Lee Krasner. Ausstellung in der SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT am Main vom 11.10.2019-12.01.2020 - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kunst + Kultur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 17.11.2019


Lee Krasner. Ausstellung in der SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT am Main vom 11.10.2019-12.01.2020
Sharon Adler

Lee Krasner zählt zu den wichtigsten Vertreterinnen des Abstrakten Expressionismus in den USA. Dennoch stand ihre Kunst lange im Schatten ihres Ehemannes Jackson Pollock, sie galt als die "Frau von Jackson Pollock". Das vielfältige Werk der jüdischen-amerikanischen Malerin und Collagistin wird nun erstmals in einer umfassenden Retrospektive in Europa sowie mit einem großartigen Bildband gewürdigt. Es erzählt die Geschichte einer der unbeirrbarsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts.




Ihr Leben ist typisch für das einer Frau, Geliebten, Muse eines erfolgreichen Künstlers dieser Zeit: Sie steht in seinem Schatten, kümmert sich um die Geschäfte, die Vermarktung und hält ihm alles vom Leib, damit er, ungestört von banalen Alltagsdingen, an seinen Kunstwerken arbeiten kann. Lee Krasner, die selbst begnadete Künstlerin war, kehrte erst nach Pollack´s Tod 1956 zu ihrer eigenen Malerei zurück.

Geboren wurde sie am 27. Oktober 1908 als Tochter von Chane, geborene Weiss, und Joseph Krasner in eine jüdische-russische Familie. Die Eltern waren vor den Pogromen aus der Ukraine in die USA geflohen. Sie war die vierte Tochter und das erste in Amerika geborene Kind der orthodoxen Einwandererfamilie. Ihren Vornamen "Lena" änderte sie als Jugendliche zuerst zu "Lenore", später zu dem amerikanischen "Lee".

Im Sommer 1928 begann Lee Krasner mit der Arbeit an einem ambitionierten Selbstporträt. Die 19­Jährige hatte die Women´s Art School der Cooper Union abgeschlossen und wollte (nach einem kurzem Besuch der Art Students League) ab dem Herbst an der renommierten National Academy of Design in Manhattan studieren. Mit einem in Öl gemalten Selbstporträt bewarb sie sich darum, in die dort angebotene Aktklasse aufgenommen zu werden.
In Interviews erzählte Krasner gern, dass die National Academy das Porträt nicht als Pleinair-Malerei anzusehen bereit war: Sie "warfen einen Blick auf mein Gemälde und meinten: ´Da haben Sie einen üblen Trick gespielt – tun Sie nie wieder so, als ob Sie im Freien gemalt hätten´". Krasner protestierte und beschrieb, wie sie ihr Selbstportrait angefertigt hatte, nämlich indem sie einen lebensgroßen Spiegel an einem Baum angenagelt hatte, und wurde schließlich widerwillig zugelassen. Während der Zeit ihres Studiums litt sie unter der traditionell-konservativen Lehre der Akademie und klagte über die "völlig sterile Atmosphäre eines dauerhaft erstarrten Mittelmaßes".

Schon die frühen Selbstporträts zeigen eine selbstbewusste Frau, die mit einem direkten und bestimmten Blick die BetrachterInnen herausfordert. Sichtbar wird der Geist der Emanzipation nach der Einführung des Frauenwahlrechts in den USA 1920. Sie gewähren gleichzeitig auch einen Einblick in jene Zeit, in der Krasner ihre künstlerische Identität entwickelte.

Erhalten sind leider nicht alle der frühen Selbstporträts denn ein Brand im Haus der Eltern vernichtete den Großteil ihrer studentischen Arbeiten, weshalb die wenigen erhaltenen Selbstporträts besonders wertvoll sind.

In den frühen 1940er Jahren stellte sie ihre Arbeiten gemeinsam mit der American Abstract Artists Group aus und traf Jackson Pollack, den sie 1945 heiratete. 1956 starb Pollock bei einem Autounfall, bei dem seine Geliebte, die Malerin Ruth Kligman überlebte, ihre Freundin Edith Metzger jedoch ums Leben kam.

Lee Krasner starb 1984. Ihre 1985 postum gegründete Pollock-Krasner Foundation fördert bis heute KünstlerInnen und Kunsteinrichtungen.
Lee Krasner hatte ihre erste Retrospektive 1965 in der London´s Whitechapel Gallery, doch es sollte bis sechs Monate nach ihrem Tod dauern, bis das Museum of Modern Art sie in einer Retrospektive würdigte.
Heute wird in der Ausstellung in der SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT und im bei HIRMER PREMIUM erschienenen Bildband Lee Krasners künstlerische Entwicklung und ihre außergewöhnlichen Werke aufs Beste sichtbar gemacht.

"Ich möchte, dass ein Gemälde atmet und lebendig ist. Lebendig sein, darum geht es doch. Und weil das, was man Pigment und Leinwand nennt, einschränkt, wollen wir mal sehen, ob ich es schaffe." Lee Krasner

AVIVA-Tipp: Dass es ihr gelungen ist, bewies Lee Krasner in sechs Jahrzehnten der Hingabe an die Kunst und mit ihren vielschichtigen explosiven Werken, deren Wucht weit über den Rahmen der Leinwand hinaustritt.

