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Beitrag vom 06.11.2008
Rumba
Tatjana Zilg
Ein Paar scheint zum perfekten Lebenstanz gefunden zu haben. Fast jede Minute ihrer Freizeit widmen sie dem Rumba-Tanzen, tagsüber arbeiten sie als LehrerInnen an einer Grundschule. Bis ein fataler...
... Unfall ihr Leben gewaltig durcheinander bringt.
Es ist ein heftiger Schicksalsschlag für das lebensfrohe Paar: Beide wachen im Krankenhaus auf, sie im Vollgips, er ohne Erinnerung. Ein Selbstmörder hat ihr Leben verändert. In der Nacht zuvor stand der lebensmüde Mann plötzlich auf der Straße, bereit zu sterben. Sie riss das Steuer um und ihr Auto knallte gegen einen Baum. Fiona (Fiona Gordon) ist zunächst optimistisch, obwohl sie ihr Bein verliert – eine Tatsache, die viele in schwere Depressionen stürzen würde. Dom (Dominique Abel), ihr Ehemann, erkennt sie nicht mehr, er scheint wie ausgewechselt, mag seine SchülerInnen nicht mehr sehen, weigert sich, Fiona als seine Ehefrau zu begrüßen.
Nach der Krankenhausentlassung versuchen sie, so weiterzumachen wie zuvor, aber es will ihnen nicht gelingen. Fionas grazile Anmut ist der Tolpatschigkeit gewichen, alles fällt ihr aus den Händen, sie selbst stürzt mehrmals und kann den Unterricht nicht aufrechterhalten. Aus Doms schwungvollen Sportlehrer-Gebaren wird eine jungenhafte Aufsässigkeit, die ihn unzuverlässig und zum Anti-Vorbild werden lässt. Es folgt die Entlassung aus dem Schuldienst. Ein Missgeschick zieht das nächste nach sich. Bald werden sie obdachlos und verlieren sich aus den Augen. Sie taumeln als AußenseiterInnen durch die Welt, die sie nun mit ganz anderen Augen wahrnehmen und finden doch wieder zum Glück, können es endlich in den schönen Nebensächlichkeiten erkennen, die während eines Alltagslebens allzu oft übersehen werden.
Die Suche nach dem kleinen Glück wird zu einer burlesken Odyssee
Diese Geschichte wäre mit normalen Mitteln wohl kaum erzählbar, ohne als tristes Soziomelodram daherzukommen. Doch "Rumba" ist mehr als ein AutorInnenfilm. Hier tobt ein komödiantischer Bildersturm über die Leinwand, der zwar zu linear ist, um als surreal bezeichnet zu werden, aber mit einem wunderbar burlesken Humor aufwartet und sich stilistisch originell wie Bunuel´ske Bildwelten zeigt. Die HauptdarstellerInnen sind gemeinsam mit Bruno Romy, der in der Rolle eines Schokoladencroissant-Diebes auftaucht, auch für Regie und Buch verantwortlich. So kommen hier alle Künste aus einer Hand, wodurch es gelingen konnte, mit einer ungewöhnlichen Erzählweise zu arbeiten. Selten werden die Qualitäten von Varieté und Clownerie auf der Leinwand so präsent wie in "Rumba", ohne dass sie als Bühnenelemente eingeschoben werden, sondern das Spiel der DarstellerInnen auf eine ganz natürliche Art prägen. Das Paar, das auch privat eines ist, weiß genau, was es da tut, denn es gehört zu den internationalen MeisterInnen der Varieté-Kunst und inszenierte bereits vier komödiantische Theaterproduktionen. In Cannes wurde der Film zum Publikumsliebling gekürt.
AVIVA-Tipp: Der Tragik eine komische Gestalt geben und sich nicht vom Schicksal niederschlagen lassen, wer für diese hohe Kunst ein Rezept erhalten will, um vor unglücklichen Geschehnissen im eigenen Leben gewappnet zu sein, kommt mit "Rumba" auf volle Kosten. Dabei kann es aber schon einen Moment dauern, bis man sich auf das turbulente Spiel aus Bildern, Rhythmen, Mimiken, Gestiken, Landschaften und Gefühlsausbrüchen richtig einlassen kann, denn dafür muss die Rationalität im Kopf ein gutes Stück zur Seite geschoben und die rechte Gehirnhälfte zur vollen Stärke aktiviert werden.
Rumba
Belgien/Frankreich 2008, 77 Minuten
Regie und Drehbuch: Dominique Abel, Fiona Gordon, Bruno Romy
DarstellerInnen: Dominique Abel, Fiona Gordon, Bruno Romy, Phillippe Martz
Verleih: X-Verleih
Filmstart: 6.11.2008
Weitere Informationen unter: www.rumba.x-verleih.de