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Beitrag vom 16.02.2024
The Zone of Interest. Bundesweiter Kinostart: 29. Februar 2024
Anke Gimbal
Die Handlung des Films ist allgemein bekannt, oder sollte es jedenfalls sein: SS-Offizier Rudolf Höß baut 1940 im Auftrag Heinrich Himmlers das Konzentrationslager Auschwitz auf, bleibt mit einer Unterbrechung dort bis Kriegsende KZ-Kommandant und …
... "managt" den Massenmord in den Gaskammern. Mit Frau Hedwig (Mutzi) und fünf Kindern wohnt er sehr idyllisch in einem hübschen weiß getünchten Haus mit großem Garten direkt auf der anderen Seite des KZ-Zauns.
Die Filmhandlung ist vordergründig im Wesentlichen unspektakulär, man schaut der Familie bei ihrem Alltagsleben zu. Schlafen, Aufstehen, üppig gedeckte Tische (mit geraubtem Porzellan?), Essen, in die Schule gehen, Kindergeburtstag, Pelzmantel anprobieren (wem gehörte der mal?) banale Gespräche zwischen den Eheleuten, usw. Die Handlung plätschert also so vor sich hin. Nur gelegentlich hauen die Protagonist*innen dann Dinge raus wie "… schneller, sonst geht es durch den Schornstein" (Mutzi zur "Hausangestellten") oder man ahnt, da nur die Szenen vorher (eine Frau löst ihre Haare und zieht die Schuhe aus) und hinterher (Höß wäscht sich im Intimbereich) gezeigt werden, wie Höß gegenüber einer der – mutmaßlich – Gefangenen sexualisierte Gewalt ausübt. Verstörend ist die "Kulisse", denn Haus inklusive Einrichtung und Garten sind sehr leer, aufgeräumt, geradezu klinisch steril. Dazu passt, dass alle meist sehr beherrscht sind und fast durchgängig bar jeder Emotion agieren. Auch in den Szenen, wo Höß seinen Dienstgeschäften nachgeht. So unterhalten sich zum Beispiel er und eine Gruppe von Ingenieuren völlig sachlich über "Ladungen", die verbrannt werden sollen. Nur Mutzi regt sich etwa auf, als ihr Ehemann ihr erklärt, dass er versetzt wird und die Gefahr besteht, dass sie ihre Herrenmenschenidylle verlassen muss.
Das ist die Handlung im Vordergrund. So gar nicht zum geputzten ordentlichen Haus, den blondbezopften Kindern (man fragt sich, welches Menschenbild werden sie haben?) passt der immer mitlaufende Bildhintergrund – hinter dem Zaun, der hoch, aber nicht hoch genug ist, das KZ völlig auszublenden. Auch durch die Fenster vor allem im oberen Stockwerk sind immer wieder Blicke auf die Vorgänge im Lager zu erhaschen, wie beispielsweise auf qualmende Schornsteine. Besonders "störend" fürs beschauliche Leben am Zaun sind die "Hintergrundgeräusche" jenseits des Zauns. Im Film ist das der allgegenwärtige Sound: Gewalt, Geschrei, Schüsse, Hilferufe, usw. ziehen sich durch den gesamten Film.
Der Film endet mit einem Blick auf die Gegenwart. Putzkolonnen fegen und staubsaugen durch das heutige Museum Auschwitz-Birkenau www.auschwitz.org/en/german. Wirklich "sauber" wird es da aber wohl nie mehr werden.
AVIVA-Tipp: Der Film bleibt im Kopf kleben und hat zu Recht u.a. fünf Oscar®-Nominierungen, neun BAFTA®-Nominierungen und drei Golden Globe®-Nominierungen. Nicht weil er zu Tränen rührt, sondern weil einen die Frage nicht loslässt, wie diese Familie so leben konnte. Und wie sie nach 1945 weiterleben konnte.
The Zone of Interest
Regie: Jonathan Glazer
Drehbuch: Jonathan Glazer
Basierend auf dem Roman "The Zone of Interest” von Martin Amis
Darsteller*innen: Sandra Hüller, Christian Friedel, Johann Karthaus, Luis Noah Witte, Nele Ahrensmeier, Lilli Falk, Anastazja Drobniak, Cecylia Pękala, Julia Polaczek, Kalman Wilson, Imogen Kogge, Medusa Knop, Zuzanna Kobiela, Martyna Poznańska, Stephanie Petrowitz, Max Beck und Andrey Isaev
Produzent:innen: Jim Wilson und Ewa Puszcyńska
Executive Producers: Reno Antoniades, Len Blavatnik, Danny Cohen, Tessa Ross, Ollie Madden, Daniel Battsek und David Kimbangi
Kinostart: 29. Februar 2024
Im Verleih von LEONINE Studios
Mehr Infos: www.a24films.com und www.facebook.com/zoneofinterest