AVIVA-Berlin >
Kunst + Kultur
AVIVA-BERLIN.de im November 2024 -
Beitrag vom 29.09.2012
Paris Manhattan. Ein Film von Sophie Lellouche. Kinostart 4. Oktober 2012
Katarina Wagner
Die wohl überzeugteste Woody-Allen-Anhängerin lebt in Paris. Immer wenn Alice Rat in Sachen Liebe und Leben braucht, wendet sie sich an den Stadtneurotiker. Ob das so funktioniert, sehen wir in...
... dem Erstlingswerk der Französin Sophie Lellouche.
Alice Ovitz (Alice Taglioni) ist Single, Apothekerin und Cineastin. In dieser Reihenfolge. Denn in der gehobenen Gesellschaft von Paris, in der ihre Familie verkehrt, fallen ihre ringlosen Hände deutlich auf. Eltern und Schwester Hélène versuchen sie ständig unter die Haube zu bringen. Das ist Alice zwar peinlich, strikt dagegen ist sie allerdings nicht. Schließlich hätte sie eigentlich doch gern jemanden an ihrer Seite.
Dort steht bisher nur ihr Idol Woody Allen. Besser gesagt hängt sein Portrait an ihrer Wand. Aus Mangel an akzeptablen Junggesellen flüchtet sich die Protagonistin in diese imaginäre Beziehung. In seinen Filmen und Zitaten daraus findet Alice immer Antworten, wenn sie selbst nicht weiter weiß. Es ist nicht ideal, aber funktioniert. Währenddessen stellt sie als klassische Fürsorgerin die Bedürfnisse der Anderen über die eigenen und versorgt sie in der Apotheke mit Medizin und auch mal wohltuenden Allen-DVDs.
Dann trifft Alice auf Victor (Patrick Bruel). Den hat ihr Vater diesmal nicht als potentiellen Ehemann, sondern für die Installation einer neuen Alarmanlage in der Apotheke angeheuert. Sie laufen sich immer wieder über den Weg, liefern sich einige Schlagabtausche und Victor wirbelt in Alices Leben einigen Staub auf. Er verwirrt sie nicht nur durch das Geständnis, noch nie einen Allen-Film gesehen zu haben, sondern reißt zudem in kleinen Fingerzeigen oder eindeutigen Augenöffnern die harmonische Fassade der Familie Ovitz ein. Um herauszufinden, ob die Schwester tatsächlich von ihrem Mann betrogen wird, brechen die beiden schonmal in deren Haus ein – und treffen dort auf die genauso verschwörerischen Eltern mit derselben Mission.
Obwohl dem Publikum schon seit der ersten Begegnung von Alice und Victor klar ist, dass sich zum Ende Gegensätze anziehen werden, gestehen sie sich vorerst kein romantisches Interesse ein. Vor allem Victor nicht – auch das verwirrt die schöne Protagonistin ein wenig. Von dem kultivierten und wohlhabenden Verführer Vincent bekommt sie da schon mehr Aufmerksamkeit.
Sophie Lellouche versucht sich in ihrem ersten Langfilm im Genre der Komödie. Die starke Präsenz von Woody Allen in ihrer Erzählung mag vielleicht einige ZuschauerInnen mehr ins Kino ziehen, erweist sich allerdings durch den fast unvermeidbaren Vergleich mit dessen Werk als eine Falle.
Ohne Frage, im ersten Drittel des Filmes gelingen der Regisseurin einige witzige Slapstick-Momente, spritzige Dialoge und vor allem tolle Inszenierungen von Allens Portrait mit besorgter, mitfühlender Miene. Sobald sich Alice jedoch von der imaginären Beziehung zu ihrem Idol löst und sich auf `reale` Männer einlässt, verliert der Film einiges an Charme und Originalität und klammert sich zu sehr ans Hollywood-Lehrbuch für Lovestories.
Zu gezwungen wird Vincent als Konkurrent für Victor eingeführt. Die Montagen der glücklichen, aber kurzen Zweisamkeit mit ihm wirken durch die übertriebene Idylle fast ironisch. Sehr ernüchternd muss jedoch festgestellt werden, dass Alice keineswegs so ein Freigeist und glücklicher Single ist, wie es zum Anfang schien, sondern tatsächlich eher konservativ dem Prinz-Prinzessin-Märchen hinterher rennt. Von ihrer Schwester ist sie sogar schockiert und erinnert sie an "die Moral", als diese sich im Versuch, ihre Ehe zu retten, zusammen mit ihrem Mann mit einer Prostituierten trifft.
Anders als in Woody Allens neueren Produktionen, geht es in Paris Manhattan nicht um das Whatever Works (Allen, 2009) in Liebesdingen, sondern darum, mit Mitte 30 "endlich" jemanden zum Heiraten und gemeinsam alt werden zu finden.
Obwohl im Laufe der Handlung die Krisen der vermeintlich glücklichen Ehen von Alices Eltern und Schwester aufgedeckt werden, halten alle an der `heiligen Institution` fest.
AVIVA-Fazit: Die schöne Pariser Kulisse, einige witzige Dialoge gesprochen von beliebten französischen SchauspielerInnen und ein Überraschungsgast auf den das Publikum dann doch nicht gefasst war. Das sind die Stärken des Films. Leider verlässt er sich zu sehr darauf und vernachlässigt Originalität im Plot. So gehen der anfängliche Witz und Charme schnell verloren. Übrig bleibt eine langweilige, weil musterhafte, romantische Komödie, die, typisch für das Genre, wenig Whatever-Works verträgt, sondern klarstellt, dass frau wohl nur mit dem richtigen Partner in einer traditionellen, monogamen Beziehung glücklich wird.
Zur Regisseurin und Drehbuchautorin: Sophie Lellouche drehte 1999 zusammen mit Gad Elmalen ihren ersten Kurzfilm Dieu, que la nature est bien faite!. Danach dauerte es zehn Jahre, bis sie das Selbstvertrauen fand, den ersten Langfilm anzugehen. Lellouche selbst großer Woody-Allen-Fan und nahm sich seinen Spruch "Talent ist Glückssache. Was im Leben zählt, ist Mut." zu Herzen. Davon kratzte sie sogar genügend zusammen, um einige der beliebtesten französischen SchauspielerInnen und den berühmten Sänger Patrick Bruel zu bitten, in ihrem Debüt mitzuspielen.
Paris Manhattan
Frankreich 2012
ca. 80 Min
Kinostart: 4. Oktober 2012
Buch und Regie: Sophie Lellouche
Produzent: Philippe Rousselet
Kamera: Laurant Machuel
Schnitt: Monica Coleman
Kostüme: Fabienne Katany
DarstellerInnen:
Alice: Alice Taglioni
Victor: Patrick Bruel
Hélène: Marine Delterme
Vater: Michael Aumont
Mutter: Marie-Christine Adam
Vincent: Yannick Soulier
Weitere Infos unter:
www.senator.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Die Fee - Ein Film von Fiona Gordon, Dominique Abel und Bruno Romy
Who killed Marilyn? Ein Film von Gérald Hustache-Mathieu mit Sophie Quinton