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Beitrag vom 20.03.2007
Krimiautorin Andrea Maria Schenkel im Interview
Clarissa Lempp
Ihr Debut Tannöd führte die Bestsellerlisten an und erhielt den Deutschen Krimipreis 2007. Mit AVIVA-Berlin sprach die Autorin über die Hintergründe des Buches und den überraschenden Erfolg.
AVIVA-Berlin: Ihr Buch bezieht sich auf einem authentischen Mordfall an einer Familie in Hinterkaifeck im Jahr 1922. In Bayern ist die bis heute ungeklärte Tat so etwas wie ein Volksmythos. Es gibt einen Super-8 Film, ein Theaterstück und der Journalist Peter Leuschner hat eine umfassende Stoffsammlung in seinem Buch über den "Mysteriösen Mordfall Hinterkaifeck" zusammen getragen. Was faszinierte Sie persönlich an diesem Thema? Und welche Intention stand hinter der Übertragung der Geschichte in die 1950er Jahre?
Andrea Maria Schenkel: Ich denke alle ungelösten Fälle haben etwas mysteriöses, das uns anzieht. Uns dazu verführt, nach "eigenen Lösungen” zu suchen. Es war diese Versuchung, der ich nicht wiederstehen konnte. Warum die 50iger Jahre? Diese Zeit liegt uns einfach noch näher, ist für uns noch vorstellbarer und hat, da unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg natürlich ihren eigenen Reiz.
AVIVA-Berlin: Tannöd ist Ihr erstes Buch. Er wurde mit dem Deutschen Krimi Preis 2007 ausgezeichnet und ist für den Friedrich-Glauser-Preis 2007 in der Sparte Debüt nominiert, dazu auch herzlichen Glückwunsch. Daneben führte er wochenlang die Bestsellerlisten an. Hatten Sie mit so einer starken Resonanz gerechnet?
Andrea Maria Schenkel: Nein. Ich habe nicht damit gerechnet.
AVIVA-Berlin: Sie selbst leben in der Nähe von Regensburg und sind also durchaus vertraut mit dem bayerischen Gemüt. Trotzdem ist es erstaunlich, mit welcher Sicherheit Sie sich dem bayerischen Idiom und Denkbild bedienen ohne in Klischees abzuschweifen. Wie bewusst haben Sie diesen "Kunstgriff" entschieden?
Andrea Maria Schenkel: Ja, ich habe mich bewusst für diese Sprache, diesen Sprachrhythmus entschieden. Die Sprache war für mich sehr wichtig.
AVIVA-Berlin: Der pensionierte Kriminalkommissar Konrad Müller aus Bayern beschäftigt sich seit Jahren immer noch mit dem ungeklärten Mordfall von 1922. er hat sogar ein Lied dazu geschrieben und die Tatwaffe rekonstruiert. Haben Sie ihn oder andere "Hinterkaifeck-Kenner", wie den eingangs erwähnten Peter Leuschner, im Zuge Ihrer Recherche aufgesucht?
Andrea Maria Schenkel: Ich habe Peter Leuschner besucht. Und nicht nur ich, auch meine Kinder waren von ihm und seiner Frau begeistert.
AVIVA-Berlin: Die Mordopfer wirken, die Kinder ausgenommen, nicht sehr sympathisch. Besonders schockierend wirkt dabei das inzestuöse Verhältnis des Bauern zu seiner Tochter Barbara. Erst gegen Ende des Buches erfahren wir mehr über Barbara und ihre Gefühle in diesem Verhältnis. Wie war es für Sie, sich in dieses Thema ein zu arbeiten?
Andrea Maria Schenkel: Die Figur der Barbara war für mich eine der schwierigsten Figuren des Buches. Ich wollte sie nicht nur als Opfer darstellen, ich habe mich sehr bewusst dafür entschieden, diese Figur mit Stärken und Schwächen zu zeichnen.
AVIVA-Berlin: Im Gegensatz zum realen Mordfall in Hinterkaifeck haben Sie den Mörder in Ihrem Buch "entlarvt", allerdings auf eine ganz unspektakuläre Weise. Sie haben sich dabei für die Figur des enttäuschten Liebhabers der Tochter entschieden, dem wahrscheinlich der 1922 Hauptverdächtige Schlittenbauer Lorenz zu Grunde liegt. Warum war es für Sie wichtig dem Mörder ein Gesicht zu geben?
Andrea Maria Schenkel: Es hat sich während des Schreibens ergeben. Ich habe die Abschnitte des Buches, die sich mit dem Täter befassen sehr gerne geschrieben und sie gehören noch immer zu meinen Lieblingspassagen. Wer jedoch der oder die wahren Täter von Hinterkaifeck waren, interessiert mich absolut überhaupt nicht.
AVIVA-Berlin: Ihr Buch erschien bei der Edition Nautilus, die für ein eigenwilliges Programm von politische Sachbüchern, aber auch die Veröffentlichung von "neuen” AutorInnen, wie z.b. Franz Dobler steht. Haben Sie sich eigens für den Verlag entschieden und was sprach Sie dabei an?
Andrea Maria Schenkel: Eine Billie Holiday Biografie, die ich mir irgendwann einmal gekauft habe.
AVIVA-Berlin: Ihr nächster Krimi soll im Herbst 2007, ebenfalls bei der Edition Nautilus erscheinen. Werden Sie dem "Prinzip Tannöd" treu bleiben?
Andrea Maria Schenkel: Ja und Nein. Nein: mein neues Buch ist völlig anders als Tannöd. Und Ja: Ich liebe es Leute zu beobachten und diese Beobachtungen in meine Art zu schreiben einfließen zu lassen.
AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview.
Lesen Sie auch die Rezension zu Tannöd auf AVIVA-Berlin.