasis teilt mit Ayshe dieselben ethnischen Wurzeln. Seine Ankunft löst schmerzliche Erinnerungen an ihre Vergangenheit in ihr wach und sie macht sich auf den Weg, um eine alte Schuld zu begleichen...
Ayshes eigentlicher Name ist Eleni. Sie ist die Tochter eines einheimischen Griechen in der östlichen Region des Schwarzen Meeres, was einst das ehemalige Gebiet von Pontus war. Während des Ersten Weltkrieges kam es zu einem Exodus unter der pontisch-orthodoxen Bevölkerung. Ayshe wurde von einer türkisch-muslimischen Familie adoptiert. Die Figur der Ayshe beruht auf den wahren Erlebnissen einer Frau namens Tamara deren Biographie von dem griechischen Autor George Andreadis geschrieben wurden.
"Waiting for the Clouds spielt im Jahr 1975. Die Erfahrungen des Jungen Mehmet basieren auf meinen eigenen Erfahrungen, als ich ein Mädchen in den früheren 70er war. Ich lernte dieselben nationalistischen Lieder, wie sie in den Szenen mit der Schulklasse vorkommen. Ich erinnere mich, dass die Türkei eine sehr chaotische politische Phase durchmachte. Fast jeden Tag gab es Streiks, Unruhen und Demonstrationen. Für die Menschen war es eine Zeit der Angst. Sie waren gezwungen darüber zu schweigen, was um sie herum passierte." erzählt die Regisseurin Yesim Ustaoglu zum Hintergrund des Films und gibt zu den Dreharbeiten folgende Auskunft: "Abgesehen von den Hauptfiguren, Ayshe, Tanasis und Selma, habe ich nur einheimische Leute gecastet. Es waren Menschen aus dem Dorf, in dem wir drehten, keiner von ihnen war professioneller Schauspieler, einschließlich Mehmet, Chengiz und Mehmets Mutter, die relativ große Rollen haben. Für die Hochzeitsszene im Hochland haben wir eine richtige Hochzeit organisiert. Wir haben das ganze Dorf in die Berge eingeladen. Sie sind alle gekommen und haben mit uns gefeiert. Während wir die Szene drehten."
"Waiting for the Clouds" lief auf der Berlinale 2005 in der Sektion Panorama und erhielt den "Sundance Filmmakers Award" für das beste europäische Drehbuch 2003, sowie auf dem Istanbul International Film Festival den Preis für die beste Schauspielerin 2004.
Die Regisseurin Yesim Ustaoglu wurde im Osten der Türkei geboren und wuchs an der Schwarzmeerküste bei Trabzon auf. Sie studierte Architektur, arbeitete als Architektin, dann als Filmjournalistin und Leiterin von Video-Workshops. Mit ihrem Film "Journey to the Sun" gewann sie internationale Anerkennung und gewann den "Blauen Engel" auf der Berlinale als bester europäischer Film und den "Friedenspreis".
AVIVA-Tipp: "Waiting for the Clouds" ist ein stiller Film, der sowohl wegen des ausdrucksvollen Gesichts der Hauptdarstellerin Rüçhan Çaliskur als auch durch die Aufnahmen der kargen Landschaft in der nordöstlichen Türkei beeindruckt. Die zu wenig bekannte Geschichte der Vertreibung der pontischen GriechInnen wird der Zuschauerin unaufdringlich nahe gebracht. Ein berührender und interessanter Film.
Waiting for the Clouds
Bulutlari beklerken
Regie: Yesim Ustaoglu
Buch: Yesim Ustaoglu, Petros Markaris
Nach einer Idee von Geoge Andreadis "Tamama"
Frankreich/Deutschland/Griechenland/Türkei 2004, 87 min
Kamera: Jacek Petrycki
Musik: Michael Galasso
DarstellerInnen: Rüçhan Çaliskur, Ridvan Yagci, Ismail Baysan, Dimitris Kamberidis, Feride Karaman, Suna Selen, Oktar Durukan, Jannis Georgiadis, Irene Tachmatzidou, Damoklia Mustakidou, Fatma Parlagi
Kinostart: 08. Dezember 2005
Der Film im Netz unter www.waitingfortheclouds.de