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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 06.09.2019


Der Honiggarten – Das Geheimnis der Bienen. Kinostart am 5. September 2019
Saskia Balser

Regisseurin Annabel Jankel erzählt die Geschichte von zwei Frauen in einer schottischen Kleinstadt der frühen 50er Jahre, deren Liebesbeziehung der spießigen Mentalität der übrigen Stadtbewohner*innen entgegentritt. Die Vorlage für das Drehbuch bildete der Roman "Tell It To The Bees" der britischen Autorin Fiona Shaw.




Lydia ist alleinerziehende Mutter des siebenjährigen Charlie. Seitdem ihr Ehemann sie verlassen hat, muss die junge Mutter den Alltag alleine bewältigen und sie versucht, sich und Charlie mit ihrem niedrigen Gehalt aus der Fabrikarbeit durchzubringen. Charlie, der sich wegen der Trennung seiner Eltern traurig und einsam fühlt, gerät in der Schule in eine Rauferei und landet anschließend bei der Ärztin Dr. Jean Markham, die erst vor Kurzem nach Dunloth, in die Stadt ihrer Kindheit, zurückgekehrt ist und die Praxis ihres kürzlich verstorbenen Vaters übernommen hat. Sie verarztet den verschreckten Jungen nicht nur, sondern zeigt ihm auch ihren Garten, in dem ein Bienenstock steht, welcher Charlie sofort in seinen Bann zieht. Jean vertraut ihm außerdem an: Wenn er den Bienen seine Geheimnisse erzählt, dann fliegen sie nicht fort.

Nicht nur Charlie ist fasziniert von Jean, auch Lydia freundet sich schnell mit ihr an. Beide Frauen gelten in der Stadt als Außenseiterinnen. Lydia, als alleinerziehende Mutter und Jean als praktizierende Ärztin. Es stellt sich heraus, dass Jean genau aus diesem Grund die Stadt einmal verlassen hat: Es wird viel getratscht unter den Bewohner*innen, die sich alle kennen, und gegenüber Neuem sehr misstrauisch sind. Jean, die in Dunloth aufgewachsen ist, weiß: "This town is too small for secrets."

Als Lydia ihre Arbeit in der Fabrik verliert und in eine finanzielle Notlage gerät, bietet Jean an, sie und Charlie bei sich im Haus aufzunehmen. Während des Zusammenlebens wächst Charlies Begeisterung für die Bienen und er vertraut ihnen all seine Geheimnisse an. Auch die beiden Frauen kommen sich immer näher, bis sich die erotische Spannung entlädt und sie eine Nacht miteinander verbringen. Am nächsten Morgen gesteht Jean, dass der eigentliche Grund, weshalb sie Dunloth damals verließ, eine Beziehung zu einer Frau war. Deswegen wurde sich nicht nur von der Gemeinde gemobbt, sondern auch von ihrem Vater herausgeworfen.

Das konservative und kleinkarierte Verhalten, das Jean bereits früher zu spüren bekam, trifft nun auch Lydia und Charlie. Nachdem sich die Beziehung der Frauen herumgesprochen hat, werden sie in der Stadt gemieden und Jeans Praxis nicht mehr besucht. Als Lydias Exmann von der Beziehung erfährt, eskaliert die ohnehin schon prekäre Situation.

Gefangen im Bienenstock – Prüdes Schottland der frühen 50er Jahre

Die Beziehungen zwischen Lydia und Jean, sowie zwischen dem sensiblen Charlie und den Bienen werden als aufrichtig und liebevoll charakterisiert. Die Frauen, beide Außenseiterinnen in Dunloth, entwickeln ihre Liebschaft sehr vorsichtig, weil sie wissen, wie streng die vorherrschenden Moralvorstellungen sind. Oscarpreisträgerin Anna Paquin und Holliday Grainger spielen das wachsende gegenseitige Interesse glaubhaft und bilden ein Paar, bei dem die Chemie passt. Das provinzielle Schottland der frühen 50er Jahre wird von Kameramann Bartosz Nalazek in erdigen, sanften Farben stimmungsvoll eingefangen. Dadurch entsteht ein authentisches Bild dieser Zeit, sowohl kinematografisch als auch inhaltlich.

