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Beitrag vom 02.12.2014
NYMPHOMANIAC VOL. I & II mit Charlotte Gainsbourg. Ab 20. November 2014 in der Kinofassung, im Director´s Cut auf DVD und Blu-ray Disc™ sowie als Download
Kristina Tencic
Der Film des polarisierenden Filmemachers Lars von Trier begibt sich in die tiefen Abgründe der Sexualität und Obsession. Die erotischen Abenteuer der Joe werden dabei virtuos von ...
... Leinwandfrischling Stacy Martin und der renommierten Charlotte Gainsbourg in Szene gesetzt.
"Bin ich ein schlechter Mensch?" Diese Frage steht im Zentrum des Dialogs zwischen der von Wunden übersäten Joe (Charlotte Gainsbourg/Stacy Martin) und dem intellektuellen Junggesellen Seligman (Stellan Skarsgard), der die Frau gerade von einem Hinterhof aufgelesen hat. Eigentlich, so die selbstdiagnostizierte Nymphomanin Joe, war doch ihre einzige Sünde, dass sie sich schon immer etwas mehr vom Sonnenuntergang erhoffte, intensivere Farben, mehr Licht. Sie fängt an zu erzählen und unterteilt dabei ihre 50-jährige Lebensgeschichte in acht Kapitel. Seligman seinerseits vergleicht und zieht Referenzen zu seinen Expertisen – denn ihre Beutejagd nach Sexpartnern sei doch nichts anderes als Fliegenfischen: Das Spiel mit der Seduktion.
So startet der in zwei Teile gesplittete Coming-of-Age-Film auch gleich durch und nimmt uns mit auf eine Achterbahnfahrt, bei der mensch nie wirklich weiß, was sich hinter der nächsten Kurve verbirgt. Von einem Sexwettbewerb zweier Teenies im Zug, über hunderte verschiedene GeschlechtspartnerInnen, bis hin zu den verruchten Seiten der menschlichen Sexualität hat Nymph()maniac einiges im Repertoire. Joes Vagina ist die allesdominierende Kraft, die in ihrer Sex-Obsession selbstzerstörerisch und dabei jedoch eigenartig zerebral, fast berechnend, wirkt. Diese Seite wird glänzend von Jungschauspielerin Stacy Martin (welche die junge Joe bis zur 31 jährigen spielt) und Charlotte Gainsbourg verkörpert – die eigenwillige Unbeteiligtheit mit der Joe mechanisch Lustberge erklimmt und doch nur just in diesem Moment lebendig und ganz sie selbst ist.
Nymph()maniac, dessen insgesamt fünfeinhalbstündige ungekürzte Fassung gerade auf der 64. Berlinale seine Premiere feierte, reiht sich ein in das Lichtspieltheater des Regisseurs, der die Grenzen des Vorführbaren immer noch ein bisschen weiter ausreizt. Als Persona non grata als die sich von Trier auf der Berlinale mittels eines T-Shirts benannte – denn seit seinen Hitlerverherrlichenden Äußerungen in Cannes 2011 hat er jegliche Stellungnahme vermieden und gibt auch für seinen neuen Film keine Interviews mehr – hat mensch vor allem im zweiten Teil des Films das Gefühl, dass das alte Sprichwort "Ist der Ruf erst ruiniert…" hier gute Anwendung findet. Von Triers Dogma95 ist längst vergessen, zumal es sich nach dem Quasi-Thriller "Antichrist" und dem an die Science-Fiction angelehnten Weltuntergangsstreifen "Melancholia" nun um ein weiteres auf dem Genrefilm, hier der Pornografie, basierendes Werk handelt. Weniger bekannt ist derweil, dass von Trier an der dänischen Produktionsfirma Innocent Pictures beteiligt ist, die frauenfreundliche Pornos von weiblichen Regisseurinnen fördert.
Wie sähe das Urteil der Gesellschaft aus, wenn nicht eine Frau sondern ein Mann so gelebt hätte? ist die Frage Seligmans, die sich unweigerlich aufdrängt und Nymph()maniac vom Titel bis ins Mark durchzieht. Ist hier die Rede von der Ursünde, das Weib verführt den Mann, oder wird der Befreiungsschlag einer Frau aufgezeichnet, die weder Rebellin noch Opfer sein möchte sondern ganz einfach sie selbst und das bis ins konsequent vollzogene Extrem? Ist Nymph()maniac somit nicht gar eine Hommage an die weibliche Sexualität? Die männlichen Figuren, selbst Joes einziger Beziehungspartner Jerome (Shia LaBeouf), bleiben blass und beliebig austauschbar. Einzig die zwei Interpretinnen Joes gewinnen mit jedem Kapitel an Tiefe und werden tragödienartig von einem schwarzen Abgrund angezogen.
