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Beitrag vom 11.01.2013
Macy Gray - Talking Book
Katarina Wagner
Sie ist die Königin des kratzigen Gesangs. Seit ihrem Hit "I Try" vor zwölf Jahren ist ihre Stimme weltweit bekannt. Aber passt sie auch zu Songs von Stevie Wonder? Gleich ein ganzes Album ihres...
...Idols hat sich die Sängerin vorgenommen, um es zum 40. Jubiläum der Veröffentlichung auf ihre eigene Weise zu interpretieren.
Mögen die Fans von Macy Gray auch Stevie Wonder? Bestimmt! Und wie sieht es andersherum aus? Manche AnhängerInnen der Soul-Legende mögen vielleicht die Stirn runzeln, wenn eine Sängerin gleich ein ganzes Album Song für Song covert. Also schon mal vorab: einige Lieder hört mensch dann doch lieber im Original, andere sind wahre Neuentdeckungen.
Die Idee für die Re-cordings kam von ihrem Produzenten Hal Willner. Er schlug vor, ein Remake einer kompletten LP aufzunehmen. So wie es ständig mit Filmen passiert. Nach einigen Überlegungen kamen sie gemeinsam auf Talking Book (1972) von Stevie Wonder. Das kannte die Musikerin nämlich schon in und auswendig, zählte es zu ihren Top-5 Lieblingsplatten und wusste von vornherein, wie sie es einsingen würde.
Natürlich passte es auch gerade sehr gut zum 40. Geburtstag des Albums.
Im Booklet heißt es:
"This is my own personal birthday gift to Stevie Wonder, for all that I learned from him and for his miraculous songs that change my life every time I hear them. This is not a tribute album, it´s a love letter and a big thank you card on record."
Eher brav fängt diese musikalische Dankeskarte an. In den ersten Titeln der Playlist hält sich die Musikerin noch sehr an die Urfassung. Bei You Are The Sunshine Of My Life scheint es noch, als hätte die 43-Jährige einfach die Karaokemaschine angeschmissen.
Mit Maybe Your Baby traut sie sich schon mehr und ersetzt Wonders funkige Bassline durch einen Rocktrack. Die erste wirklich tiefgreifende Veränderung hören wir dann bei You and I (We Can Conquer the World). Das ist auf dem Cover-Album ein sehr poppiges Liebeslied, ganz anders als die langsame Ballade, die Stevie am Klavier singt, aber dadurch nicht automatisch schlechter.
Viele der Aufnahmen nähern sich einem Jazzpop an und das Album nimmt ganz schön an Fahrt auf. Wo einige der Originale zum langsamen Tanzen, Arm in Arm auffordern, braucht mensch bei den neuen Versionen derselben Lieder schon mehr Platz, um auf der Tanzfläche den ganzen Körper zu shaken.
Dabei klingen die Interpretationen nie zu glatt gebügelt. Wahrscheinlich liegt das auch an dem fantastisch kratzigen Gesang der Künstlerin.
Dieser kommt vor allem in ihrer langsamen Balladen-Version von Blame It On the Sun zum Einsatz. Macys Stimme scheint bei manchen Tönen fast abzubrechen oder sich zu überschlagen. So liegt in der Aufnahme eine ganz besondere Melancholie, die immer authentisch und nie nach Mariah-Carey-Kitsch klingt.
Überraschend ist vor allem die Abwandlung der Hitsingle Superstition. Der allseits bekannten und beliebten Gute-Laune-Song würde sich hier gut für einen James-Bond-Opener eignen. Er beginnt mit einer rauchigen Nachtclub-Atmosphäre um dann mit einer reichen Instrumenten-Kulisse und doppelten Vocals aufgeladen zu werden. Definitiv das Highlight der gesamten Platte.
Sehr passend endet die Sängerin mit einem vor Freude sprühenden Gospel-Chor in I Believe (When I Fall In Love It Will Be Forever) ihre Liebeserklärung an den 62-jährigen Musiker.
Der hat sein Geschenk mittlerweile gehört, wie Macy erzählt:
"One of his musicians got it to him and sat him down and had him listen to it. He kept saying ´Wow, wow, wow!´ He couldn´t believe that I took time to do that for him. He said he liked the arrangements on it. It was really sweet. I think he was just really flattered."
Zur Sängerin
Natalie McIntyre, so Macys echter Name, hatte eigentlich gar nicht vor, Sängerin zu werden. Sie wurde mehr oder weniger ans Mikro geschubst. Während ihrer Zeit an der University of Southern California schrieb sie drei Songs für eine Freundin, die dann jedoch zu den Aufnahme Sessions nicht auftauchte. Macy entschied also kurzerhand, die Lieder selbst einzusingen und beeindruckte alle Anwesenden mit ihrer Stimme. Von dort aus zog sie als Singer-Songwriter durch Jazzclubs und veröffentlichte schließlich 1999 bei Epic / Sony ihr Debütalbum On How Life Is. Den musikalischen Durchbruch schaffte sie 2001 weltweit mit der Single I Try, die ihr außerdem einen Grammy einbrachte. Diesen Erfolg konnte Macy zwar nicht wiederholen und ist seitdem nur selten in den deutschen Charts zu sehen, in den USA ist sie allerdings ein festes Mitglied der Entertainment-Branche. Neben fünf weiteren LPs (2001:The Id, 2003: The Trouble with Being Myself, 2007: Big, 2010: The Sellout, 2012: Covered) trat die Musikerin in einigen Filmen als Nebenrolle auf, nahm an der Tanzshow Dancing with the Stars teil und brachte noch dazu einige Modekollektionen auf den Markt. Ihre Linien Natalie Hinds (2005, während ihrer Ehe mit Tracy Hinds) und Ghetto Chic werden entgegen dem Schlankheitswahn speziell in großen Größen hergestellt.
AVIVA-Tipp: Der Vergleich mit den Originalaufnahmen ist wohl nicht zu vermeiden. Mit ihrer unverwechselbaren Stimme und tollem Gesang kann Macy Gray dabei allerdings durchaus bestehen. Es ist kein bloßes Cover-Album, sondern zeigt, wie sich die Musikerin Stevies Lieder aneignet, sie umwandelt und in ganz neuem Licht darstellt. Auch skeptische Wonder-Fans sollten es sich nicht entgehen lassen, hier wenigstens mal reinzuhören. Schließlich konnten die Neuaufnahmen der Songs selbst deren Autor und Komponisten begeistern.
Macy Gray
Talkin Book
VÖ: 2.11.2012
Label: Rec / Membran / Sony
Weitere Infos unter:
www.macygray.com
www.sonymusic.de
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