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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 10.07.2009


Die Braut trug schwarz
Tatjana Zilg

Eine mysteriöse Frau steht im Mittelpunkt des Film Noirs, den Regiemeister Francois Truffaut 1968 drehte. Anhand der Wiederveröffentlichung können Filmfans nun nach verfolgen, warum Jeanne ...




... Moreau in der Rolle einer äußerlich eiskalt erscheinenden Mörderin als Vorläuferin von Uma Thurman in Kill Bill gilt.

Das Setting unterscheidet sich zwar in vielen Punkten von Quentin Tarantinos Kultfilm, doch das Grundmotiv ist dasselbe: Es geht um dunkle Rachegefühle, die das Leben der Heldinnen durchdringen. Kein Entrinnen ist mehr möglich, Verfolgte und Verfolgerin sind ausweglos todgeweiht.

Fünf Namen umfasst die Todesliste, die Jeanne Moreau als Julie Kohler mit sich trägt. Warum die Mittdreißigerin es auf diese Männer abgesehen hat, ist das Rätsel, das den Spannungsbogen in der ersten Hälfte des Films aufrecht erhält. Die Mörderin handelt erschreckend zielgerichtet. Jedes Mal setzt sie ihren Plan nahezu störungsfrei um und verlässt - meist ohne nach außen Gefühle zu zeigen - den Tatort.

Der Fokus liegt dabei auf der strategischen Verführung der Männer und dem unvermittelten Vollzug von Julies Vorhaben. Von der Vorgeschichte erfährt man wenig. Nur exakt soviel, um allmählich Klarheit über das auslösende Ereignis zu gewinnen.

Im Prolog wird eine kurze Episode des Abschieds Julies von ihrer Mutter gezeigt die erste Hinweise auf den inneren Seelenzustand der zukünftigen Mörderin gibt. Später nimmt Truffaut sein Publikum an perfekt terminierten Stellen zu Rückblicken auf das tragische Ereignis in der Vergangenheit mit, durch das Julie kurz nach ihrer Hochzeit zur Rachegetriebenen wurde. Der Regisseur bedient sich des stilistischen Tricks, die wesentliche Episode als Stummfilm umzusetzen, so dass sie sich vom restlichen Film deutlich abhebt und das Ereignis in einer Mischung aus bizarrer Absonderlichkeit und tragischer Fahrlässigkeit einer losen Clique junger Männer aufscheinen lässt.

Jeanne Moreau verleiht der Hauptfigur eine starke Präsenz und Glaubhaftigkeit. In 14 unterschiedlichen schwarz-weißen Kostümen auftretend (entworfen von Pierre Cardin) wirkt sie wie ein ätherisches Wesen, das nur zum Teil von dieser Welt ist. Durch ihr stringentes Festhalten an ihrem grausamen Plan fällt sie stets aus den Alltags-Settings heraus, in denen sie ihre Opfer aufsucht: Im Theater, im Kunst-Atelier, auf einer Verlobungsfeier, in einer Vorstadtvilla und auf einem Autoschrottplatz. Dadurch entstehen nervkitzelnde Kontraste, die ganz auf die klassischen Möglichkeiten des anspruchsvollen Thrillers setzen, wie sie auch von Hitchcock bekannt sind.

Der Altmeister war ein Vertrauter von Francois Truffaut. Gemeinsam veröffentlichten sie einen Interviewband, in dem Truffaut der Fragende war und Hitchcock der Antwortende.
Denn Truffaut legte den Anfangsstein zu seinem weltweiten Ruhm auf der anderen Seite der cineastischen Zunft: Als Filmkritiker des Cahiers sorgte er Mitte der Fünfziger Jahre für ein Umdenken in der Branche. Sein Aufsatz "Eine gewisse Tendenz im französischen Film" ("Une certaine tendance du cinéma français") fand hohe Resonanz und wurde zum Klassiker der Filmtheorie. Auch mit seinem Regie-Werk machte Truffaut sich einen bedeutenden Namen. "Jules und Jim" (1962) und "Der Wolfsjunge" (1969) sind zwei seiner bekanntesten Filme.

Die DVD gibt einen tieferen Einblick in sein Verständnis vom Filmemachen durch einen umfangreichen Audiokommentar von Robert Fischer, der sich als Herausgeber und Übersetzer in die deutsche Sprache der Werke Truffauts vorstellt. Detailliert erläutert Fischer anhand der Inszenierung von "Die Braut trug schwarz" die "unglaublich ökonomische Erzählweise" des Mitbegründers der Nouvelle Vague. Ergänzt wird dies durch ein älteres Interview mit Truffaut und Moreau.

AVIVA-Tipp: Der Film von 1968 beweist, wie aufregend und unterhaltsam Kino auch ohne digitale Effekte sein kann. Durch etliche Feinheiten und eine sehr bewusste Bildsetzung holt sich Truffaut beim Publikum die volle Aufmerksamkeit für eine Geschichte, die stellenweise ins Surreale schwebt, dann wieder ganz real ist, viele Fragen aufwirft und manchmal offen lässt, aber nie David Lynch-haft verwirrt. Es gibt einen klaren Spannungsbogen und eine gelungene psychologische Durchdringung der Charaktere. Damit übt der Film einen ähnlich atemberaubenden Reiz aus wie die Murder Story "Matchpoint" von Woody Allen.


Die Braut trug schwarz
Frankreich 1968, 103 Minuten
Regie: Francois Truffaut
DarstellerInnen: Jeanne Moreau, Michel Bouquet, Jean-Claude Brialy, Charles Denner, Claude Rich, Michael Lonsdale, Daniel Boulanger, Alexandra Stewart, Sylvine Delannoy, Luce Fabiole, Michèle Montfort, Jacqueline Rouillard, Paul Pavel, Gilles Quéant, Serge Rousseau, Van Doude, Christophe Bruno
Anbieter (Deutschland): AL!VE AG
Ausstattung der DVD:
Amaray mit Schuber
Bildformat: 1.66:1 (anamorph)
Sprache(n): Deutsch, Französisch
Untertitel: Deutsch
FSK: ab 16 Jahren
DVD - Verkaufsstart: Juni 2009



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Beitrag vom 10.07.2009

AVIVA-Redaktion