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Beitrag vom 26.02.2015
Whale Rider. Das Meisterwerk von Niki Caro aus dem Jahr 2003. Ab 30. Januar 2015 auf DVD und Blu-Ray
Teresa Lunz
Ein maorisches Küstendorf erwartet die Geburt des Stammeshäuptlings. Doch das Baby stirbt bei der Geburt, nur dessen Zwillingsschwester überlebt. Ein schlechtes Omen? Oder das Zeichen einer...
... neuen Ära, in der auch Frauen zur Führung bestimmt sein können?
Niki Caros Verfilmung einer schwierigen Kindheit erzählt in grandiosen Bildern von einem Mädchen, das nur schwer Anerkennung findet, obwohl es über ganz besondere Fähigkeiten verfügt.
Eine Mythologie aus ferner Zeit, ein archaisches Wertesystem, mitten in die zeitgenössische Welt versetzt mit Autos, Cocktailpartys am Strand und einer Großmutter, die über Scheidung nachdenkt: Auf diesen Strukturen basiert der Film "Whale Rider". Dabei bleibt er glaubwürdig und berührt durch die ruhige, eindringliche Erzählweise, die ihn von Hollywood-Blockbustern unterscheidet.
Eine Legende und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart...
Vor vielen Jahren, so sind die Maori in einem entlegenen neuseeländischen Küstendorf überzeugt, kam ihr Urahne Paikea auf einem Wal über den Ozean geritten, um genau an diesen Sandstränden ihr Volk zu begründen. Seither wird ihm in jeder Generation ein würdiger Nachfolger geboren, der dafür sorgt, dass die alten Traditionen aufrechterhalten bleiben und der Stamm entschlossener, zielsicherer Führung untersteht.
Der alternde Koro ist überzeugt, dass der älteste männliche Nachkomme seines Sohnes Porourangi eben jene Bestimmung erfüllen wird. Doch das Kind stirbt bei der Geburt, ebenso die Mutter. Einzig die Zwillingsschwester überlebt und erhält von ihrem Vater den Namen Paikea. Der Großvater ist überzeugt, dass eine Frau niemals zum Stammesoberhaupt taugen könne.
Trotzdem kann er nicht anders, als der lebhaften Enkelin nach und nach sein Herz zu öffnen. Als Porourangi nach Frankreich und Deutschland abgereist ist, um sein Unglück zu vergessen, wächst das kleine Mädchen im Haus der Großeltern auf, und kennt nur ein Vorbild: Koro. Sie tut alles, um dem meist kühl und autoritär auftretenden Griesgram zu gefallen. Dieser jedoch hofft stur darauf, dass Porourangi ein zweites Mal heiraten und Söhne haben wird. Als sich herausstellt, dass Porourangi entschlossen ist, eine Deutsche zu heiraten und das ferne Land zu seiner Heimat zu machen, wird Koro schmerzlich bewusst, dass sich seine Hoffnung nicht erfüllen wird. So ruft er alle heranwachsenden Jungen des Stammes in seinem Anwesen zusammen, um im Verlauf eines mehrwöchigen Kurses den stärksten, mutigsten und klügsten unter ihnen herauszufinden: Er bildet sie in Stabkampf, in rituellem Gesang, in Volksgeschichte aus, schult ihre Ausdauer und ihre Geschicklichkeit.
Paikea, in der Familie liebevoll "Pai" genannt, ist bei diesem Unterricht unerwünscht. Als Mädchen sieht sie sich zu den anderen Frauen der Familie in die Küche verwiesen. Auf ihre stürmischen Bitten hin lehrt sie nun ihr Onkel Rawiri die Technik des Stabkampfes, und als wissbegierigste Schülerin ihrer Klasse weiß sie längst alles über die Geschichte der Maori. Der Großvater übersieht ihre Mühen, schilt sie gar, als er den heimlichen Kampfunterricht entdeckt: Eine Frau überschreite ihre Grenzen, indem sie zur geheiligten Waffe des Mannes greift, Pai bringe Schande, indem sie die Tradition missachtet. Eines Tages stimmt Pai einen Gebetsgesang an und alle Wale folgen ihrer Stimme zum Strand. Ist das nun das Zeichen, dass sie doch die Auserwählte ist und den Maori das Heil bringt?
"Sie waren gekommen, weil ich sie gerufen hatte. Doch etwas stimmte nicht. Sie starben."
