Atash (Durst) - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kunst + Kultur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 23.04.2005


Atash (Durst)
Sarah Ross

Tawfik Abu Wael erzählt von einer Familie, die Mitten im Nirgendwo durch ihr Geheimnis zusammengeschweißt und gleichzeitig zerstört wird, der es im selbst gewählten Abseits nach Leben dürstet.




Seit dem 14. April 2005 läuft im Eiszeit Kino Berlin Tawfik Abu Waels Film Atash. Der palästinensische Regisseur erzählt in beeindruckenden Bildern die Geschichte einer Familie, die am Rande der Gesellschaft mit den Beschränkungen und der Kargheit des zum Teil selbst gewählten und doch aufgezwungenen Lebens im Nirgendwo des Nahen Ostens zu kämpfen hat.

Abu Shukri lebt bereits seit zehn Jahren mit seiner Familie in einem Tal, mitten im Nichts und weit weg von der Heimat. Vater und Sohn, die die eigens produzierte Kohle in einem nahegelegenen Dorf verkaufen, sind die einzigen der Familie, die Kontakt zur Außenwelt haben. Mutter und Töchter verlassen den Ort nie. Während der Vater seine im Bau befindliche Wasserleitung vor einer mysteriösen Gefahr verteidigt, entwickelt seine Familie mit der Zeit nicht nur einen immer stärker werdenden Durst nach Wasser und Essen, sondern auch nach Freiheit, Sex, Liebe, Erotik und Begierde - einen Durst nach Leben. In ihrer vollkommenen Unabhängigkeit und Abgeschiedenheit teilen alle ein Geheimnis, das den Zusammenhalt der Familie zu zerstören droht.

Ruhig und expressiv, betörend schön und traurig ist Abu Waels Film. Der Regisseur nimmt uns mit auf eine Reise in das tiefste Innere dieser komplexen, palästinensischen Familienbeziehung, die zwischen Liebe und Hass, Einsamkeit und Verschwörung schwebt.
Auch wenn die Gegenwart des Nahost-Konfliktes immer und überall zu spüren ist, hat sich Abu Wael bewußt gegen die Thematisierung dessen entschieden. Eine folgenträchtige Entscheidung: Da in diesem Film die typischen Symbole des Konflikts fehlen, habe sich westliche Stiftungen und Förderinstitutionen gegen eine Unterstützung des Films entschieden. Doch eben weil der Regisseur den Fokus seines Films auf die Abu Shukri und seine Familie legte, wurde er zu einem großartigen kleinen Meisterwerk.

Bis auf eine Ausnahme sind alle Schauspieler Laiendarsteller. Sie verkörpern vollkommen unverblümt und unmittelbar die Unerträglichkeit der Situation. Durch die Langsamkeit und das vorherrschende Schweigen lässt sich Abu Wael die brodelnde Spannung bei jeder Einstellung aufs Neue entfalten. Gerade bei diesem Film trifft die einfache Gleichung "weniger ist oft mehr" voll und ganz zu.

Zum Regisseur: Tawfik Abu Wael wurde 1976 in der palästinensischen Stadt Um El-Fahim in Israel geboren. Er hat an der Universität Tel Aviv Filmregie studiert. Von 1996-98 arbeitete er im Filmarchiv der Universität und von 1997-99 unterrichtete er Schauspiel an der Hassan Arafe Schule in Jaffa. Seit 1997 arbeitet er als freier Produktionsleiter und Regisseur. Sein arbeitet wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.


Atash ("Durst", Original mit Untertitel)
Noch bis zum 4. Mai 2005 im Eiszeit Kino in Berlin, Zeughofstr. 20, 10997 Berlin
Israel, Palästina 2004, ca. 110 min.
Regie: Tawfik Abu Wael
Darsteller: Hussein Yassin Mahajne, Amal Bweerat, Roba Blal, Jamila Abu Hussein, Ahamed Abed Elrani

Weiter Infos finden Sie unter: www.eiszeit-kino.de



Kunst + Kultur

Beitrag vom 23.04.2005

Sarah Ross