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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 25.02.2011


Pina - tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren
Tatjana Zilg

Wim Wenders beweist, dass 3D vielmehr kann, als Animationen und Action-Blockbustern neue Attraktivität zu verleihen. Er eroberte sich die mittlerweile ausgefeilte Technik und gestaltete ...




... einen Tanzfilm über Pina Bausch, in dem er das Kinopublikum mitten ins Tanzensemble auf die Bühne holt und in urbane und naturnahe Umgebungen Wuppertals versetzt.

Das Projekt war ursprünglich als gemeinsame Arbeit des Regisseurs, in seiner eigenen Filmographie häufig Vorreiter für neue Wege in der Kinokunst, und der weltberühmten Choreografin geplant. Doch zwei Tage vor dem ersten Probedreh in 3D geschah das Entsetzliche: Pina Bausch starb aufgrund eines Krebsleidens.

Erst durch 3D wurde Wenders Vorhaben möglich

Sichtbar gerührt erzählt Wim Wenders am Premiere-Tag bei der 61. Berlinale, wie er sich nach dem ersten Schock entschieden hatte, den Film dennoch zu drehen, wenn auch in einer ganz anderen inhaltlichen Herangehensweise. Bereits vor 20 Jahren entstand zwischen den beiden Ausnahme-KünstlerInnen die Idee, gemeinsam einen Tanzfilm über Pinas Arbeit zu drehen. Lange Zeit zögerte Wenders, das Vorhaben in die Tat umzusetzen, da er keine Klarheit darüber gewinnen konnte, wie all das Besondere, das ihre choreografische Handschrift auszeichnet, auf eine zweidimensionale Leinwand übertragbar sein könnte. Erst durch die Fortschritte der 3D-Technik wagte er es, dieses Projekt anzugehen, und sie verabredeten, dass er sie während einer Tournee begleiten würde. Nach ihrem Tod veränderte er in Absprache mit dem Tanzensemble das Filmkonzept grundlegend.

Pinas Blick

Natürlich ist Pina Bausch nicht nur für Wim Wenders in ihrem Metier nahezu unantastbar. Mit ihren einzigartigen Choreografien begeisterte sie Publikum und Fachleute weltweit. Niemanden gelang es so wie ihr, theatrale Elemente und individuellen Ausdruck in die Tanzkunst einzubinden: In ihrem Ensemble zu tanzen wurde für viele TänzerInnen zum ersehnten Ziel.
Seit der Spielzeit 1973/74 leitete Pina Bausch die Tanzsparte an den Wuppertaler Bühnen und führte diese zu einem hohen Bekanntheitsgrad. Wesentlich für ihre Arbeit sind ihr Blick und die daraus entstehenden Fragen, die sie an ihre TänzerInnen richtet und die sie mit in den Tanz nehmen. Diesen beiden Elementen folgt auch Wenders Film, so dass Pinas Blick in jedem Moment spürbar im Raum liegt. Ausschnitte aus den vier Stücken "Café Müller", "Le Sacre du printemps", "Vollmond" und "Kontakthof" wechseln sich in nicht chronologischer Folge ab, sie werden teils auf der Bühne umgesetzt, teils an ausgewählten Orten Wuppertals, wodurch in einigen Szenen die Konfrontation von Tanz mit architektonischer Linearität im Mittelpunkt steht. An vielen anderen Stellen schmiegt sich der Humor mit ein, etwa dann, wenn eine Tänzerin im Stadtparksee einen Nilpferd begegnet oder in einem nicht sofort erkennbaren Duett eine Frau männliche Muskeln spielen lässt.

Durch den 3D-Effekt erscheint das Geschehen der Zuschauerin stets zum Greifen nahe und zieht sie mit Wucht hinein in die emotionalen Fluten, die vom Tanz ausgehen. Auch die Interviewpassagen mit den TänzerInnen, die von ihren Erfahrungen in der Arbeit mit Pina Bausch erzählen, bekommen durch die veränderte Raumhaftigkeit der abgebildeten ProtagonistInnen eine vertiefte Wahrhaftigkeit.

Premiere im Berlinale-Palast

Der Film feierte kurz vor seinem deutschen Kinostart am 24. Februar 2011 am 3D-Sonntag bei der 61. Berlinale seine umjubelte Premiere. Nicht nur die Erschaffung einer würdigen Hommage an Pina Bausch, auch die Erschließung der 3D-Technik für den anspruchsvollen Filmbereich, sind Wenders Verdienste. Gemeinsam mit seinem Filmteam, für das er auch den Bühnenbildner Peter Pabst gewann, der auf eine 30jährige Zusammenarbeit mit Pina Bausch zurückblicken kann, beschrieb er bei der Pressekonferenz, welche großen Schwierigkeiten am Anfang des Drehs auftraten und wie diese Schritt für Schritt in akribischer Feinarbeit gelöst wurden. Zu Gute kam ihnen dabei, dass sich die 3D-Technik seit einiger Zeit rapide fortentwickelt, so dass im Laufe der Filmproduktion verbesserte Möglichkeiten zur Verfügung standen.

AVIVA-Tipp: "Pina - tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren" legt sich um den eigenen Körper wie ein drogenfreier Rausch und beglückt durch berührende und dynamische Augenblicke.
Phasenweise vermisst frau Hintergrundinfos, doch dann packt einen wieder die unmittelbare Begeisterung für die Ausdruckskraft des Tanzes in seinen blitzschnellen Bewegungen, Getriebensein und dem Kaleidoskop an nach außen sichtbar gemachten Emotionen.
Ein Dokumentarfilm in solch hoher Regiequalität, der für sein Sujet die 3D-Technik nutzt, war noch nie da und so liegt über dem Ganzen das Gefühl, bei der Eroberung neuer cineastischer Gebiete teilzuhaben.
Er ist aber nur bedingt dafür geeignet, zeitgenössischen Tanz denjenigen nahe zu bringen, die bisher wenig Berührungspunkte damit hatten , da der Film auf Hintergrundinfos und Biografisches zu Pina Bausch verzichtet. Auf der anderen Seite ist er hier in ganz neuen Dimensionen erlebbar als auf der Bühne, wenn er in Natur und Stadt inszeniert wird und sich auf deren Objekte bezieht. Durch die Kameraführung wird der Blick zudem auf Details gerichtet, die bei einem Liveerlebnis möglicherweise der Wahrnehmung entgehen. Die hervorragend ausgewählte Musik intensiviert dies im hohen Maße.

Pina - tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren
Deutschland 2010
Regie, Drehbuch, Produktion: Wim Wenders
Stereograph: Alain Derobe
Kamera: Hélène Louvart und Jörg Widmer
3D Supervisor: Francois Garnier
Choreografien: Pina Bausch
Künstlerische Beratung: Dominique Mercy, Robert Sturm
Art Director: Peter Pabst
Bühnenbild: Rolf Borzik und Peter Pabst
Kostüme: Rolf Borzik und Marion Cito
Produzent: Gian-Piero Ringel
Koproduzenten: Claudie Ossard und Chris
Produktion: Neue Road Movies
Verleih: NFP marketing & distribution, Vertrieb Warner Bros.
Lauflänge: 100 Minuten
Kinostart: 24. Februar 2011

Weitere Informationen finden Sie unter:

www.pina-film.de




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Beitrag vom 25.02.2011

AVIVA-Redaktion