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Beitrag vom 02.02.2004
Kitchen Stories - Feldforschung in den Küchen der 50er Jahre!
Katrin Brummund
Bent Hamers neuer Film kommt als absurdes Kammerspiel daher und entpuppt sich als glänzende Studie über die Unverzichtbarkeit menschlicher Kommunikation
Die Rahmenhandlung in Kitchen Stories mutet ein wenig bizarr an:
Das schwedische "Haushaltsforschungsinstitut" HFI entsendet Anfang der 50er Jahre 12 Beobachter in die norwegische Kleinstadt Landstad. Wissenschaftliche Untersuchungen sollen die Effektivität der Küchenarbeit erforschen und sie nach dem Vorbild der modernen Industrie rationalisieren.
Forschungsobjekt ist gemäß der Gegebenheiten in Landstad der alleinstehende Mann. Von einem Hochsitz in der Ecke der Küche sollen die Forscher ihr Objekt überwachen und jede Bewegung zwischen Küchentisch, Herd und Spüle aufzeichnen. Dabei ist jegliche Art von Kommunikation zwischen Beobachter und Forschungsobjekt untersagt.
Diese in einem Nebensatz fallende Instruktion entwickelt sich zum Hauptproblem zwischen dem Observierer Folke und seinem "Wirt" dem Bauern Isak, beide keine großen Redner.
Isak, der seine Einwilligung in das Experiment bereut, bestraft seinen Beobachter durch stumme Feindseligkeit und boykottiert die Untersuchung, indem er sich zum Essen aus der Küche zurückzieht.
Doch die Nähe zwischen zwei Menschen führt zwangsläufig zu einer Art von Kommunikation, die zunächst vorsichtig und nonverbal, schließlich pflichtvergessend Folkes strenge Forschungsmethoden verdrängt.
Das Experiment scheitert gründlich, doch die Menschlichkeit triumphiert.
Der norwegische Regisseur Bent Hamer zeigt in seinem Film die Notwendigkeit zwischenmenschlicher Kommunikation, sei sie noch so karg oder belanglos. Erst die Kommunikation führt Menschen zueinander, ihr künstlicher Ausschluss bedeutet Frustration und Vereinsamung.
Die Hauptaussage des Films fällt ausgerechnet aus dem Munde Greens, ein Kollege Folkes, der sich der äußersten Form der Fraternisierung "schuldig" gemacht hat, indem er mit seinem Forschungsobjekt säuft. Im angetrunkenen Zustand wirft er Folke verzweifelt entgegen: "Aber man muss doch reden miteinander!"
In ruhigem Tempo erzählt Bent Hamer seine ungewöhnliche Geschichte. Sie ist gewürzt mit bittersüßem Humor.
Stilistisch ist Kitchen Stories eine gelungene Momentaufnahme der 50er Jahre: Die minimalistischen Campingwagen, mit denen die schwedischen Bürokraten in dem norwegischen Nest einfallen, wirken auf heutige ZuschauerInnen durch ihr bloßes Erscheinen absurd. Die damalige Gläubigkeit an Wissenschaft und Autorität, wo selbst ein Arzt, der bei der Untersuchung seiner Patienten raucht, kein bisschen Respekt einbüßt, bilden den Grundtenor des Humors in dieser wunderbar subtilen Komödie.
Kitchen Stories
Originaltitel: Salmer fra kjökkenet
Regie und Drehbuch: Bent Hamer
Kamera: Jutta Pohlmann
Darsteller: Joachim Calmeyer, Tomas Norström, Bjørn Floberg, Sverre Anker Ousdal u.a.
Norwegen 2003
Länge: 92 Min.
Kinostart: 05. Februar 2004
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