AVIVA-Tipp: Zweifellos wirft Lars von Triers Nymph()maniac, sei es in der Kurz-oder Vollversion, Fragen auf und hinterlässt viel Chaos und Verstörung. Die berüchtigte Arroganz von Triers wird jedoch gepaart mit sensiblen Tönen, humanistischen Reflexionen und einigem Humor. Insbesondere die phantastische Kombination der Debütantin Stacy Martin mit der leinwanderfahrenen Charlotte Gainsbourg lassen Nymph()maniac zu einem interessanten Stück Schauspielkunst werden. Angereichert mit einem kraftvollen Intermezzo Uma Thurmans als betrogene Ehefrau verspricht dieses Erotik-Drama das vermeintlich Böse im Menschen zumindest unterhaltvoll zu untersuchen. Sex sells – nicht wahr?
Zur Hauptdarstellerin: Als Tochter von Jane Birkin und Serge Gainsbourg hat die französische Schauspielerin Charlotte Gainsbourg wahrlich kein leichtes Erbe angetreten. Von klein auf im Schatten ihrer berühmten Eltern stehend, begann sie früh, wenngleich sie als Kamera- und Interviewscheu gilt, sich für ihren eigenen Standpunkt einzusetzen. 1984, im Alter von 12 Jahren, beschaffte ihr ihre Mutter einen ersten Auftritt als Darstellerin im Film "Paroles et Musique". Mit nur 15 Jahren löste auch sie schon einen Skandal aus, als sie an der Seite ihres Vaters in seinem Inzest-Film "Charlotte For Ever" mitspielte.
Charlotte Gainsbourg kann auf eine beindruckende Karriere als Schauspielerin zurückblicken, mit Highlights wie dem preisgekrönten Drama "Antichrist"" (2009), "The Tree" (2010), "Melancholia" (2011) und zahlreichen Preisen, wie etwa dem Cesar für mehrere Rollen.
Doch auch als Musikerin überzeugt die zweisprachig aufgewachsene Gainsbourg, so etwa mit ihren Alben "5:55", "IRM" oder auch mit "Stage Whisper". Verheiratet ist sie mit dem in Tel Aviv geborenen französischen Schauspieler und Regisseur Yvan Attal mit dem sie drei Kinder hat und schon häufig gemeinsam vor der Kamera stand (z.B. "Meine Frau, die Schauspielerin", "Happy End mit Hindernissen").
NYMPHOMANIAC VOL. I & II
Dänemark, Deutschland 2013
Regie und Drehbuch: Lars von Trier
DarstellerInnen: Charlotte Gainsbourg, Shia LaBeouf, Stacy Martin, Stellan Skarsgard, Uma Thurman
DVD-Facts Kinofassung
Bonus: Interviews mit den HauptdarstellerInnen, Trailer
Sprache/ Ton: Englisch, Untertitel: Deutsch (ausblendbar)
Anzahl DVDs: 2
Laufzeit: ca. 232 Min. + 43 Min. Bonus
FSK: ab 16 Jahren
Best.-Nr.: 20099
EAN-Code: 4010324200990
Blu-ray Disc-Facts Kinofassung
Bonus: Interviews mit den HauptdarstellerInnen, Trailer
Sprache/ Ton: Deutsch DTS-HD Master Audio 5.1, Sprache/ Ton: Englisch DTS-HD Master Audio 5.1, Untertitel: Deutsch (ausblendbar)
Anzahl Blu-rays: 1
Laufzeit: ca. 241 Min + 43 Min. Bonus
FSK: ab 16 Jahren
Best.-Nr.: 3982
EAN-Code: 4010324039828
DVD-Facts Director´s Cut
Bonus: Interviews mit den HauptdarstellerInnen, Trailer
Sprache/ Ton: Deutsch DTS 5.1 / DD 5.1, Sprache/ Ton: Englisch DD 5.1, Untertitel: Deutsch (ausblendbar)
Anzahl DVDs: 2
Laufzeit: ca. 313 Min. + 43 Min. Bonus
FSK: kJ
Best.-Nr.: 20128
EAN-Code: 4010324201287
Blu-ray Disc-Facts Director´s Cut
Bonus: Interviews mit den HauptdarstellerInnen, Trailer
Sprache/ Ton: Deutsch DTS-HD Master Audio 5.1, Sprache/ Ton: Englisch DTS-HD Master Audio 5.1, Untertitel: Deutsch (ausblendbar)
Anzahl Blu-rays: 2
Laufzeit: ca. 327 Min + 43 Min. Bonus
FSK: kJ
Best.-Nr.: 4022
EAN-Code: 4010324040220
Am 20. November 2014 gleichzeitig als Director´s Cut und in der Kinofassung bei Concorde Home Entertainment auf DVD und Blu-ray Disc™ sowie als Download
Mehr Infos unter:
nymphomaniac-derfilm.de