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Beitrag vom 30.10.2002
3. Berlin Fringe Jazz Festivals - Auftaktkonzert am 30. Oktober im Kammermusiksaal der Philharmonie
Gerlinde Behrendt
Ein Wiedersehen mit Coco Schumann, Treffen internationaler Gäste und Latin Jazz mit Clarissa Pöschel bildeten die Highlights des Eröffnungsabends
Was zieht eine Berlinerin Ende Oktober abends um 8 bei Nebelfeldern und fallenden Temperaturen in den Tiergarten? Das Berlin Fringe Jazz Festival findet zum 3. Mal statt und lud ein zur Eröffnung in die Philharmonie. Jazz im Kammermusiksaal der Philharmonie hörte sich schon mal beeindruckend an. Die weiteren Konzerte finden dort statt, wo man Jazz auch erwartet: in Kneipen, Bars und Clubs.
Das Coco Schumann Quartett begann mit einer Erinnerung an die Tradtion: Swing is back in town. Im Alter von mittlerweile schon 78 Jahren schafft er es locker, mit seiner Mixtur aus Klassikern und Eigenkompositionen das Publikum immer noch von den Stühlen zu reißen. Ein erstaunliches Phänomen!
Die undankbare zweite Postion im Eröffnungsreigen hatte Natalie Williams mit ihrer Band. Die junge Berlinerin hat Jazzgesang studiert und bot im Kammermusiksaal einige Scat-Gesangsnummern aus ihrem Repertoire an. Das Publikum klatschte auch immer sehr höflich, ich selbst bin allerdings als Zuhörerin ein schwieriger Fall. Es ist nicht so einfach, meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ich habe mich dabei erwischt, wie ich zwischendurch immer mal wieder ausgiebig die Architektur des Gebäudes studierte und mit meinen Gedanken weit abschweifte... Woran kann das gelegen haben?
Nach dem nächsten Auftritt von Dan Gottshall und Miriam Kaul aus Baltimore, USA, wusste ich es. Die Band trat auf die Bühne, fing an zu spielen und man sah es an den Gesichtern, an den Bewegungen und hörte es an der Intonation: Sie bringen das essenzielle Blues Feeling des Jazz ein. Vor allem Miriam Kauls Saxophonspiel läßt die Zuhörer keineswegs in Ruhe - mit hypnotischer Kraft zieht sie uns in ihren Bann. Das Quintett besteht aus hochprofessionellen Orchestermusikern, die sich zusammengeschlossen haben, um eben auch Jazz zu spielen. Die Band bot "Songs from warm places", der Titel traf ins Schwarze: herzerwärmende, aufregende, ein wenig neurotische Klänge zeigten uns nebelgeplagten Berlinern, wohin die Reise eigentlich gehen soll.
Das war auch das Ziel von Clarissa Pöschel der langerwarteten Kult Sängerin des Abends, die mit ihrer Frauenband "Diabolitas" in die rhythmischen und melodischen Gefilde des Latin Jazz hinüberwechselte: Latin Moments. Clarissa sprach zu Beginn ihrer Show das aus, was ich auch vorher heimlich schon mal dachte: der Ort "Kammermusiksaal" - freundlicherweise von den Philharmonikern zur Verfügung gestellt - ist womöglich doch etwas zu elitär für Fringe Jazzkonzerte... Die Akkustik ist superbombastisch, das Ambiente für kulturelle Zwecke durchgestylt - aber eigentlich möchte man lieber öfter zwischendurch aufstehen, auch mal reden, sich einen Mojito-Cocktail holen und Zigarettenasche fallen lassen... Clarissa tritt im Rahmen des Festvals noch einmal in den Hackeschen Höfen auf und wird sich hoffentlich nach ihrem Erfolg auch noch oft in den Berliner Clubs sehen lassen!
Das 3. Berlin Fringe Jazz Festival findet in verschiedenen Clubs statt vom 30.10. - 03.11.2002
Eine Programmübersicht erhält man hier: http://www.jazzradio.net