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Beitrag vom 28.05.2015
THAT LOVELY GIRL – ab 29.09.2015 auf DVD
Clarissa Lempp
Keren Yedaya erzählt in THAT LOVELY GIRL schmerzhaft genau die Geschichte eines innerfamiliären Missbrauchs. Vorlage für den mutigen und kontroversen Film ist ein Roman der israelischen Autorin Shez
Tami liebt Moshe und Moshe liebt Tami und das ist falsch. Denn Tami ist Moshes Tochter, ca. 20 Jahre alt und sie lebt in einer sexuellen Beziehung mit ihrem Vater. Was hier gezeigt wird, ist aber keine das Inzest-Tabu sprengende Lovestory. Auch wenn die befremdlich intimen Szenen zunächst so wirken. Erst langsam schält sich der Kern der Gewalt aus der Routine aus Kochen, Essen, Putzen und Sex. Tami ist Moshe ausgeliefert. Körperlich und emotional. Sie bewegt sich fast ausschließlich in der Enge der kleinen Wohnung. Auch wenn Moshe sie nicht festhält, manchmal sogar einfach über Nacht wegbleibt. Dann wartet Tami wie eine eifersüchtige Ehefrau am gedeckten Tisch.
Keren Yedaya beschreibt das Paradox aus elterlicher/familiärer Liebe und den gewaltvollen Ebenen eines inzestuösen Missbrauchs akribisch. Tami und Moshe sind keine starren Figuren, sondern agieren in diesem Geflecht. So versucht Tami Kontrolle über den eigenen Körper zu bekommen, in dem sie sich mit Bulimie- und Ritz-Attacken quält, dann wieder wirft sie sich für den Pessach-Seder mit Moshe in Schale. Die dokumentarisch anmutende Atmosphäre der Erzählung wird auf der Ton-Ebene verstärkt. Yedaya verzichtet fast vollkommen auf musikalische Untermalung. Stattdessen sind immer wieder schrubbende Geräusche zu hören, von Tamis Zahnbürste oder von den Putzutensilien, mit denen sie die Wohnung reinigt. Die Kammerspiel-artige Enge der Bilder macht den düsteren Magnetismus dieser Wohnung spürbar. Erst als Tami ausbricht, öffnen sich auch die Bilder. Tami taumelt durch die Nacht in Tel Aviv, gesellt sich zu einer Gruppe Männer am Strand, die die verstörte Frau sexuell ausnutzen und findet endlich bei einer fremden Samariterin, deren Motive im Film unerklärt bleiben, einen Ort des Schutzes und der Unbefangenheit. Yedaya verzichtet dabei auf ein klassisches Happy End, bei dem das Opfer errettet wird und lässt offen, ob und wie Tami ihre Chance nutzen wird. Sie legt Tami die Entscheidung in die Hand.
THAT LOVELY GIRL ist bereits der dritte Spielfilm von Keren Yedaya. Als Grundlage für das Drehbuch diente der Roman Far From His Absence von Shez über eine Missbrauchsbeziehung zwischen einem Vater und seiner erwachsenen Tochter. Neben dem renommierten Tzahi Grad ("Moshe") begeistert Newcomerin Maayan Turjeman als "Tami" durch ihr facettenreiches Spiel. Wie bereits mit ihrem zweiten Film JAFFA wurde Keren Yedaya auch mit THAT LOVELY GIRL bei den Filmfestspielen in Cannes (2014) nominiert.
"Meine Filme handeln immer von Unfreiheit. Sie begleiten Personen, die sich bewusst darüber werden. Das ist das universelle Sujet meiner Arbeit." (Keren Yedaya)
AVIVA-Tipp: THAT LOVELY GIRL ist kein Unterhaltungskino. Keren Yedaya holt die ZuschauerInnen ganz nah an die emotionale Achterbahnfahrt, die Tami täglich erlebt. Das Auf und Ab aus Zuneigung, Gewalt und Demütigung wird auch jenseits der Leinwand schmerzlich spürbar. Ein intensiver Film, der die komplexen Verflechtungen inzestuösen Missbrauchs schonungslos, aber nie voyeuristisch, zeigt.
That Lovely Girl
Deutschland/ Frankreich/ Israel, 2014
Regie: Keren Yedaya
DarstellerInnen: Yael Abecassis, Tzahi Grad, Maayan Turjeman, Tal Ben-Bina
Laufzeit: 100 Minuten
Sprache Hebräisches Original mit deutschen Untertiteln
Tonformat Dolby 5.1
Bildformat 16:9 PAL
DVD-Typ DVD 5
Ländercode 2
© Aries Images 2015
Ab 29.09.2015 auf DVD
ONLINE zu bestellen ab sofort über: www.shop.aries-images.de
Mehr Infos zum Film und der Trailer unter:
www.that-lovely-girl.de
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