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Beitrag vom 23.01.2005
25 Grad im Winter
Tatjana Zilg
Ein ungewöhnlich heißer Tag im Winter führt den alleinerziehenden Vater Miguel zur größten Veränderung seines Lebens. Nicht ganz freiwillig begleitet er eine Ukrainerin auf der Suche nach ihrem Mann
Die Freude der siebenjährigen Laura (Raphaëlle Molinier) ist groß, als der Postbote frühmorgens ein Paket aus Amerika abliefert. Ihre Mutter lebt dort seit einem Jahr, um Karriere als Sängerin zu machen. Das Grundschulmädchen wohnt nun mit ihrem Vater Miguel (Jacques Gamblin) allein in Brüssel. Sehnsüchtig reißen Vater und Tochter das Paket auf.
Aber der Alltag drängt sich schnell wieder in den Vordergrund: Der Vermieter steht vor der Türe, um Mietschulden einzutreiben. Der chaotische Miguel bündelt seine Kräfte, vertreibt den Gläubiger und bringt die kleine Laura eilends zur Schule. Als er am Flughafen seinem nur halb legalen Job als Ticketkurier für ein Reisebüro nachgehen will, begegnet er der Ukrainerin Sonia (Ingeborga Dapkunaite), die vor der Grenzpolizei flieht. Sie sollte nach Russland ausgewiesen werden. Obwohl Miguel mit seinen eigenen Problemen genug zu tun hat, bleibt sie hartnäckig, bis er sich ihrer annimmt. Die erschöpfte Frau erzählt, dass sie verzweifelt auf der Suche nach ihrem Ehemann ist, der vor mehr als zehn Jahren nach Belgien ausgewandert ist.
Eine Odyssee durch die Hauptstadt Belgiens beginnt für das unfreiwillige Paar. Auch Laura, die in der Schule in eine heftige Prügelei verwickelt wurde, und Miguels spanische Mutter (Carmen Maura) steigen mit in das Auto, um die Spur des russischen Immigranten zu verfolgen.
Die verschiedenen Migrationschicksale stoßen aufeinander: Die Großmutter Lauras hat mit ihrer Auswanderung versucht, ihren Nachkommen eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Dem Sohn fiel es jedoch schwer, eine bodenständige Existenz aufzubauen, aber es gelingt ihm, das Leben für sich und seine kleine Tochter angemessen zu gestalten. Dagegen wird der Ukrainerin jegliches Bleiberecht verwehrt. Ihre einzige Chance liegt darin, gegen das Gesetz zu verstoßen und für ihr Glück zu kämpfen. Zugleich verbindet die ProtagonistInnen das Schicksal des Verlassen-Werdens: Sonias Ehemann hat sich von ihr gelöst, um im Land bleiben zu können. Er ist schon seit langer Zeit mit einer Belgierin verheiratet, die ihm ein normales Leben ermöglicht.
Der Film ist ausgesprochen feingezeichnet. Die einzelnen Charaktere werden präzise beobachtet. Es ist sehr bewegend, sie bei der Auseinandersetzung mit ihrem Schicksal und den unerwarteten Begegnungen zu beobachten: Das Grundschulmädchen Laura hat sich anfangs eingeigelt in der Trauer um den Verlust der Mutter. Sie lehnt die plötzlich aufgetauchte Frau an der Seite des Vaters ab, bis sie diese in ihrer Verletzbarkeit erlebt.
Der Regisseur Stéphane Vuillet entschloss sich nach einem abgebrochenen Mathematik-Studium und dem Zerbrechen seiner Musikband die Filmschule INSAS in Brüssel zu besuchen. "25 Grad im Winter" ist sein Debütfilm und wurde bereits im Wettbewerb der Berlinale 2004 gezeigt.
AVIVA-Tipp: Auf sensible Art behandelt der Film das aktuelle Thema der Migrationsproblematik. Anhand der spannenden Geschichte erfährt der Zuschauer/die Zuschauerin mehr über die Realität der Abschiebungspraxis, ohne durch ausführliches Doku-Material überfordert zu werden.
25 Grad im Winter
25 degrés en hiver
Belgien/Frankreich 2003
Regie: Stéphane Vuillet
DarstellerInnen: Carmen Maura, Jacques Gamblin, Ingeborga Dapkunaite, Raphaëlle Molinier, Pedro Romero, Ingeborga Dapkunaite
Verleih: Arsenal Filmverleih
Kinostart: 27.01.2005