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Beitrag vom 30.11.2010
Kathrin Scheer - Rare
Yasmine Georges
JazzerInnen gibt es wie Sand am Meer. Einige von ihnen schaffen es auch außerhalb der Grenzen ihres Genres Aufmerksamkeit zu erregen und zählen fortan zu den "Großen". Kathrin Scheer reiht sich...
... bereits mit ihrem Debüt in die Riege jener MusikerInnen ein, die sich von der traditionellen Verspieltheit des Jazz verabschieden und eigene Wege gehen.
Es mag ein heiterer Frühlingstag gewesen sein, an dem die Kölner Singer-Songwriterin Kathrin Scheer entschied, ein Album mit dem Titel "Rare" aufzunehmen. Die Melodien klingen melancholisch, das sagt die Künstlerin selbst und doch gelingt es ihr, eine kleine Prise Sonnenschein in jeden ihrer Songs einfließen zu lassen. Dass das breite Publikum mit Scheers Namen noch nicht vertraut ist, liegt keineswegs an ihrer Untätigkeit, sondern vielmehr daran, dass sich die 31-Jährige einige Zeit gelassen hat, bevor sie ihr Debütalbum veröffentlichte. Ihre ersten musikalischen Schritte machte sie in diversen Chören, später entschloss sie sich zu einem Studium an der Musikhochschule Köln und fand eine neue Richtung: den Jazz. Gospel, Rock und Grunge zählten vorher zu ihren Leidenschaften, doch mit dem Studium und dem Jazz betrat die Sängerin neues Terrain.
Im Jahr 2000 gewann sie "Bundesrock & Popwettbewerb". Als "Beste Sängerin" ausgezeichnet, widmete Scheer sich nun einer anderen Leidenschaft: dem Film. 2006 arbeitete sie gemeinsam mit der Komponistin Annette Focks an dem Soundtrack zum Drama "Vier Minuten", 2008 folgte der Film "Die wilden Hühner". Der Musik blieb Scheer dennoch treu. Sie trat dem Berliner Vokalensemble "Klangbezirk" bei und gründete 2005 ihre eigene Band. Die Mitstreiter sind Olaf Drewes, Markus Bender und Heiko Braun. Die Drei unterstützen Scheer an Piano, Bass und den Drums. Sie alle haben bereits langjährige Erfahrung in der Musikszene gesammelt und vielleicht klingt das Debüt von Kathrin Scheer deshalb so selbstbewusst. Ihre Jazz-Interpretation ist sehr eigensinnig. Sie setzt auf eine dezente Instrumentalisierung, die Stimme, die nicht soulig, sondern fast ein wenig rau klingt, steht im Vordergrund.
Der erste Song trägt den Titel des Albums. "Rare" nimmt seinen Anfang auf einer belebten Straße, aus dem Stimmengewirr der Menschen und dem Hupen der Autos entsteht langsam eine Melodie, geboren aus dem Moment.
In Gedanken wandern die HörerInnen weiterhin auf dieser Straße, obwohl die Geräusche nach den ersten Akkorden verklingen. "Rare" war eine gute Wahl für den Einstieg. Der Titel hält die Balance, die die anderen Songs nicht finden. Er klingt bisweilen traurig, und bewahrt sich doch ein wenig Fröhlichkeit. "How´s It Gonna Be" nimmt letzteren Wesenszug auf und betört mit dem Gegensatz von Rhythmus und traurigem Text. Ein Lied, das trotz sanfter Töne tanzbar ist.
Das ist der Reiz von Scheers Debüt. Sie legt sich nicht fest. Mal passen die Tracks zu einem Abend in einem Jazzclub wie die Nummer Elf "The Night Is Young (And So Are We)" und mal verführen sie zum Liegenbleiben, zum Wolkenschauen wie das zerbrechliche "Paint The Sky". Mit "I am wiser than you´ll ever know/ And I´m stronger than I´ll ever show", beginnt der neunte Song, den Kathrin Scheer fast gehaucht vorträgt. Die Musik ist so zurückhaltend wie nie, nur das Klavier begleitet Scheers Stimme, die plötzlich nichts mehr von ihrer typischen Rauheit hat. Hier kommt Scheers Vergangenheit im Chor zum Tragen und gibt dem Album eine unerwartete Wendung. Nie aufdringlich, immer anrührend, so schön wie Kathrin Scheer vertont niemand die Wirklichkeit, die bisweilen kalt und herzlos erscheint. Mit den Melodien des Kölner Jazz-Genies wirkt das triste Grau des Novembers beinahe erfrischend.
AVIVA-Tipp: Ein Debütalbum ist wie ein Steckbrief. Es definiert die KünstlerInnen und ist wegweisend für die Richtung, in die sich ihre Musik entwickeln wird. Dessen war sich die Jazz-Newcomerin aus Köln wohl durchaus bewusst. Mit "Rare" präsentiert sich Kathrin Scheer bereits als erfahrene Musikerin mit dem richtigen Gespür für die Magie des Moments. Sie fängt das Unausgesprochene ein und kreiert eine Welt, fernab der unseren, fernab aller bekannten. Ein wegweisendes Debüt für einen aufgehenden Stern.
Kathrin Scheer
Rare
Label: Traumton Records, VÖ: 29. Oktober 2010
Weitere Infos zur Künstlerin finden Sie unter:
www.kathrinscheer.de
Weiterhören auf AVIVA-Berlin:
"Abbey Lincoln – Abbey sings Abbey"
"Alony – Unarmed and dazed"
"Anna Ternheim - Leaving On A Mayday"
(Quelle: Traumton Records)