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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 22.11.2005


Manderlay
Danielle Daum

Mit diesem Rassismusdrama legt der dänische Filmemacher Lars von Trier nun den zweiten Teil seiner Amerika-Trilogie vor und bleibt auch hier wieder seinem bereits aus "Dogville" bekannten Stil treu.




Nach der Zerstörung der Kleinstadt Dogville kehrt Grace Margaret Mulligan (Bryce Dallas Howard) mit ihrem Vater (Willem Dafoe) nach Denver zurück, aber aufgrund seiner längeren Abwesenheit hat der Gangsterboss dort inzwischen seine Macht eingebüßt. Deshalb suchen er und Grace einige Monate später mit ihrer Bande nach einem neuen Revier.

In Alabama stoßen sie auf eine Baumwollplantage namens "Manderlay", wo noch immer die Sklaverei praktiziert wird. Die alte und todkranke Plantagenbesitzerin Mam (Lauren Bacall) herrscht dort nach ihren eigenen Gesetzen. Als eine junge Frau Grace um Hilfe bittet, entschließt sich die Gangstertochter, einzugreifen. Kurze Zeit später stirbt die Gutsherrin. Ihrem auf dem Sterbebett geäußerten Wunsch, das handgeschriebene Mam´s Law zu zerstören, erfüllt Grace jedoch nicht. Stattdessen ist sie fest entschlossen, die SklavInnen zu befreien und ihnen Demokratie "beizubringen". Binnen einem Jahr will sie ihr Reformwerk vollenden. Doch Graces Mission ist zum Scheitern verurteilt. Ihr ehrbares Ansinnen mündet im Chaos. Nur der Griff zur Peitsche, die Anwendung jener feudalistischen Methoden, die sie doch eigentlich eliminieren wollte, rettet sie schließlich.

"Manderlay" ist der zweite Teil einer Trilogie über die USA, die Lars von Trier mit "Dogville" begann und voraussichtlich 2007 mit "Washington" abschließen wird. Auch in diesem Film veranschaulicht Lars von Trier seine These, derzufolge die heuchlerische Gesellschaft jede sich bietende Gelegenheit dazu nutzt, den Einzelnen gierig und rücksichtslos auszubeuten. Es geht ihm um die Frage, was Sklaverei und Unterwerfung für die Betroffenen bedeutet. Unübersehbar sind die Anspielungen auf den 2. Irak-Krieg der USA im Jahr 2003, der offiziell mit dem Ziel geführt wurde, ein Gewaltregime zu beseitigen und den Irakern die Demokratie zu bringen.

"Grace ist Demokratin. Sie möchte die Menschen von Manderlay Demokratie lehren. Natürlich sehe ich da eine Menge Parallelen zur Gegenwart. Ich sehe Herrn Bush, der die ganze Welt mit amerikanischen Werten beglücken will. Aber das ist problematisch. Denn ich bin davon überzeugt, dass das so nicht geht, das man sehr genau auf die spezifischen Verhältnisse schauen muss, so Lars von Trier.

Wieder beschränkt sich Lars von Trier in Anlehnung an das Epische Theater auf ein minimalistisches Dekoration, die SchauspielerInnne agieren im Studio, Häuser sind nur im Grundriss aufgezeichnet und es gibt nur wenige Requisiten. Weil das jedoch bereits in "Dogville" zu sehen war, hat dieses Unterlaufen unserer Sehgewohnheiten in "Manderlay" ein wenig seine Originalität eingebüßt. Der Film verzichtet gänzlich auf Musik, lediglich John Hurts Stimme ertönt gelegentlich aus dem Off und erzählt worum es geht.

AVIVA-Tipp: "Manderlay" muss ohne einen Star der A-Riege auskommen, denn Nicole Kidman, die die Grace in "Dogville" spielte, sagte ab. Übernommen hat ihre Hauptrolle die noch sehr junge Schauspielerin Bryce Dallas Howard, die ihre Rolle mit mehr Naivität spielt aber dennoch gut spielt. Ein wenig anstrengendsten jedoch ist die lehrerhafte Haltung Lars von Triers, die permanent durchblitzt. Wie eine Erlösung wirkt deshalb nach gut 2 Stunden die Abspannmusik David Bowies mit dem Song "Young Americans". Zu sehen sind dazu eindrucksvolle Fotos des dänischen Fotografen Jacob Holt. Er portraitierte Mitglieder des Ku Klux Klan, Martin Luther King, US Soldaten im Vietnam, in Armut lebende afroamerikanische Kinder etc..

Zum Regisseur:
1956 geboren, studierte Lars von Trier in Kopenhagen an der "Danske Filmskole". Auf dem Münchner Fest der Filmhochschulen stellte er 1981 seinen ersten Kurzfilm "Nocturne" vor, dem ein Jahr später "Images Of Relief" folgte. 1982 machte er mit seinem mehrfach preisgekrönten Spielfilmdebüt "Element Of Crime", einer Mischung aus film noir und deutschem Expressionismus, auf sich aufmerksam. Auch in "Epidemic" (1987) und "Europa" (1991) blieb von Trier seinem eigenwilligen, visuell kraftvollen Stil treu. 1994 gab er mit dem TV-Mehrteiler "Geister" (1994) die europäische Antwort auf David Lynchs "Twin Peaks". Ein Jahr später sorgten Lars von Trier und Thomas Vinterberg mit ihrem Manifest "Dogma 95" und der darin erklärten entschiedenen Absage an die technische Überfrachtung des Films für Furore. Der endgültige internationale Durchbruch gelang Lars von Trier 1996 mit dem Film "Breaking the Waves". 1998 folgte "Idioten" und zwei Jahre später das in Cannes ausgezeichnete Drama "Dancer In The Dark". 2003 legte Lars von Trier mit "Dogville" den ersten Teil seiner Amerika-Trilogie vor.


Manderlay
Regie: Lars von Trier
Drehbuch: Lars von Trier
DarstellerInnen: Bryce Dallas Howard, Margaret Mulligan, Isaach De Bankolé, Willem Dafoe, Danny Glover, Michaël Abiteboul, Lauren Bacall, Jean-Marc Barr, Virgile Bramly, Ruben Brinkmann, Doña Croll, Jeremy Davies, Llewella Gideon, Fredric Gildea, Mona Hammond, Andrew Hardiman, Aki Hirvonen, Ginny Holder, Emmanuel Idowu, Zeljko Ivanek, Michael Johansson u.a.
Dänemark, Schweden
Dauer: 139 Min.
FSK: ab 12 J.
Kinostart: 10.11.2005


Kunst + Kultur

Beitrag vom 22.11.2005

AVIVA-Redaktion