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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 16.01.2009


Alles für meinen Vater - von Dror Zahavi
Margret Müller

Tarek will als Attentäter in Tel Aviv die Familienehre retten, doch die Zündung klemmt. Ihm bleiben zwei Tage, in denen er seine Feinde kennen lernt und neu vor der Entscheidung seines Lebens steht.




Es ist nicht so, dass Tarek nicht mehr leben will, doch so wie es im Moment für ihn aussieht, scheint nur noch Sterben zu helfen. In den besetzten palästinensischen Gebieten eingesperrt, ist ihm der tägliche Weg zum Fußballtraining seiner Mannschaft in Nazareth versperrt, die einzige Freiheit dahin. Sein Vater, der fast alles tun würde, seinem talentierten Sohn diese Karriere als Fußballprofi zu ermöglichen, konnte anfangs mit schmerzvollen Gegenleistungen eine Erlaubnis der täglichen Überwindung der israelischen Grenzkontrolle erwirken. Von den Nachbarn wurde er dafür allerdings als Kollaborateur verurteilt und angegriffen. So wird auch der Alltag im Dorf zum Horror.

Des geliebten Vaters Ehre wiederherstellen, scheint das Einzige, das Tarek jetzt noch tun kann, und zwar als Selbstmordattentäter in Tel Aviv. An einem Freitag auf dem belebten Markt der Stadt ist Tarek bereit, zu sterben und möglichst viele mit sich in den Tod zu reißen. Die Zündung ist es nicht. Sie klemmt und der verwirrte Tarek findet sich für zwei geschenkte Tage im Feindesland wieder, genug Zeit, um seine Einstellung gründlich ins Wanken zu bringen. Aus "dem Feind" werden Gesichter, wunderliche, verletzliche Menschen...denen er statt zum Todesengel manchmal zum Schutzengel wird. Er steht ganz neu vor der Entscheidung um sein Leben...- wäre da nicht die Verpflichtung den Tanzim – dem militärischen Flügel der Fatah gegenüber.

Die defekte Zündung ist nicht die einzige Chance, die Tarek in den folgenden 48 Stunden erhält. Katz, der etwas störrische Elektroinstallateur bietet ihm Schlafplatz und Arbeit. Keren, die junge Ex-Orthodoxe, wird ihm trotz aller Differenzen zu einer echten Freundin. Er, der verhinderte Attentäter, erhält echte Zukunftsperspektiven und erkennt, was sein Vater wirklich will...

Diese 48 Stunden könnten private Sternstunden der Hoffnung und Veränderung sein, neue Perspektiven tun sich auf. Das private suggerierte Glück liegt jedoch im Schatten des politischen Schicksals. Und obwohl "Alles für meinen Vater" kein politischer Film ist oder sein will, ist dessen Aussage dies zutiefst. Politik ist in Israel und den palästinensischen Gebieten mehr als Nachrichten im Fernsehen und lebensferne Wahltage, sie ist Determinante des Alltags. Sei es das Hobby Fußball, Einkaufen auf dem Markt, das Hobby des Sohnes unterstützen, einen eigenen Weg wählen, die Ehre der Familie oder der Wunsch zu reisen und letztendlich die Perspektive für das eigene Leben.

Moment des Glücks: Keren (Hili Yalon) und Tarek (Shredy Jabarin) radeln durch die Stadt.


Tarek und Keren verbindet die Einsamkeit zweier Menschen, die unter diesen Umständen ihren ganz eigenen Weg suchen. Doch Kerens Lösung ist anders: obwohl sie einmal meint, an ihrer verworrenen Situation "explodieren zu müssen", klammert sie sich doch an das Leben - er ist es, der so gerne explodieren will und nicht kann.

Es ist ein sehr eigenes Tel Aviv, in dem der Regisseur Dror Zahavi seine Geschichte spielen lässt. Nicht das moderne, saubere Hochglanz-Tel-Aviv mit allen seinen aalglatten Cafés voller Menschen, die eifrig den Krieg um sich herum vergessen wollen. Nein, Zahavi zelebriert in diesem Film die Schönheit des zweiten Hinschauens, in den vergessenen Ecken, dem Ursprünglichen, tiefer Vibrierenden der Stadt, dem schroffen Humor, dem Echten, Ungeschmückten, dem Geschrei auf dem (etwas schwach nachgestellten ) Carmel-Markt. So sind auch die ProtagonistInnen einfache Menschen, die jeder für sich ihr Päckchen tragen, aber auch das Herz am rechten Fleck, die mit sich in den Tod zu reißen für Tarek deutlich schwerer ist, als unbekannte Feinde.

Dror Zahavi wurde 1959 in Tel Aviv geboren und studierte in den 1980er Jahren in Potsdam Film. Sein Abschlussfilm war ein Erfolg innerhalb der DDR und erhielt eine Studenten-Oskar Nominierung. Dror Zahavi wurde vor allem durch seine zahlreichen Fernsehfilme bekannt und mit dem Bayrischen und Deutschen Fernsehpreis so wie der goldenen Kamera ausgezeichnet. Mit "Alles für meinen Vater" ist er sowohl nach Israel als auch ins Kino zurückgekehrt. Derzeit ist Dror Zahavi mit der Verfilmung der Autobiografie Marcel Reich-Ranickis beschäftigt.

AVIVA-Tipp: "Alles für meinen Vater" rüttelt an den Gefühlen und einiger Grundfeste und lässt sie erst einmal nicht mehr los. Zunächst macht Tarek in kürzester Zeit eine unglaubliche Wandlung durch und muss sein Feindbild überdenken, aber auch beim Sehen des Filmes wird stark an dem Bild eines Selbstmordattentäters gerüttelt und ein Blick hinter die Fassade des Bekennervideos ermöglicht. Die dabei zahlreich aufgeworfenen Fragen finden nicht automatisch eine entsprechende, entspannende Antwort. Dror Zahavi zeigt, dass es bei den schwer wiegenden, bedrückenden Fragen oft mehrere mögliche Antworten und manchmal auch gar keine gibt. Aufgrund der Stärke des Aushaltens dieser Spannung ist es nur verständlich, dass "Alles für meinen Vater" von der Filmbewertungsstelle mit dem Prädikat "Besonders wertvoll" und auf dem International Filmfestival Moskau 2008 mit dem Publikumspreis für den besten Wettbewerbsbeitrag ausgezeichnet sowie auf Filmfestivals in Moskau, Jerusalem, Hamburg, Montreal und Zürich erfolgreich präsentiert wurde.

Alles für meinen Vater
(Original Titel: Shabat Shalom, Maradona)
Deutschland, Israel, 2008
Regie: Dror Zahavi
Produzenten Israel: Zvi Spielmann, Shlomo Mograbi
Produzentin Deutschland: Heike Wiehle-Timm
DarstellerInnen: Shredy Jabarin, Hili Yalon, Shlomo Vishinski u.a.
Verleih: Kinowelt
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
96 Minuten
Kinostart: 22. Januar 2009


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Beitrag vom 16.01.2009

AVIVA-Redaktion