Neben der Liebesgeschichte zwischen Lydia und Jean wird von einer wundersamen Beziehung zwischen Charlie und den Bienen erzählt, welche Regisseurin Annabel Jankel folgendermaßen beschreibt: "Diese zusätzliche Ebene umgibt die kleine Welt unserer drei Hauptfiguren wie ein Bienenstock. In dessen Inneren: eine aufblühende, verbotene Liebe und die unvermeidlichen Folgen enthüllter Geheimnisse." Und weiter: "Als Regisseurin spürte ich außerdem die außergewöhnlichen filmischen Möglichkeiten, die die Welt der Bienen dem Publikum sowohl visuell als auch akustisch bieten konnte."

Die Bienen begleiten die Protagonist*innen durch den ganzen Film und bilden damit ein Leitmotiv, das sich unter anderem in summenden Geräuschen ausdrückt.
Die Bienen betonen zudem das Naturverbundene, Ländliche, das sich auch auf die Mentalität der Bewohner*innen Dunloths auswirkt. Damit bildet das Setting einen großen Gegensatz zu dem des Liebesdramas "Carol", welches zur gleichen Zeit, allerdings in New York City spielt. In beiden Filmen baut sich langsam eine erotische Spannung und Liebe zwischen zwei Frauen auf, welche sich gegen Diskriminierungen und Vorurteile von außen behaupten müssen. Doch "Der Honiggarten" spielt eben nicht in einer US-amerikanischen Großstadt, sondern in einer schottischen Kleinstadt, weshalb die Protagonistinnen sich besonders eingeengt und ständig von ihren Nachbar*innen beobachtet fühlen.

Anders als in "Carol", der nicht nur in dem Genre "Lesbischer Film", sondern insgesamt als komplexes Drama überzeugt und sogar für mehrere Oscars nominiert war, ist die Erzählstruktur in "Der Honiggarten" teilweise zu einseitig. Die Beziehung der Frauen wird durch den herrischen Exmann und die kleinbürgerlichen Stadtbewohner*innen aufgewühlt, wodurch die Rollen von "gut" und "böse" klar verteilt sind. Dadurch kommt es im Fortschreiten der Handlung zu wenigen Überraschungen und viele Ereignisse sind vorhersehbar.

Der Honiggarten – Ein Film von und mit Frauen

Der lesbische Liebesfilm feierte seine Weltpremiere 2018 auf dem Toronto International Film Festival und war im gleichen Jahr auch auf dem Zürich Film Festival zu sehen. Für seinen Erfolg sind, sowohl vor als auch hinter der Kamera, hauptsächlich Frauen verantwortlich. Die Romanvorlage, die im englischen Original den gleichen Titel trägt wie der Film, wurde von der britischen Autorin Fiona Shaw im Jahr 2010 veröffentlicht. Der Roman inspirierte die Zwillingsschwestern Henrietta und Jessica Ashworth zum Schreiben des Drehbuchs, was von der Regisseurin Annabel Jankel umgesetzt wurde.

Das "märchenhafte" Ende

Gerade weil die Liebe zwischen Lydia und Jean von ihrem Umfeld nicht akzeptiert wird und sich die Frauen einander sehr vorsichtig annähern, wodurch der Film eine eher langsame, aber angenehme Anlaufzeit hat, wirkt das letzte Drittel des Films und insbesondere das Ende überladen. Das Tempo wandelt sich zu unvermittelt, sodass der zaghafte Beginn und das dramatische, aufregende Ende einen zu starken Gegensatz bilden. Zudem bekommt der Moment, in dem sich der Höhepunkt des Films entfaltet, einen geradezu märchenhaften Fantasy-touch, der mit der bisherigen Entwicklung des Films unvereinbar ist. Diese kitschige und übertriebene Komponente nimmt dem Film einiges an Wirkkraft, denn er bringt dessen Authentizität ins Wanken und konterkariert seinen zuvor ruhigen Verlauf.

