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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 30.10.2002


EinmalBlicke - Disposable Eyes. Kommunikation statt Panzer
Gaby Miericke-Rubbert

EinmalBlicke - Disposable Eyes. Die neue Sonderausstellung im Jüdischen Museum Berlin zeigt Fotografien, die Israelis und Palästinenser mit Einwegkameras aufgenommen haben.




3 Künstler, eine Idee. Als die Berliner Fotodesignerin Suzanna Lauterbach im vergangenen Jahr in Israel einer Einladung der Jerusalem Foundation for the visual arts folgte, lernte sie die beiden Fotokünstler Eldad Cidor und Eytan Shouker kennen. Und sie stellten fest, daß alle drei eine ähnliche Projektidee verband, nämlich ihr Handwerkszeug, die Kamera selbst, beiseite zu legen und israelische und palästinensische Laien an ihrer Stelle fotografieren zu lassen.

Cidor und Shouker hatten ihr "Pen-Pal Projekt - Brieffreundschaften" bereits 1997 in Angriff genommen, als im Nahen Osten zwar noch der Optimismus der Osloer Friedensnobelpreisverleihung an Rabin und Arafat nachwirkte, aber die ersten Selbstmordattentate den Friedensprozeß wieder stagnieren ließen.

Einat (24), Jerusalem: "Der Zabar-Kaktus steht als Symbol für diejenigen, die in Israel geboren sind. Er ist eine sehr starke Pflanze und läßt sich nicht leicht anfassen. Diese Kakteen sind aber länger hier als wir. Früher haben die arabischen Dörfer sie als natürlichen Schutzwall gegen ihre Feinde benutzt. Seit ich das weiß, ist das Symbol des Kaktus für mich immer mehr zu einem Symbol des Konflikts geworden."


Die beiden Künstler aus Tel Aviv kamen auf die Idee, an 500 Jugendliche Einwegkameras zu verteilen mit der Bitte, damit ihren Alltag und ihre unmittelbare Umgebung zu fotografieren. Nach 2-3 Wochen sammelten die Künstler die Kameras wieder ein. Zwischenzeitlich hatten die jugendlichen Projektteilnehmer Fragebögen über ihre Hobbies und Vorlieben ausgefüllt. Das Fotomaterial wurde in Form von Postkarten geprintet und auf der Rückseite als Adressat ein Jugendlicher der "anderen politisch-sozialen Seite" benannt, der anhand der Informationen aus den Fragebögen als passend ausgewählt worden war.

Es sollte ein erster Schritt zu einer Brieffreundschaft sein, wo man das bisher feindlich erlebte Gegenüber in seinen Eigenarten, aber vor allem mit den Gemeinsamkeiten kennenlernen konnte. Wo Gemeinsamkeiten verbinden, wo das Trennende, das durch die Politik und die Medien zunehmend geschürt wird, abgebaut werden kann zugunsten von Verständigung und Annäherung.

Einat (24), Jerusalem: "Was hier ist, ist hier und nirgendwo anders. Umgeben von Plastikspielzeug liegt mein Porträt auf dem Keramikboden, und ein Buch deutet an, daß wir das Volk des Buches sind. Ich finde es bizarr, daß man so viel banales Kriegsspielzeug findet! Für mich ist es auch wichtig, in solchen Situationen ein Lächeln zu bewahren."
Im Projekt "Promised Land - Gelobtes Land" von Suzanna Lauterbach geht es zwar nicht um Brieffreundschaften, aber um Kommunikation und Toleranz allemal. Sie verteilte nach dem Ausbruch der 2. Intifada 26 Einwegkameras an Israelis und Palästinenser in Jerusalem und Tel Aviv, welche ihre persönliche Situation und Umgebung per Fotoapparat dokumentieren sollten. Zum einen haben die Einheimischen Distanz zu ihrer Realität mittels der Kamera herstellen können. Zum anderen erfahren die AusstellungsbesucherInnen Bilder aus dem Leben jenseits des Nah-Ost-Konflikts, wo die Menschen, egal welcher politischen, religiösen oder sozialen Zugehörigkeit, Alltag in diesem Krisengebiet zu leben versuchen. Und die Sehnsucht nach Frieden wird überall spürbar.
Besetzte Gebiete, Flüchtlingslager, Autonomiegebiete, Polizeipatrouillen, Beschlagnahmungen, Selbstmordattentate, Panzer und Vergeltungsschläge, das scheint nicht der Weg zu sein, der zu Toleranz und Frieden führt.

Khalil (37), Ramallah: "Ein freies und friedliches Land ohne Gewalt, damit unsere Kinder wieder lächeln können. Jeden Tag muß ich den Kontrollpunkt passieren und ich weiß nie, wieviel Zeit ich diesmal dafür brauchen werde."
Die drei Künstler wollen mit ihrer Ausstellung einen zu den steten Tropfen beitragen, die die verhärteten Fronten aushöhlen sollen, Gegenbilder zu den in den Medien veröffentlichten Gewaltszenen liefern.

Besonders für Jugendliche könnte diese Ausstellung spannend und informativ zugleich sein. Das Jüdische Museum bietet speziell Workshops für diese Altersgruppe an, wo israelische und palästinensische Lebenswelten näher gebracht werden.

Und hoffentlich werden aus den geworfenen EinmalBlicken trotz unserer Wegwerfmentalität nachhaltige Einblicke, Einsichten, vielleicht sogar Engagement.


EinmalBlicke - Disposable Eyes
Brieffreundschaften - Pen-Pal Projekt von Eytan Shouker und Eldad Cidor
Gelobtes Land - Promised Land von Suzanna Lauterbach
Ort: Jüdisches Museum Berlin, Altbau, 1. Obergeschoss
Lindenstr. 9-14 10969 Berlin-Kreuzberg
25. Oktober 2002 - 12. Januar 2003
Öffnungszeiten: Tägl. 10-20 Uhr, montags bis 22 Uhr, Eintritt Frei
www.jmberlin.de
www.disposable-eyes.net


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Beitrag vom 30.10.2002

AVIVA-Redaktion