Die Landschaftsaufnahmen im Film, an den weiten Stränden Neuseeland entstanden, tragen ebenso zu seinem monumentalen Charakter bei wie die junge Heldin: Pai, das aufgeweckte zwölfjährige Mädchen mit dem Wuschelhaar, naturverbunden, verliebt in die gewaltige landschaftliche Schönheit ihrer Heimat und besonders in den Ozean. Erfüllt von dem brennenden Wunsch, eine Rolle in der Stammesgemeinschaft zu spielen und zum Erhalt der Riten und Traditionen der Maori beizutragen, wie es Koro tut. Vor allem sehnt sie sich aber nach der Anerkennung ihres Großvaters, danach, dass er endlich Nähe zulässt. Doch es muss erst etwas Tragisches geschehen, ehe dem verstockten Patriarchen die Augen geöffnet werden…
Das insgesamt 28fach ausgezeichnete Drama gewann unter anderem den Audience Award auf dem Maui International Film Festival, dem San Francisco Film Festival, dem Sundance Film Festival und dem Rotterdam Film Festival. Gekrönt wurde der Erfolg durch den Internationalen Jurypreis auf dem São Paulo International Film Festival (2003). Nun ist der Welterfolg neu gemastert und in verbesserter Bildqualität erhältlich. Das Bonusmaterial umfasst einen Audiokommentar von Niki Caro, Proben mit Keisha Castle-Hughes, geschnittene Szenen, ein "Behind the Scenes" und eine Te-Waka-Featurette.
Die Regisseurin Niki Caro schaffte mit "Whale Rider" den Durchbruch. Geboren 1967 in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington, absolviert sie zunächst die Elam School of Fine Arts in Auckland, dann die Swinburne School of Film and Television in Melbourne, Australien. 1994 gibt sie ihr Regiedebüt mit dem Kurzfilm Sure to Rise, das ihr eine Nominierung auf den Filmfestspielen in Cannes einbringt. Mit dem Liebesdrama Memory & Desire folgt 1997 der erste Langfilm. 2005 wird Niki Caro von den Studios in Hollywood als Regisseurin für Kaltes Land mit Charlize Theron in der weiblichen Hauptrolle verpflichtet. Es folgen kleinere Produktionen für das australische Fernsehen. Niki Caro ist mit dem Architekten Andrew Lister verheiratet und zweifache Mutter.
Die Komponistin Lisa Gerrard, geboren 1961 in Melbourne/Australien, wurde durch die Band Dead Can Dance, ein Gemeinschaftsprojekt mit Brendan Perry, bekannt. Sie komponierte unter anderem die Soundtracks zu den Filmen Insider (1999), Black Hawk Down (2001), Whale Rider (2002) und Mann unter Feuer (2004), anteilig zu Gladiator (2000). Für diese Mitarbeit erhielt sie als bisher einzige Frau den Golden Globe in der Kategorie Beste Filmmusik. Die Dokumentation "Sanctuary" (2006) von Clive Collier dokumentiert ihre Karriere und die damit einhergehende musikalische Entwicklung. Ihr bis dato letztes Album "Farscape", eine Koproduktion mit dem Elektronik-Musiker Klaus Schulze, erschien 2007. Mehr Infos unter: www.lisagerrard.com
AVIVA-Tipp: Vicky Haughton, die in "Whale Rider" Pais Großmutter Flowers spielt, beschreibt den Film als "von internationaler Gültigkeit". Dem ist nichts hinzuzufügen: Die Geschichte hinterfragt, warum Frauen nicht in allen Bereichen gleiche Rechte haben sollten, auch im Kontext uralter Überlieferung. Er verlangt nach Toleranz und Gleichberechtigung, vermeidet jedoch reißerische Plädoyers und explizite Forderungen. Der Film zeigt, dass es immer möglich ist, umzudenken. Atemberaubende Landschaftsaufnahmen und liebenswerte, von den Darsteller_innen brillant mit Leben gefüllte Charaktere machen diesen Film so zeitlos.
Whale Rider
Regie: Niki Caro
Darsteller_innen: Keisha Castle Hughes, Rawiri Paratene, Vicky Haughton, Cliff Curtis
Bildformat: 2,35:1
Sprachen: Deutsch, Englisch, Untertitel: Deutsch
Anzahl Disks: 1
VÖ: 30. Januar 2015
FSK: ab 6 Jahren
Gesamtspieldauer: 97 Min. Hauptfilm + 53 Min. Bonusmaterial + 20 Min. Trailershow
9,99 Euro
Verleih: Pandorafilm
www.whalerider.pandorafilm.de
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