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Beitrag vom 02.10.2006
Science of Sleep - Anleitung zum Träumen
Jana Muschick
Zzzzzz....träumen kann so schön sein. Der neue Film von Michel Goundry bietet dafür eine Gebrauchsanleitung. Eine Reise in die skurrile Welt von Realität und Unterbewusstsein.
Wissen Sie, wie man Träume "macht"? Können Sie sich vorstellen, aus einer Welt voll tristem Alltag ein Märchen aus Pappmaché und knisterndem Zellophan zu zaubern? Wollten Sie schon immer eine Zeitmaschine besitzen, auch wenn sie die Zeit nur um eine klitzekleine Sekunde verschieben kann? Das alles geht nicht, denken Sie? Vielleicht haben Sie recht...
Der Hauptdarsteller und Meister aller verrückten Träume, Stéphane (Gael Garcia Bernal) kommt nach dem Tod seines Vaters nach Paris. Dort lebt er bei seiner Mutter und nimmt einen Job an, von dem er sich anderes erhofft hatte, als stupide Klebe- und Kopierarbeiten. Der Kreativität des jungen Künstlers scheint hier eine Realitäts- Grenze gesetzt zu sein - doch die weiß er sie geschickt zu "umträumen".
Science of Sleep gleicht einem kleinen filmischen Wunder voller kurioser Überraschungen, die ebenso comicartige wie labyrinthische Züge tragen. Der hier gezeigte "charmante Wahnsinn" hat Methode und lebt von der fast vergessenen Poesie des Unperfekten. Der Film gibt jeder ZuschauerIn etwas anderes mit - die Hoffnung, träumen zu können, den Wunsch, die Realität mit blühenden Bildern auszumalen oder sich einfach, geleitet durch das eigene Unterbewusstsein, weit weg in eine Welt absonderlichster Wesen zu begeben. Science of Sleep ist auch ein Film, der die Schattenseiten des Träumenden aufzeigt: wenn im Alltag gar nichts funktioniert, wenn die Traumwelt so fernab von allem denkbaren ist, dass die Realität kaum "er-leb-bar" erscheint, einfach wenn die Skurrilität der Illusion nicht mit der Trockenheit des grauen Alltags in Einklang zu bringen ist.
Dieses "Sahnehäubchen" eines fantastischen Filmes ist auch eine Liebesgeschichte, denn der phantasievolle Träumer Stéphane verliebt sich in seine Nachbarin Stéphanie (Charlotte Gainsbourg). Sie sind für einander geschaffen, begegnen sich im Schlummer unterbewusst und lassen ein altes, ausgemergeltes Plüschpferd zum Leben erwachen. Es ist nicht leicht für Stéphane, an die Frau seines Herzens und vor allem seiner Träume heranzukommen - was er auch tut, er weiß nicht, ob es im Traum oder in der Realität passiert ist - er schreibt Briefe, die nicht aber irgendwie doch bei ihrer Empfängerin ankommen, telefoniert nicht, aber irgendwie doch mit Stéphanie und...das allerskurrilste an dem ganzen Typen...träumt in den unmöglichsten Situationen einfach weg.
Regisseur Michel Gondry ist durch seine mit Preisen überhäuften Musikvideos und Werbefilme bekannt geworden. Mit den Spielfilmen "Human Nature" und "Eternal Sunshine of the Spotless Mind" hat er auch als Filmregisseur internationalem Ruhm erlangt und wurde sogar mit einem Oscar® ausgezeichnet. Science of Sleep ist sein dritter Spielfilm und hatte 2006 in Sundance und im Wettbewerb der Berlinale Premiere.
AVIVA-Tipp: Stéphane ist das männliche Pendant zu Amelie und wirkt genauso bezaubernd, überraschend und ungewöhnlich. Der junge Träumer nimmt die ZuschauerIn mit in seine Welt aus lebendem Papierwesen und unvorstellbarer Ideenkraft. Für alle, die sich gerne wieder zum Träumen verleiten lassen möchten, ist Science of Sleep ein Kinohighlight ohne Konkurrenz.
The Science of Sleep
Regisseur: Michel Goundry
HauptdarstellerInnen: Gael Garcia Bernal, Charlotte Gainsbourg
Weitere DarstellerInnen: Alain Chabat, Miou-Miou, Aurélia Petit, Sacha Bordo
105 Minuten, Kinostart: 28.09.2006
Frankreich, 2005
FSK: ab 6 Jahren
URL: www.science-of-sleep.de