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Beitrag vom 06.12.2004
En Garde. Film und Interview mit Maria Kwiatkowsky und Pinar Erincin
Julia Rohrbeck
Sanfte X-Filme-Produktion über die Freundschaft zweier ungleicher Mädchen. Regisseurin und Drehbuchautorin Ayse Polat erzählt eine aufwühlende Geschichte über Träume, Gefühle und Erwachsenwerden
"Das Tolle am Fechten ist: Der Ablauf ist klar. Man stellt sich gegenüber, "En Garde!" und los. Manchmal gibt man sich dem Spiel hin und verliert sich darin. Dann vergisst man sich. Man vergisst die Zeit und die Angst. Das sind die schönsten Momente."
Alice (Maria Kwiatkowsky), die junge Heldin des Films, ist 16 Jahre alt und leidet an Hyperakusis, "zu lautem Hören". Nach dem Tod ihrer Großmutter wird sie von ihrer überforderten Mutter (Antje Westermann) in ein katholisches Mädchenerziehungsheim gesteckt.
Alice ist in sich gekehrt, still und schweigsam. Von der fremden Umgebung und der brutalen Hackordnung unter den Mädchen verunsichert, kann sie sich nur schwer öffnen. Auch Schwester Clara (Geno Lechner), Alices strenge und fürsorgliche Betreuerin, ist nicht in der Lage, dem Mädchen fehlende mütterliche Wärme zu vermitteln.
Schließlich freundet sie sich mit dem kurdischen Flüchtlingsmädchen Berivan (Pinar Erincin) an, deren rechtlicher Aufenthaltsstatus in Deutschland unklar ist. Berivan hat Angst vor einer Abschiebung und vertraut Alice ein streng gehütetes Geheimnis an, das ihr beim Asylverfahren zum Verhängnis werden könnte...
In ihrer Freizeit gehen die beiden Mädchen zum Fechttraining. Anfangs fällt ihnen der ungewöhnliche Sport schwer, doch die Mädchen ermutigen sich gegenseitig. Zum ersten Mal sieht man Alice aus sich herausgehen und lachen.
Doch die Freundschaft wird auf die Probe gestellt: Berivan verliebt sich in Ilir (Luk Piyes), einen Pizzaboten, der ihre Zuneigung erwidert. Alice hat Angst, ihre einzige Freundin zu verlieren. Weitere Probleme tun sich auf und die Situation im Heim eskaliert...
"En Garde" ist ein Film, der die Befreiung eines verschlossenen Mädchens aus ihrer inneren Gefangenschaft beobachtet. Ruhige, intensive, geduldige und stark emotionale Bilder werden geschaffen. Um das extrem laute Hören von Alice zu visualisieren, wurde den Bildern übernatürliche Schärfe und Härte verliehen.
Die junge Regisseurin Ayse Polat gibt zwei Leinwand-Newcomerinnen die Chance, sich auszutesten: Pinar Erincin und Maria Kwiatkowsky sind zum ersten Mal im Kino zu sehen. Die Frische und Unverbrauchtheit der beiden jungen Frauen macht En Garde zum Erlebnis.
AVIVA-Tipp: Der weibliche, sensible Blick von Regisseurin Ayse Polat und Produzentin Maria Köpf ist zu spüren. Eine bewegende Geschichte, fernab vom Mainstream-Kino. Die komplexe, eindringliche und facettenreiche Darstellung der Frauen ist Erholung für das geschundene Blockbuster-Auge.
En Garde
Deutschland 2004
Buch und Regie: Ayse Polat
Produzentin: Maria Köpf
DarstellerInnen: Maria Kwiatkowsky, Pinar Erincin, Luk Piyes, Antje Westermann, Geno Lechner
Kinostart: 09.12.04
Hier geht´s zum Interview mit den Hauptdarstellerinnen.