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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 31.12.2008


Patti Smith - Dream Of Life
Tatjana Zilg

Dem Fotografen Steven Sebring gelang es, sehr persönliche Impressionen von der Rock-Ikone einzufangen. Elf Jahre lang begleitete der visuelle Poet die Sängerin bei Tourneen, Alltag und ...




... privaten Reisen.

Es entstand ein Dokumentarfilm, der in sich selbst ein Kunstwerk ist. Sequenzen, in denen Patti Smith von ihrem Leben erzählt, hinter und auf der Konzertbühne oder bei kleinen und großen Geschehnissen eines jeden Tages beobachtet wird, wechseln sich ab mit malerisch ineinander verwobenen Inszenierungen und Momentaufnahmen von Naturlandschaften und urbanen Milieus im Amerika der Bush-Ära. Mit ihrer einzigartig eindringlichen Stimme rezitiert sie aus dem Off Gedichte literarischer Vorbilder wie William Blake, Arthur Rimbaud und Allen Ginsberg sowie eigene Songtexte.
Die Energie und Magie, die ihre Musik in sich trägt, strahlt so auch von der Leinwand und lässt keinen Zweifel daran, dass der mittlerweile Zweiundsechzigjährigen ein ganz besonderer Platz in der Musikgeschichte gebührt.

New York provoziert den künstlerischen Ausdruck der jungen Patti Smith

Der Film beginnt mit einem Rückblick auf vergangene Tage, während derer sie aus dem kleinstädtischen Leben in Süd-Jersey ausbrach und sich in New York auf die Suche nach ihrem künstlerischen Ausdruck begab. Sie fand Inspiration in der Begegnung mit Robert Mapplethorpe, Allen Ginsberg und Sam Shepard – starke Persönlichkeiten, deren Namen später selbst zur Legende wurden.
Frustriert von ersten Versuchen bildnerisch tätig zu werden, entdeckte sie die Kraft des Wortes als ihr Medium. Sam Shepard schenkte ihr eine Gitarre. Ihr außergewöhnliches Talent, ihre Texte musikalisch umzusetzen, wurde deutlich. Die Alben "Piss Factory" (1974) und "Horses" (1975) brachten ihr den internationalen Durchbruch. Mit dem CBGB bekam die aufkeimende New Yorker Pre-Punk-Szene einen festen Ort für Konzerte und Treffen. Patti Smith war eng mit den Gründern Hilly Crystal und William Burroughs befreundet und gab dort einige ihrer intensivsten Bühnenauftritte. Ende der Siebziger heiratete sie Fred "Sonic" Smith, der mit seiner Band MC5 selbst zur Kultfigur der Hardcore-Szene wurde. Das Paar zog sich aus der Musik zurück, ließ sich in Detroit häuslich nieder und bekam zwei Kinder.

In Konfrontation mit dem Tod setzt sie die Feier ihres Lebens fort

Aber sie lernte auch bald die Kehrseite des Glücks kennen. Viele ihrer Weggefährten starben früh. Robert Mapplethorpe, der am Anfang ihrer Karriere ein wichtiger Mentor für sie war, erlag 1989 dem AIDS-Virus. Ein weiterer tragischer Wendepunkt in ihrem Leben war der Tod ihres Ehemanns Fred, der 1994 im Alter von 45 Jahren an einer Herzattacke starb. Mit ihren Kindern kehrte sie nach New York zurück. Bob Dylan ermutigte sie, wieder als Musikerin aktiv zu werden. Nach 16 Jahren Konzert-Abstinenz ging sie gemeinsam mit dem einflussreichen Weltstar auf Tournee und ist seitdem wieder als bedeutende Künstlerin in der Öffentlichkeit präsent. 2008 besuchte sie Berlin, um bei den Filmfestspielen die Doku "Dream Of Life" vorzustellen, eine Ausstellung ihrer bildnerischen Arbeiten zu eröffnen und ein Konzert in der wunderschönen akustischen Umgebung der Passionskirche zu halten.

Regisseur Steven Sebring folgte Patti Smith auch an Orte, die sehr private Facetten von ihr zeigen und durch die erkennbar wird, was hinter der Musikerinnen-Persönlichkeit steckt. Deutlich wird, wie zerbrechlich und schüchtern sie manchmal sein kann und wie stark und lebensklug sie zugleich ist. So nimmt sie ihn mit zu einem Besuch bei ihren Eltern, die noch immer in dem Haus mit großem Garten in Süd Jersey leben. Voller Freude entdeckt sie dort ein verwaschenes Kleidchen aus Kindertagen, später sitzt sie mit den Eltern auf der Couch, die stolz über miterlebte Konzerte der Tochter berichten. An anderer Stelle jammt sie für die Kamera mit Sam Shepard Bob Dylan–Songs. Vielen vor allem als hervorragender Schauspieler und innovativer Drehbuchschreiber in Erinnerung, zeigt der Kinostar hier eine eher unbekannte Seite von sich. In den sechziger Jahren feierte er mit seiner Hillbilly-Band Holy Modal Rounders in New York City als Musiker Erfolge.
Während der Tourneen gibt es viele kleine bezaubernde Momente, die der Regisseur geschickt einbindet. Die Tochter von Patti Smith ist oft mit von der Partie, erst zu Beginn der Teenager-Zeit, später als junge Frau, sich sichtbar geborgen und vertraut fühlend mit der berühmten Mutter.

AVIVA-Tipp: Der Fotograf, der zuvor mit außergewöhnlichen Modeserien und ausdrucksstarken Studien von Persönlichkeiten aus der Beat Generation und ihren Nachfolgern beeindruckt hat, setzt mit seinem Dokumentarfilm ein empathisches zelluloides Denkmal für eine der erfolgreichsten Musikerinnen weltweit. Er fand mit seinem experimentellen Stil, der dennoch viele narrative Elemente enthält, einen Weg, visuell die Atmosphäre der Songs perfekt wiederzugeben, den Mythos um Patti Smith wiederzuspiegeln und zugleich ihren natürlichen Charme für ihre Fans aus nächster Nähe erlebbar zu machen. Dabei scheuen weder Regisseur noch Dargestellte davor zurück, verletzliche Seiten zu integrieren und einen Blick auf die Seele, die diese nahezu schamanisch wirkende Musik kreiert, offen zu legen.

Patti Smith - Dream Of Life
USA 2008, 109 Min.
Regisseur: Steven Sebring
Format: Regionalcode 2 / PAL, Bild: 1.66:1
Sprache: Deutsch, Englisch DD 5.1
Untertitel: Deutsch
Vertrieb: AL!VE AG
Label: Pierrot le Fou, erschienen November 2008
DVD Features: Deleted Scenes, Trailer
Verpackung: Amaray mit Schuber
FSK: ab 12 Jahren
ASIN: B001D24WRQ
EAN: 4042564037708
Bestell-Nr.: 6403770

Weitere Infos: www.dreamoflifethemovie.com , www.pattismith.net und www.stevensebring.com



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Beitrag vom 31.12.2008

AVIVA-Redaktion