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Beitrag vom 20.09.2010
Agnes Obel - Philharmonics
Lisa Erdmann
Ihren Song "Just So" hörte frau monatelang in der TV-Werbung der "Deutschen Telekom", die Künstlerin hinter dem Piano blieb jedoch lange anonym. Nun zeigt sich die schnörkellos Schöne der Welt ...
...und hüllt uns mit ihren schwermütigen Balladen in beeindrucktes Schweigen.
Allein das Cover dieses Debütalbums spricht schon Bände: fast ungeschminkt, mit eisblauen Augen schaut die 29-jährige Dänin und Wahlberlinerin Agnes Obel ihre potentielle Hörerin herausfordernd an. "Na, traust Du dich?" scheint sie zu fragen. Frau mustert das klare Gesicht und dessen feine Züge und stellt fest, dass dieses Bild ebenso ein Portrait aus dem letzten Jahrhundert sein könnte, so schlicht und zeitlos liebreizend mutet es an. Wer sich dann dazu entscheidet, die vielversprechende Hülle zu wenden, schaut direkt in die starren, leuchtend gelben Augen einer Eule. Dieses Tier, das zugleich als Symbol der Weisheit, Weiblichkeit und der Nacht gilt, beherrscht denselben lauernden, erhabenen Blick wie die Musikerin. Beide erstrahlen durch eine unverfälschte Anmut und innere Ausgeglichenheit, welche ebenso das Klangwerk der Komponistin charakterisiert.
"Für mich ist Gesang zweitrangig. Die Musik, die Lieder und Melodien stehen im Vordergrund."
Agnes Obels Songs sind wie eine Reise an einen märchenhaft-fiktiven Ort, fernab von Hektik und Alltagslärm. Mit fragiler Leichtigkeit verbreiten Cello und Piano eine somnambule Atmosphäre, auf welche sich die Singvogelstimme der Künstlerin wie ein drittes, zartes Instrument legt. Dass die gebürtige Dänin mit dem charmanten Akzent ihre eigens komponierten Werke nicht etwa in einem schicken Berliner Studio, sondern ganz bodenständig in ihrem Schlafzimmer aufgenommen hat, scheint eines ihrer Geheimrezepte zu sein. Aus wenigen einfachen Dingen "etwas Zeitloses und Universelles" zu kreieren, darauf kommt es der zurückhaltenden Musikerin bei ihren Songs an.
Irgendwo zwischen Filmmusik-Klassik und zartem Folk-Pop wandeln die zwölf Titel des Longplayers "Philharmonics" - die Hörerin könnte an Yann Tiersen, Joanna Newsom oder Jenny Wilson denken - doch so richtig schubladentauglich ist Agnes Obels Musik glücklicherweise dann doch nicht. Die Originalität ihrer Titel entzieht sich jedem Vergleich. Mal sind die Klänge geheimnisvoll mystisch, mal schüchtern verliebt, doch immer zeichnen sie ein inspirierendes Bild vor dem inneren Auge der Hörerin. Der instrumentelle Opener "Falling, Catching" könnte an eine winterliche Schlittschuhfahrt auf einem einsamen, verschneiten See erinnern, der Song "Riverside" entführt das Auditorium mit schwermütigen Lyrics und sanft treibendem Piano. "Brother Sparrow" wird von Obels elegisch-süßlicher Stimme getragen, das walzerartige "Louretta" und das anschwellende "Wallflower" sind geheimnisvolle Instrumentalstücke. Auch das albumbetitelte "Philharmonics" und das zart-poppige "Over The Hills" schmeicheln sich behutsam ins Hörerinnenohr.
Agnes Obel im Netz: www.myspace.com/obelmusic
AVIVA-Tipp: Wer sich diesen Longplayer einmal angehört hat, kommt von Agnes Obels Musik nicht mehr los. Die Welt aus Schmachten und Sehnen, welche uns die Skandinavierin malt, ist gerade wegen ihrer bittersüßen Melancholie so entsetzlich bezaubernd. Nach diesem Debüt kann der Herbst getrost kommen – schließlich gibt eines keinen besseren Grund sich einzuschließen und in Schwermut zu baden, als richtig gute Musik.
Agnes Obel
Philharmonics
Label: PIAS Recordings, VÖ: September 2010
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