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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 08.05.2009


Deidre Starr - The tree below the road
Tatjana Zilg

Die Sängerin und Pianistin verleiht auf ihrem in Deutschland aufgenommenen Album zehn Traditionals aus Irland, England und Amerika und einem Bob Dylan-Song ein neues Gewand. Es gelang ihr, ...




... hoch dramatische Liebesgeschichten, in denen oft Geister eine tragende Rolle spielen, malerische Landschaftsbeschreibungen und Erinnerungen an die irische Revolution als eindringliche und zauberhafte Balladen zu inszenieren.

Deidre Starr hat schon in unterschiedlichsten Umfeldern gelebt, doch hauptsächlich zog es sie in Länder mit sattem Grün und uriger Natur - Eigenheiten, für die auch das Land ihrer AhnInnen berühmt ist. Heute wohnt sie deshalb in den märchenhaft schönen Wicklow Mountains in der Nähe von Dublin. Davor weilte sie für längere Zeit in Neuseeland, dessen Landschaft oft als Kulisse für die Verfilmung von Fantasy-Romanen dient. Die ausgebildete Chorsängerin widmet sich selbst künstlerisch lieber Überlieferungen, die keinen berühmten AutorInnen-Namen tragen. Traditionals aller Art sind ihr Metier und sie bringt die althergebrachten Weisen mit hoher Sensibilität und musikalischem Gespür den Menschen von heute nahe.

Von klein auf liebt sie die melodramatischen Lieder, in denen sich das ganze Prisma der menschlichen Emotionen widerspiegelt und deren Melodien das Herz erwärmen und tief verborgene Sehnsüchte an die Oberfläche hervorholen. Dabei erblickte Deidre Starr das Licht der Welt gar nicht in Irland, dem Land der Sagen und Legenden, sondern mitten in der Metropole London, wohin ihre Mutter ausgewandert war. Aber diese hatte die Lieder der Heimat nicht vergessen, sang sie ihrer Tochter immer wieder vor und zog das kleine Mädchen damit in ihren Bann. Als Teenager suchte Deidre Starr an ihrem Transistorgerät die Frequenzen von Radio Eireann anstatt Rockmusik zu hören. Daraus entstand jedoch keine Einseitigkeit. Mit großem Interesse ließ sie sich in ihrer musikalischen Karriere auch von Klassik, Jazz und Rock inspirieren.

Als sie dem Bassisten David Leahy begegnete, entwickelte sie ihren heutigen Stil, der auf die Kombination von tragendem Piano-Spiel mit akzentuierten Bass-Linien setzt, wodurch der klare Gesang optimal betont wird. Die kraftvolle Stimme von Deidre Starr hat von der Musikkritik Attribute bekommen wie "sirenenhaft, beschwörend, betörend oder auch engelsgleich". Seit ihrer Mitwirkung bei der Irish Spring Festival Tournee 2005 ist sie auch in Deutschland bekannt. Es folgten viele Soloauftritte hierzulande, mit denen sie nicht nur die Herzen der deutschen Irish Folk-Fans eroberte. Das vorliegende Album "The tree below the road" nahm sie im Oktober 2008 gemeinsam mit David Leahy in den Ludwigsburger Bauer Studios für Peregrina Music auf. Ergänzt werden Piano und Bass von dem berührenden Flötenspiel von Alan Doherty und dem temperamentvollen Geigenspiel von Tola Custy.

Gleich im Intro-Song "The wind that shakes the barley" geben sich Instrumente und Gesang ein lebhaftes Stelldichein. Der poetische Titel birgt einen tragischen Hintergrund: Die vom Wind bewegten Gerstenhalme wachsen aus den hastig errichteten Gräbern von in der Schlacht gefallenen WiderstandskämpferInnen, die in ihren Taschen oft Gerste als Nahrungsvorrat mit sich trugen. Das Traditional beschreibt aus den Augen eines jungen Mannes den Verlust seiner Gefährtin während der irischen Rebellion gegen die britische Herrschaft im Jahr 1798.

Im ansprechend gestalteten Booklet gibt Deidre Starr zu jedem einzelnen Song Informationen zur Herkunft und zur Entstehung ihrer Version. Dabei bezieht sie sich nicht immer direkt auf die überlieferte Melodie, sondern geht spielerisch mit dem Material um. So verwendet sie bei der Ballade über eine unerwiderte Liebe "Silver dagger" nur den Original-Text, den sie mit der Melodie von dem Song "Come all you fair and tender maidens" des Bluesgitarristen David Blomberg unterlegt. Zu einem anderen Song schrieb sie Melodie und Text frei aus ihrer eigenen Erinnerung auf, denn sie hatte ihn nur einmal auf einem Folk-Festival gehört. Anschließend ging er ihr nicht mehr aus dem Gedächtnis, aber die Gelegenheit zur exakten Recherche der Herkunft war bereits vorüber. Sie konzentrierte sich daher auf die tonale Gestalt des Songs und bringt "The tree below the road" als instrumentales Klanggemälde zu Gehör, in dem ihre Nähe zur Klassik besonders sichtbar wird. Einen Abstecher in das amerikanische Songwriting-Kulturgut der Gegenwart macht sie mit einem Cover von "Make you feel my love", mit dem Bob Dylan auf seinem Studioalbum "Time out of my Mind" im Jahr 1997 die melancholische Seite der Seele seiner Fans berührte.

Weiterhören: Kerstin Blodig

Deidre Starr im Netz: www.deirdrestarr.com und auf Myspace

AVIVA-Tipp: Die Wandlerin zwischen Vergangenheit und Gegenwart gestaltete mit "The tree below the road" ein ausgewogenes Album, das meisterhaftes Klavierspiel, ergreifende Texte, ausdrucksstarken Gesang und erdigen Bass an den genau richtigen Stellen mit Flöte und Geige verfeinert und einen tiefen Einblick in die Musik-Schatztruhe der anglo-amerikanischen Geschichte bietet.

Deidre Starr
The tree below the road

Label: Peregrina Music, VÖ April 2009



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Beitrag vom 08.05.2009

AVIVA-Redaktion