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Beitrag vom 28.09.2010
Oskar und die Dame in Rosa
Tatjana Zilg
Die letzten zwölf Tage im Leben eines krebskranken Kindes: Regisseur und Bestseller-Autor Eric-Emmanuel Schmitt meistert dieses Thema in der Verfilmung seines gleichnamigen Romans mit einer ...
... beeindruckenden cineastischen Balance aus Leichtigkeit und Tiefsinn.
Teils wie ein farbenprächtiges Märchen, teils wie eine Internatsgeschichte, die sich in Krankenhausräume verirrt hat, teils wie eine philosophische Reflexion über das Mysterium von Leben und Sterben tanzt das zweite Werk des außergewöhnlichen Autors über die Leinwand und lädt die Seelen der ZuschauerInnen ein, den 10jährigen Oskar während seiner abenteuerreichen letzten Zeit zu begleiten, ihn dabei tief ins Herz zu schließen und danach Schönheit und Grausamkeit vom Kreislauf des Lebens ein klein wenig besser verstehen zu können.
Eric-Emmanuel Schmitt ist ein Autor, der sich durch die einzigartige Herangehensweise an seine Themen einen bedeutenden Namen gemacht hat. Angstbesetzte Inhalte vermittelt er eindringlich, behutsam, im gleichen Zuge unterhaltsam und mit einem inneren, wärmenden Lächeln. Mit "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" gelang ihm ein zeitloser Bestseller. Weitere Titel aus seinem bisherigen Werk sind "Mein Leben mit Mozart", "Kleine Eheverbrechen", "Das Kind von Noah" und "Das Evangelium nach Pilatus". Mit "Odette Toulemonde" gab er 2007 sein Regiedebüt und bezauberte sein Publikum mit einer leichtfüßigen Geschichte über die grenzenlose Schwärmerei einer lebensklugen Verkäuferin zu einem depressiven Bestsellerautor. Dabei nutzte er geschickt die Möglichkeiten filmischer Effekte und des klassischen Musicals, um die Charaktere in ihren Stärken und Schwächen zu betonen und die Geschichte in ihren Grundmotiven prägnant zu schärfen.
Diese Handwerksutensilien übernahm er auch für die Regie der Verfilmung seines lediglich 112 Seiten umfassenden Romans "Oskar und die Dame in Rosa", der in Frankreich 2004 in einer Umfrage zum Thema "Bücher, die mein Leben verändert haben" neben der Bibel und Saint-Exupéry´s "Der kleine Prinz" genannt wurde. Das verwundert nicht, denn es geht hier um die Essenz vom Leben und Sterben und dem Tod als unausweichliche Tatsache, die Menschen seit Alters zur Spiritualität hinführt oder auch verzweifeln lässt.
Eine berührende Freundschaft an der Schwelle zur Ewigkeit
Besonders erschüttert es die menschliche Seele, wenn ein Kind eine unheilbare Krankheit hat. Genau davon ist Oskar betroffen.
Er leidet an Leukämie und wird deshalb stationär in einem Krankenhaus behandelt. Als er ein Gespräch zwischen dem Arzt mit seinen Eltern belauscht, erfährt er, dass die Medizin bei ihm versagt hat und er bald sterben wird. Zu der Schwere dieser Wahrheit kommt der Vertrauensbruch der Erwachsenen, die vorhatten, ihm den negativen Verlauf seiner Krankheit und den nahenden Tod zu verschweigen. Später wird dieser Tatsache in einem bewegenden Wendepunkt des Films nachgespürt und durch einen Dialog werden die Motive deutlich, die dazu verleiten, den Tod zu verschweigen oder im Angesicht eines bald sterbenden, nahe stehenden Menschen zu verdrängen. Das wird derart einfühlsam und komplex dargestellt, dass es die ZuschauerInnen dazu ermutigt, selbst die Einstellung zum Sterben zu hinterfragen, Sterbenden anders zu begegnen und sie nicht durch innere Distanzierung in ihrer letzten, so wertvollen Zeit psychisch alleine zu lassen.