AVIVA-Fazit: "Der Honiggarten – Das Geheimnis der Bienen" ist ein elegantes und authentisches Liebesdrama im provinziellen Schottland der frühen 50er Jahre – zunächst. Leider bricht das Finale störend aus der unaufgeregten Erzählweise des Films heraus und zerstört zumindest teilweise die bis dahin ehrliche Darstellung der Beziehung, die visuell und akustisch eingeflochten ist in die Welt der Bienen.

Zur Regisseurin: Annabel Jankel gründete mit Rocky Morton in den späten 1970er Jahren die Cucumber Film Studios. Das Duo produzierte zahlreiche Werbe- und Musikvideos, u.a. für Elvis Costello und Miles Davis.
Mitte der 1980er Jahre schuf Jankel zusammen mit Morton die Kultfigur "Max Headroom" für den gleichnamigen TV-Film und die Serie. Damit erregte sie die Aufmerksamkeit Hollywoods. Es folgten Filme wie D.O.A. – BEI ANKUNFT MORD (D.O.A., 1988) mit Meg Ryan und Dennis Quaid und SUPER MARIO BROS. (1993) mit Dennis Hopper und Bob Hoskins.
Ab den 1990er Jahren widmete sie sich vermehrt dem Musikfilm und schuf später die Kult-Musik-Reihe "Live from Abbey Road", die in den USA und in Großbritannien zum Kassenschlager wurde. Musikgrößen wie Herbie Hancock, Paul Simon, Brian Wilson, The Killers, The Red Hot Chili Peppers, Massive Attack und Mary J. Blige wurden dafür im Studio gefilmt. (Quelle: Presseheft Capelight Pictures)

Zu den Hauptdarstellerinnen: Anna Paquin gab ihr Leinwanddebüt bereits als 11-Jährige in Jane Campions DAS PIANO (1993) und wurde für ihre schauspielerische Leistung mit dem Oscar® in der Kategorie "Beste Nebendarstellerin" ausgezeichnet. Drei Jahre später spielte sie die junge Jane Eyre in der gleichnamigen Verfilmung von Charlotte Brontës Roman. Neben weiteren Rollen in diversen Serienproduktionen spielte sie in der 2017 in Deutschland auf Netflix veröffentlichten Drama-Miniserie "Alias Grace", deren Handlung im Kanada des 19. Jahrhunderts angesiedelt ist und auf dem gleichnamigen Roman von Margaret Atwood basiert. 2019 wird sie in Martin Scorseses Gangster-Biopic THE IRISHMAN auf Netflix zu sehen sein.
Holliday Grainger ist aus zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen bekannt. Die 1988 geborene Britin erregte nach einigen TV-Auftritten mit ihren Rollen in den Kinofilmen THE SCOUTING BOOK FOR BOYS (2009) und der Adaption von Charlotte Brontës JANE EYRE (2011) mit Judi Dench und Michael Fassbender erste Aufmerksamkeit. Die Rollen in ANNA KARENINA (2012) und in BEL AMI (2012) festigten ihren Ruf als gefeiertes Nachwuchstalent. 2019 ist sie mit HALO OF STARS in den Kinos zu sehen. Im gleichen Jahr kann man sie in ANIMALS von Sophie Hyde erleben. Grainger tauchte auch in zahlreichen Fernsehproduktionen auf. Neben ihren Film- und Fernsehrollen steht sie auch regelmäßig auf der Theaterbühne.
(Quelle: Presseheft Capelight Pictures)

Der Honiggarten – Das Geheimnis der Bienen
Originaltitel: Tell It To The Bees
Großbritannien 2018
Regie: Annabel Jankel
Drehbuch: Henrietta Ashworth, Jessica Ashworth
Darsteller*innen: Anna Paquin, Holliday Grainger, Emun Elliott, Steven Robertson
Kamera: Bartosz Nalazek
Darsteller: Anna Paquin, Holliday Grainger, Emun Elliott, Steven Robertson
Musik: Claire M Singer
Schnitt: Jon Harris, Maya Maffioli
Verleih: Capelight Pictures
Kinostart: 5. September 2019

Der Trailer ist online unter: www.youtube.com

Mehr Infos zum Film unter:
www.capelight.de
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Beitrag vom 06.09.2019

AVIVA-Redaktion