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Beitrag vom 14.02.2008
Interview mit Judith Schoenen
Stefanie Denkert
Die Werbefachfrau und Autorin von "Das Image der Frau - Wege zu einem neuen Selbstbild" spricht über ihren Ratgeber und plädiert für ein zeitgemäßes Geschlechterrollenverständnis.
Angela Merkel hat nicht grundlos an ihrem Image gefeilt, bevor sie die erste Bundeskanzlerin wurde. Erfolgreichen Frauen wird meist ein schlechtes Image zugeschrieben: sie gelten als kaltherzig, vermännlicht und karrieregeil. In der Wirklichkeit sind Frauen viel komplexere Wesen als Images uns suggerieren wollen, kein Wunder also, dass es Menschen gibt, die sich intensiv mit diesem spannenden Thema beschäftigen. Das tut Werbefachfrau Judith Schoenen bereits seit 30 Jahren und hat dazu auch in der Fachpresse publiziert.
AVIVA-Berlin: Guten Tag, Frau Schoenen! Gratulation zu Ihrem großartigen Buch "Das Image der Frau - Wege zu einem neuen Selbstbild"! Der Untertitel lässt ja vermuten, dass es sich hierbei um einen Ratgeber handelt. Wie würden Sie selbst Ihr Buch charakterisieren?
Judith Schoenen: Es ist ein Ratgeber für Frauen, die Chancen des Lebens besser zu nutzen. Frauen sollten ihr Leben nicht länger danach ausrichten, was weiblich oder unweiblich ist. Sie sollten auf die Eigenschaften, auf die Berufe setzen, die ihnen mehr Anerkennung und Respekt bringen. Das Ende der Versorgungsehe, das neue Unterhaltsrecht, die hohe Lebenserwartung stellen Frauen vor eine völlig neue Lebenssituation. Frauen müssen imagebewusster werden, denn ökonomische Sicherheit kann ihnen nur noch der Beruf geben. Nicht mehr Männerphantasien bestimmen, welche Eigenschaften eine Frau haben sollte, sondern der erwählte Beruf. Unzeitgemäße weibliche Eigenschaften dürfen die Frauen in ihrer Entwicklung nicht weiter behindern. Alle menschlich erstrebenswerten Eigenschaften müssen von nun an in Betracht gezogen werden.
AVIVA-Berlin: In der Einleitung definieren Sie zunächst den Begriff "Image" als "Cocktail aus Eigenschaften, je besser der Mix und je besser die Eigenschaften dem Zeitgeist entsprechen, desto höher das Ansehen". Wie ist es denn um das Image von deutschen Frauen bestellt? Kann man überhaupt von nur einem Image sprechen oder eher Images? Frauen sind doch sehr unterschiedlich!
Judith Schoenen: "Das Image der Frau" steht hier stellvertretend für die unterschiedlichsten Frauenbilder. Im Kapitel "Die aktuellen Imagekategorien" stelle ich die Frauenbilder von heute vor, wie beispielsweise das Statussymbol, das Sexsymbol, der feminine oder sportliche, der dominante oder romantische, der sich aufopfernde oder karriereorientierte Typ. Für die meisten Frauen ist nach wie vor die Familie wichtiger als der Beruf. Viele jedoch sind hin- und hergerissen zwischen alten Werten und neuem Denken. Kein Wunder, dass das Image der Frau gespalten ist. Heute nicht mehr in Madonna contra Hure, sondern Weibchen contra Emanze, spektakulär vorgeführt in einer Johannes B. Kerner-Show mit Verona Feldbusch und Alice Schwarzer. Diese Spaltung jedoch schadet den Frauen, denn sie verbrauchen ihre Energien im gegenseitigen Kampf, statt sich gegenseitig voranzubringen.
AVIVA-Berlin: Wie erklären Sie sich die Erfolge von Frauen wie Angela Merkel oder Hillary Clinton, im Gegensatz zu Ségolène Royal – was machen erfolgreiche Frauen hinsichtlich ihrer Imagegestaltung richtig?
