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Beitrag vom 20.03.2015
LoneLady - Hinterland
Christina Mohr
Ganze fünf Jahre musste frau nach "Nerve Up" auf ein zweites Album von Julie Campbell alias LoneLady warten. Nun ist es da: "Hinterland" heißt es und kommt durchaus vertraut daher ...
LoneLady mag keinen übertrieben hohen Output haben, aber einen guten Sinn fürs Timing: Ihre zweite Platte "Hinterland" erscheint fast auf den Tag genau fünf Jahre nach ihrem Debütalbum. "Nerve Up" brachte der rothaarigen Multiinstrumentalistin aus Manchester zwar keinen Riesenerfolg, aber viel Beachtung seitens Kritik und Fans. Die kühlen Synthies und Campbells schneidende Gitarre erinnerten an Postpunk-Bands wie Gang of Four, A Certain Ratio und Joy Division (die wie Campbell aus Manchester kamen): Die Musik wirkt kühl und distanziert, gleichzeitig leidenschaftlich und emotional. Campbell/LoneLady arbeitete sich auf "Nerve Up" am Verfall ihrer Heimatstadt ab, stilistisch stimmig inklusive schwarz-weißem Plattencover: Depressiv, aber tanzbar – diese Mischung ist in den 2010er-Jahren genauso griffig und gültig wie in den 1980ern.
Beim Hören von "Hinterland" stellt frau zunächst fest, dass LoneLady an ihrem Konzept kaum etwas geändert hat: Die wavigen Beats aus der Drum-Machine pluckern und knallen, der Bass federt dynamisch und schiebt nach vorn, LoneLady setzt mit Cello und Keyboard klare Akzente in minimalistischen Arrangements, im Zentrum der neun Tracks stehen ihre melancholisch klagende Stimme und die "ins Leben schneidende Gitarre", wie Musikjournalist Paul Morley mal über sie schrieb.
Der Albumtitel evoziert einen Umzug respektive Rückzug aus der Stadt ins Ländliche, was im konkreten Fall bedeutet, dass sich LoneLady für die Aufnahmen ins Hinterland von Detroit begeben hatte: Im Keyclub Recording Studio in Michigan werkelte LoneLady mit antiken Synthies und einem Drumcomputer, der mal Prince gehört hatte: "Wer weiß, welch magischer Staub, was für Gen-Partikel daran haften geblieben sind?", freute sich Campbell über die Chance, dieses mystische Gerät benutzen zu dürfen. Ob es der magische Staub historischer Technik ist oder LoneLadys musikalische Vision: Die ersten vier Stücke von "Hinterland" gehen so dermaßen fiebrig und unwiderstehlich in Beine und Hüften, dass sich die geneigte Hörerin umgehend auf die Tanzfläche begeben muss – und sei diese im heimischen Wohnzimmer. Die Singles "Bunkerpop" und "Groove It Out", das schon seit einigen Monaten durch Netz und Clubs tönt, sind mit den repetitiven Beats und Hooks Dance-Hits par excellence. Überhaupt gönnt LoneLady ihren Tracks Ausdehnung in Länge, Tiefe, Breite: Jedes Stück dauert mehr als fünf Minuten, klare Absage an Radiotauglichkeit und Mainstreamkonventionen. Am verstörendsten – und interessantesten – ist "Flee!" geraten, das mit knisternden Streichern und frickeligem Elektrosound eine kalte, ratlose Ödnis schafft: "Where to go?" fragt LoneLady und "neither man nor beast could answer me" – düstere Postapokalypse wie in Filmen von John Carpenter. LoneLadys konkrete Aufenthaltsorte Manchester und Detroit als Ruinen der Industrialisierung, klanggeworden auf "Hinterland".
Um noch einmal mehr einen Bezug zu den Achtzigern herzustellen: Auch wenn LoneLadys Musik diffiziler und weniger chartorientiert wirkt, lässt sich eine Parallele zu Wave-Ikone Anne Clark nicht verleugnen (die Älteren werden sich erinnern). Auch Clark schuf und schafft mit ihren Songs wie "Sleeper in Metropolis" eine dystopische Vision von Einsamkeit, Kälte und Verlorenheit in einer entfremdeten Welt und verfestigte mit jedem ihrer Alben diesen Eindruck. Könnte gut sein, dass LoneLady diesen Weg weiterführt.
AVIVA-Tipp: Wenig Veränderung, dafür Manifestierung ihres Stils: LoneLadys neues Album schließt bruchlos an ihr Debüt an und hat einige Hits für die Ewigkeit im Gepäck.
LoneLady
Hinterland
9 Tracks
Label: Warp. VÖ: 20.03.2015
LoneLady im Netz: lonelady.co.uk
Weiterhören auf AVIVA-Berlin:
Anne Clark - The Very Best Of