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Beitrag vom 15.09.2006
Das Parfum - Geschichte eines Mörders
Jana Muschick
Riechen kann frau ihn nicht - aber ansehen sollten Sie ihn schon. Die Verfilmung um das Geruchsmonster aus den Pariser Slums läuft endlich in den deutschen Kinos an.
Nach jahrelangem Warten auf die heißersehnte Verfilmung des Longsellers "Das Parfum" von Patrick Süßkind, hat Tom Tykwer das Stück in die Kinos gebracht. Der Plot dürfte bekannt sein: 1783 wird Jean-Baptiste Grenouille (Ben Whishaw) auf einem stinkenden Fischmarkt unter der Schlachteplatte seiner Mutter (Birgit Minichmayr) geboren, kommt in ein Waisenhaus und entdeckt dort als zwielichtiger Außenseiter seinen sensiblen Geruchssinn - kein Gegenstand ist vor seiner Schnüffelei sicher. Der Zeck Grenouille saugt nicht nur die olfaktorischen Partikelchen von Glas, Stein und Holz in sich ein - nein, Menschenduft ist seine Spezialität.
Dieses Geschöpf riecht alles - außer sich selbst. Denn leider ist die schärfste Nase der Literatur des 20. Jahrhunderts selbst geruchlos. Grenouille wird Parfumeur, erlernt die Techniken der Destillation und Konservierung von Düften. Schließlich erkennt er, dass es der Geruch von unberührten mädchenhaften Schönheiten ist, der nicht mehr aus seiner Nase geht. Grenouille braut sich sein eigenes ganz spezielles Parfumchen zusammen und geht dafür über Leichen.
In den vergangenen Tagen prasselte viel Kritik über das visuelle Kunststück aus verschiedenen Zeitungen herein. Unter anderem wurde das Allerweltsgesicht von Ben Whishaw (Stephan Speicher, Berliner Zeitung, 13.09.2006) kritisiert.
Auch der Spiegel ließ an der Verfilmung kein gutes Haar und betitelte seine Rezension mit dem vernichtenden Titel "Um Nasenlänge verfehlt" (Jenny Hoch, Spiegel, 13.09.2006).
Doch sind all diese Kritiken berechtigt? Es steht außer Frage, dass der Regisseur Tom Tykwer sich an einen Stoff herangewagt hat, der schon das Gemüt Tausender von LeserInnen bewegt hat. Die Erstausgabe von "Das Parfum" erschien 1985 und ist seitdem eines der weltweit bestverkauftesten und meistgelesensten Bücher.
Dass jede LeserIn einen anderen Eindruck des Riechgenies aus Paris hat, ist selbstverständlich. Trotzdem wird Grenouilles messianischer Weg vom Regisseur und insbesondere durch Kameramann Frank Griebe kontrastreich in Szene gesetzt. Da es bis heute in keinem Kino Duftstoffverteiler für bestimmte Szenen gibt (was auch gut ist) mussten sich die Produzenten etwas anderes überlegen.
Um die Besonderheit bestimmter und für Grenouille exklusiver Gerüche darzustellen, wählte Tykwer eine Farbenpracht, die der ZuschauerIn den Duft quasi "in die Augen" treibt. Das Aroma des Mirabellen-Mädchens (Karoline Herfurth) wird über die leuchtenden Früchte metaphorisch dargestellt, die Krönung von Grenouilles parfumösen Meisterwerk, Laura, gespielt von der jungen, aber sehr überzeugenden Rachel Hurd-Wood, wird durch eine weiße Christrose verkörpert.
Diese Blume bedeutet im Volksmund "Nimm mir meine Angst" und symbolisiert durch die weiße Farbe (vgl. weiße Rosen) ein Todessymbol. Mit dieser und ähnlichen Stilmitteln arbeitet sich Tykwer durch den Stoff.
Gut, seine Figuren sind verhältnismäßig schön - Grenouille bleibt selbst nach jahrelanger Arbeit bei einem Gerbermeister und einem überstandenen Pestanfall relativ ansehnlich. Doch, seien wir mal ehrlich: will frau wirklich einen Film in Überlänge anschauen, in dem der Hauptdarsteller aussieht wie eine Ausgeburt der Hölle? Tykwer hat sich vielleicht nicht an alle Vorgaben aus dem Buch gehalten - doch darin besteht auch seine künstlerische Freiheit.
AVIVA-Tipp: Das Parfum ist ein sehenswerter Bilderrausch für den Abschluss dieses Sommers. Gerade weil viele JournalistInnenstimmen den Film so hart kritisiert haben, ist es wichtig, dass Sie sich ein eigenes Urteil erlauben! Zwar hat der Film auch seine Längen, er überrascht aber mit einem Staraufgebot an SchauspielerInnen, denen es überzeugend gelingt, mehr mit Blicken und Nasenspitzen als mit Worten zu sagen. Überhaupt sollte frau "Die Geschichte eines Mörders" gesehen haben - denn wen interessiert es nicht, was aus diesem spannenden Geruchskrimi gemacht worden ist. Es geht hier wohl auch mehr um die Umsetzung, als um den Plot - den Sie ja wahrscheinlich alle kennen.
The Parfume
Regisseur: Tom Tykwer
DarstellerInnen: Ben Whishaw, Alan Rickman, Rachel Hurd-Wood, Dustin Hoffman
Kinostart: 14. September 2006, 147 min
Deutschland, Frankreich, Spanien 2005/06
FSK: ab 12 Jahren
URL: www.parfum.film.de