Judith Schoenen: Vor der Wahl zur Bundeskanzlerin sagte Angela Merkel "Die Tatsache, dass ich eine Frau bin, wird keine Rolle spielen", ihre Worte im Oktober darauf lauteten:"Ich habe den Eindruck, die Tatsache, dass ich eine Frau bin, spielt für viele durchaus eine Rolle." Das Verhalten von Gerhard Schröder - das Abkanzeln von Frauen, das Verkleinern ihrer Siege - erleben Frauen im Geschäftsleben tagtäglich, wenn auch nicht so dramatisch wie in der Wahlnacht. An Angela Merkel bewundere ich, mit welcher Gelassenheit und Nervenstärke sie die unzähligen Attacken ihrer Widersacher an sich abprallen lässt. Hillary Clinton geht ihren Weg nicht allein, sie hat ihren Ehemann Bill, den ehemaligen Präsidenten an ihrer Seite. Das ist eine gut kalkulierte Sache, in Zeiten, in denen Frauen schweren Zugang zur Macht haben. Sie war aber auch als Präsidentengattin nicht die dekorative First Lady, sondern die Beraterin und Gesprächspartnerin des Präsidenten. Sie bringt viel politische Erfahrung ins Amt.
Ségolène Royales ehemaliger, langjähriger Lebenspartner, François Holland, Parteivorsitzender der Sozialisten, strebte selber das höchste Amt des Staates an, ließ aber ihr den Vortritt. Sie beklagte sich bei ihm und anderen eifersüchtigen Parteigenossen schon während des Wahlkampfs über mangelnde Unterstützung. Ségolène Royal ist eine sehr attraktive Frau, sie setzte meines Erachtens jedoch zu stark auf die Karte "feminine Frau". Eine feminine Frau hat kein gutes Image in punkto Durchsetzungsfähigkeit und Konfliktbewältigung. Sarkozy griff sie gezielt in diesen Punkten an, und gewann letztlich die Wahl.
AVIVA-Berlin: Sie selbst leben in Frankreich, ist denn dort das Image von Frauen besser als Deutschland?
Judith Schoenen: Die Frauenbilder Frankreichs unterscheiden sich nicht im Wesentlichen von denen in Deutschland, aber die Französin muss sich nicht zwischen Familie und Karriere entscheiden. Eine Frau, die arbeitet, ist keine Rabenmutter. Die Hausfrau und Mutter hingegen gilt als "bourgeois".
AVIVA-Berlin: Als Werbefachfrau konnten Sie mir - und sicherlich auch vielen anderen LeserInnen - ein lang gehegtes Rätsel zum Thema "Schönheitswahn" lösen. Sie schreiben: "Normale Frauen kommen an diese Schönheit [der Models] nicht heran und werden so in ihrem Aussehen verunsichert. Und das sollen sie auch, denn Unzufriedenheit über das eigene Aussehen führt zu mehr Konsum von Mode und Kosmetik." Worauf fallen wir in der Werbung auch heute noch herein?
Judith Schoenen: In erster Linie auf die Vorbilder, die Models. Werbung verkauft nicht nur Produkte, sondern Bilder - vom idealen Leben, von der idealen Frau. Besonders die Parfumwerbung hebt die Frau in den Olymp überirdischen Daseins und feiert die totale Inszenierung göttlicher Weiblichkeit, die an Narzissmus grenzt. Es gibt kein höheres Ziel im Leben, keinen tieferen Sinn, als eine begehrenswerte Frau zu sein. Tag für Tag führen Models vor, was eine Frau zur Frau macht, wie sie zu sein hat. Schönheit ist für Frauen der wichtigste Imagefaktor, sie können sich dem Schönheitswahn unserer Zeit kaum entziehen. Die Superfrau heute ist nicht nur supererfolgreich, sondern auch superbegehrenswert. Aber die Natur ist geizig - wahrhaft schöne Menschen sind so selten wie extrem intelligente.
AVIVA-Berlin: Sie setzen sich nicht nur mit dem Image von Frauen in der Öffentlichkeit auseinander, sondern sprechen auch die Probleme an, die sich durch ein unzeitgemäßes Image im privaten Bereich ergeben. Würden Sie sagen, dass auch Liebe und Partnerschaft einen Imagewechsel brauchen?