Für Oskar wird eine Dame in Rosa zur bewunderten Wegbegleiterin und Vermittlerin in der letzten Zeit. Er hat die Pizzahändlerin Rose erwählt, als er im Treppenhaus des Krankenhaus mit ihr zusammenstieß und sie ihn mit einer temperamentvollen Schimpftirade überschüttete - völlig unwissend über seine unheilbare Krankheit. Später verlangte Oskar beim Chefarzt nach der "Dame in Rosa". Dieser setzte anschließend all seine Überzeugungskraft dafür ein, die sich sträubende Rose als ehrenamtliche Besucherin für Oskar zu gewinnen. Erst ist Rose verunsichert, dann aber wirft sie sich mit vollem Elan in ihre Aufgabe und erfindet für Oskar ein poetisches Gerüst, um die verbleibenden zwölf Tage in höchster Intensität zu erleben: Für jeden Tag soll er sich vorstellen, er sei ein ganzes Jahrzehnt, so dass er alle Lebensphasen eines langen, erfüllten Lebens vor seinem Tod erkunden kann - zusätzlich unterstützt durch einen brieflichen Dialog mit einem Gott der kindlichen Imagination.
"... Der Film würde sich eng an den Emotionen des Buches orientieren, aber es käme noch etwas hinzu: der Werdegang der Dame in Rosa. Wie bringt man es fertig, täglich in ein Kinderkrankenhaus zu gehen? Wie erträgt man das Unerträgliche? Wo holt man die Kraft her, anderen zu helfen und an das Leben zu glauben, obwohl man weiß, dass es nicht ewig währt? Ich wollte aus der Dame in Rosa keine Heilige machen. Sie strotzt vor Leben, hat Sex, steckt in finanziellen Schwierigkeiten - wie wir alle. Sie büßt auch nicht für irgendeinen ´Fehler´, den sie bitter bereut. Es ist einfach so, dass das Kind ihr helfen wird, sich selbst kennenzulernen. Und von ihrer tiefen Freundschaft profitieren beide: Rose nimmt Einfluss auf Oskars Leben, und Roses Leben wird durch Oskar verändert. Der Bengel hilft ihr zu begreifen, dass sie nicht nur Rosinen im Kopf hat, dass sie ein guter Weggenosse sein kann, dass tief in ihrem Inneren eine unschätzbare Großzügigkeit schlummert", beschreibt Eric-Emmanuel Schmitt die Intentionen seines Films.
Die ernsten Grundmotive erhalten eine unschuldige Heiterkeit durch die Einbindung von märchenhaften Anleihen wie einer Schneekugel in Übergröße, in der Rose Oskar Szenen aus ihrer ereignisreichen Karriere als Catcherin (vor ihrem Einstieg in die Pizzabranche) zeigt, den farbenfrohen Ballons, mit denen die Briefe an Gott auf den Weg geschickt werden, einem palastartigen Schneideratelier im Besitz von Roses feenhafter Mutter und einer Naturbegegnung, durch die Oskar zu Reife und Erkenntnis gelangt.
AVIVA-Tipp: Ein ganzes Leben in zwölf Tagen aus den Augen eines Kindes, das kein Kind mehr sein kann. Sich-Verlieben in eine Mitpatientin, Umgang mit Eifersucht, Trennung, Versöhnung, so viel muss Oskar verarbeiten und entfaltet in den Dialogen mit seiner Dame in Rosa berührende und weise Blickwinkel auf das Leben und das Sterben, die zum Nachdenken anregen und über die Unberechenbarkeiten des eigenen Daseins hinwegtrösten.
Entstanden ist so Autorenkino von höchster Qualität, die Sinne betörend, die Gedanken aufwirbelnd, die Gefühle hervorlockend und mit kleinen und großen neuen Erkenntnissen aus dem Kinosaal entlassend.
Oskar und die Dame in Rosa
Oscar et la dame rose
Belgien 2009
Regie und Buch: Eric-Emmanuel Schmitt
DarstellerInnen: Amir, Michèle Laroque, Max von Sydow, Amira Casar, Constance Dollé, Mylène Demongeot, Simone-Elise Girard
Länge: 105 Minuten
Verleih: Kinowelt Filmverleih
Kinostart: 07.10.2010
Weitere Informationen erhalten Sie unter:
www.eric-emmanuel-schmitt.com
www.oskarunddiedameinrosa.de
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