Lee Krasner
Herausgeberinnen: Ilka Voermann, Eleanor Nairne
Beiträge von J. Freeman- Attwood, S. Hudson, G. Levin, E. Nairne, K. Siegel, J. Yau
Text: Deutsch
240 Seiten, 250 Abbildungen in Farbe, 22 x 28 cm, gebunden, Papierwechsel beim Wibalinbezug
HIRMER PREMIUM, erschienen 2019
45 Euro
ISBN: 978-3-7774-3296-0
www.hirmerverlag.de

Alle aktuellen sowie zukünftigen Ausstellungen sind online unter: www.hirmerverlag.de

LEE KRASNER
SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT
11. Oktober 2019 – 12. Januar 2020


Eine Pionierin des abstrakten Expressionismus in den USA ist nach mehr als 50 Jahren in einer großen Retrospektive wieder in Europa zu sehen: Lee Krasner (1908–1984). Die Schirn präsentiert Hauptwerke der Künstlerin, darunter Gemälde, Collagen und Zeichnungen, sowie Fotografien und Filmaufnahmen dieser Zeit. Die Ausstellung erzählt die Geschichte einer der unbeirrbarsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts und zeigt Krasners Gesamtwerk, das ein halbes Jahrhundert umfasst: Selbstporträts aus den 1920er-Jahren, Aktdarstellungen in Kohle, Werkgruppen, wie etwa die geometrischen "Little Images" aus den 1940er-Jahren oder wegweisende Gemälde der "Prophecy"-Reihe aus den 1950er-Jahren, experimentelle, großformatige Werke der "Umber"- und "Primary"-Serie der 1960er-Jahre und späte Collagen der 1970er-Jahre.
Die Ausstellung wird kuratiert und organisiert vom Barbican Centre, London in Kooperation mit der Schirn Kunsthalle Frankfurt, dem Zentrum Paul Klee, Bern und dem Guggenheim, Bilbao.
Kuratorinnen: Eleanor Nairne, Barbican Art Gallery, London und Dr. Ilka Voermann, Schirn Kunsthalle Frankfurt

www.schirn.de

Mehr Informationen zu Lee Krasner

The Pollock-Krasner Foundation www.pkf.org

The National Museum of Women in the Arts (NMWA) nmwa.org

Jewish Women´s Archive jwa.org/people/krasner-lee und jwa.org/encyclopedia

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Liv Strömquist - I´m every woman
In ihrem neuesten feministischen Comic verhandelt die schwedische Politikwissenschaftlerin, Comiczeichnerin und Radiomoderatorin Liv Strömquist eine Vielzahl von gesellschaftsrelevanten Themen. Im Fokus stehen dabei all jene Frauen, die Zeit ihres Lebens im Schatten ihrer berühmten Partner standen: Mit bewegenden Ausschnitten der Biografien von unter anderem Lee Krasner, Jenny Marx, Priscilla Presley und Yoko Ono dekonstruiert Strömquist in diesem Buch den Mythos des "männlichen Genies." (2019)

EVA HESSE
Marcie Begleiters Dokumentarfilm erzählt die Geschichte der hochtalentierten Künstlerin – ein jüdisches Flüchtlingskind aus Hamburg, das sich an die Spitze der US-Kunstszene kämpfte und bis zu ihrem frühen Tod 1970 mit 34 Jahren die Kunstgeschichte verändert hat. (2016)

Agnes Martin. Herausgegeben von Tiffany Bell und Frances Morris
Agnes Martin ist in den USA eine der wichtigsten und konsequentesten Figuren der abstrakten Malerei. In Europa immer noch wenig rezipiert, gilt es nun die Meisterin der stillen Farben zu entdecken mit dem begleitenden Kunstband aus dem Hirmer Verlag und in der Retrospektive der Kunstsammlung Düsseldorf vom 07.11.2015 bis 06.03.2016 in Zusammenarbeit mit dem Tate Museum London. (2015)

Ulrike Halbe-Bauer und Brigitta Neumeister-Taroni - Bedeutende Künstlerinnen - Ich mach es auf meine Art
Bedeutsam und doch in Vergessenheit geraten ist der Großteil der 12 Künstlerinnen (darunter Lee Krasner), die von einer Historikerin und einer Redakteurin in diesem reich bebilderten Portrait wiederentdeckt werden. Ihr Leben, Werk und Erbe werden dabei auf anschauliche und unterhaltsame Weise vom Staub der Geschichte befreit und ins rechte Licht der Kunsthistorie gerückt. (2014)

Gespiegeltes Ich – Fotografische Selbstbildnisse von Künstlerinnen und Fotografinnen in den 1920er Jahren. Herausgegeben von Gerda Breuer, Elina Knorpp
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Quellen: HIRMER Verlag, SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT, AVIVA-Berlin


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Beitrag vom 17.11.2019

Sharon Adler