Judith Schoenen: Die Liebe ist sicherlich eines der schwierigsten Kapitel im Zusammenleben der Geschlechter und von der Natur vielleicht gar nicht so vorgesehen, wie die Fortpflanzung das ist. Frauen waren dennoch früher die WeltmeisterInnen im Geben, weil zugegebenermaßen finanziell völlig abhängig vom Mann. Heute sind sie nicht mehr bereit, Nähe, Liebe, Verständnis, Respekt ohne Gegenleistung zu geben. Viele Menschen sind mittlerweile eher zu ZuschauerInnen der Liebe geworden. Hollywood verkauft das Produkt Liebe in Technicolor und Dolby Surround, mit Menschen, die für die Liebe geschaffen zu sein scheinen, mit Worten, die aus den kühnsten Träumen stammen. Doch das Produkt Liebe wird im alltäglichen Leben zur Produktenttäuschung, denn es kann nicht nachproduziert werden. John Gottman, Professor für Psychologie, erforscht in seinem Ehelabor die Geheimnisse glücklicher Ehen. Eine wichtige Erkenntnis: "Ehen, in denen der Mann sich weigert, seine Macht zu teilen, scheitern viermal häufiger oder verlaufen unglücklicher, als Ehen, in denen der Mann sich anders verhält".
AVIVA-Berlin: Seit Jahren wird in den Medien von einer "Männlichkeitskrise" berichtet. Hängt das damit zusammen, dass nun "Selbstverwirklichung auch Teil des neuen Männerbildes ist", wie Sie schreiben?
Judith Schoenen: Nicht zwangsläufig. Die Frauen profitieren von der Frauenbewegung, sie bekommen mehr Freiheit, können selbstbestimmter leben. Was bekommen Männer? Mehr Konkurrenz im Beruf, mehr Arbeit zu Hause! Selbst bei der neuen Generation der Männer ist der Reformwille oft finanziell bedingt. Das zweite Gehalt ist für einen gewissen Lebensstandard unverzichtbar. Die gern zitierte Männerkrise hält sich meines Erachtens in Grenzen, findet öffentlich eigentlich nicht statt. Im Gegenteil: bei den Gehältern herrscht Gigantomie. Selbstverwirklichung als Teil des Männerbildes wurde erstmals von den Hippies propagiert. Sie lehnten die Werte ihrer Väter ab, wollten die Lasten der Versorgung von Frau und Familie nicht mehr allein tragen, nicht mehr in die Ernährerrolle gepresst werden. Das neue Unterhaltsrecht basiert auf der zeitlich begrenzten Familiensituation. Frauen haben heutzutage kein Recht mehr darauf versorgt zu werden, aber sie haben gleichzeitig keine großen Chancen, Karriere zu machen - das ist alles andere als okay.
AVIVA-Berlin: Wie haben Sie selbst ein Frauenbewusstsein entwickelt und wie würden Sie anderen die Relevanz von Feminismus klar machen?
Judith Schoenen: Frauen werden überall, sei es beruflich oder privat, benachteiligt. Es ist erstaunlich, wie wenig wütend sie darüber sind. Die Beziehung zum Partner ist ihnen wichtiger als der Kampf für gleiche Rechte. Trotz hoher Scheidungsraten investieren sie immer noch lieber in die Karriere des Mannes, statt in die eigene. Sie halten Männer für die rauhen Sitten der Geschäftswelt für geeigneter. Ich glaube, nur Frauen, die das Ziel haben, in die Welt der Machtetagen vorzudringen und es wagen mit Männern zu konkurrieren, wissen was gespielt wird. Wissen, dass sie bei Beförderungen schlicht und einfach übergangen werden. Die gläserne Decke ist fest installiert. Ich wurde hellhörig, als ich das erste Mal bei einer Beförderung übergangen wurde. Man wird nicht als Feministin geboren, man wird zur Feministin gemacht. Ich habe danach noch eine steile Karriere gemacht, aber das höchste Amt, da wo es das wirklich das große Geld zu verdienen gibt, bleibt den Männern reserviert. Frauen müssen sich gegen Diskriminierung wehren!