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Beitrag vom 17.12.2008
Die Buddenbrooks - ein Film von Heinrich Breloer
Henriette Jankow
Bereits mit "Die Manns - ein Jahrhundertroman" erwies sich der Regisseur als ein Experte Thomas Manns. Nun bringt er den vielgepriesenen Debütroman eines der bedeutendsten deutschen Autoren ins Kino.
Als Heinrich Breloer im Jahre 2001 auf gekonnte Art und Weise ZeitzeugInneninterviews mit hochkarätig besetzten Spielszenen zu einer Fernsehreihe über "Die Manns – ein Jahrhundertroman" zusammenbrachte, hagelte es Lob von allen Seiten des deutschen Feuilletons. Nun widmete sich der Dokumentarfilmregisseur in seinem Spielfilmdebüt dem größten Roman von Thomas Mann, der Geschichte der "Buddenbrooks", für die der Autor 28 Jahre nach der Veröffentlichung seinen Literatur-Nobelpreis erhielt.
Über mehrere Generationen hinweg hat sich die patrizische Kaufmannsfamilie Buddenbrook im Lübeck des 19. Jahrhunderts im Getreidehandel etabliert. Dabei sind Geschäft und Privates untrennbar miteinander verbunden, und so ist es Schicksal eines/r jeden Buddenbrook, sich dem Wohle der Firma und dem Ansehen der Familie unterzuordnen: "Wir sind nicht dafür geboren, nach dem zu leben, was wir gerade mal für Glück halten. Wir sind Glieder einer Kette. Auch du bist nicht denkbar ohne die Reihe derer, die uns vorangegangen sind."
Dementsprechend erziehen der Konsul Jean Buddenbrook (Armin Müller-Stahl) und die Konsulin Bethsy (Iris Berben) auch ihre Kinder: Die Söhne Thomas (Mark Waschke) und Christian (August Diehl) sollen den Kaufmannsberuf erlernen, die Tochter Tony (Jessica Schwarz) in eine standesgemäße Ehe eintreten. Als ein idealer Partner erscheint der Hamburger Kaufmann Bendix Grünlich (Justus von Dohnányi), welcher der schönen "Prinzessin" jedoch zuwider ist. Sie willigt dennoch in die Ehe ein und opfert dafür die Liebe ihres Lebens. Schon bald stellt sich heraus, dass der schmierige Grünlich nichts weiter ist als ein windiger Mitgiftjäger, der Tony nur des Geldes wegen geheiratet hat. Die Fehleinschätzung Jean Buddenbrooks bezüglich des Schwiegersohns ist der erste Bruch auf der geraden Erfolgslinie der Familie.
Der plötzliche Tod des Konsuls treibt den Niedergang der Buddenbrooks rapide voran. Der älteste Sohn Thomas, Gatte der holländischen Alabasterschönheit Gerda (Léa Bosco) aus gutem Hause, führt nun die Firma mit voller Verantwortung. Sein Bruder Christian ist ein Lebemann wie er im Buche steht. Nach seinen Reisen durch die Welt frönt er nun Lust und Laster und ist eher am Theater als an geschäftlichen Dingen interessiert, belastet jedoch mit seinen Liebschaften und Eskapaden die Firma sowohl in ihrem Ansehen als auch wirtschaftlich. Tony heiratet erneut, diesmal den bayrischen Hopfenhändler Alois Permaneder (Martin Feifel). Auch diese Ehe geht nach einem Seitensprung Permaneders in die Brüche. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen der Zeit erhöhen den Druck auf die Kaufmannsfamilie, allem voran auf Thomas Buddenbrook, der in seinem Testament die Liquidierung der Firma veranlasst, weil er in seinem spät geborenen Sohn Hanno (Raban Bieling) keinen fähigen Nachfolger sieht.
"Der Verfall einer Familie" ereignet sich nicht allein in den Geschäftsbüchern der Firma, sondern vor allem im seelischen Niedergang der einzelnen Angehörigen, der letzten Endes in den Tod mündet. Nach dem Ableben der Konsulin stirbt auch der geschäftsführende Thomas auf banale Weise in Folge einer Zahnoperation. Nur wenig später erliegt der kleine Hanno dem Typhus. Gerda geht zurück nach Amsterdam und Christian wird in eine Nervenheilanstalt eingewiesen. Nur Tony bleibt zurück und muss mit ansehen, wie ihr Elternhaus, welches immer ein Refugium war, in die Hände der Rivalen-Familie Hagenström übergeht.
Heinrich Breloer, ist mit der Verfilmung der "Buddenbrooks" ein großes Wagnis eingegangen, denn eine Literatur-Verfilmung wird nie losgelöst vom ursprünglichen Roman betrachtet. Je ruhmreicher eine Vorlage ist, desto kritischer wird seine filmische Umsetzung in Augenschein genommen: Etwas Eigenes muss der Film schon haben, doch eine allzu kühne Interpretation darf es dann auch wieder nicht sein. Nach Manns eigener Aussage sollte die Saga um die Buddenbrooks eine "Seelengeschichte des deutschen Bürgertums, von der nicht nur dieses selbst, sondern auch das europäische Bürgertum überhaupt sich angesprochen fühlen konnte" sein. Die Frage danach, ob Breloers Verfilmung dem universellen Anspruch des Familienepos gerecht wird, kann nur mit `ja´ beantwortet werden. Der Regisseur bleibt der Geschichte in all ihren Details treu und schafft es sogar, dem Stoff in Zeiten nachhaltiger Kapitalismuskritik einiges an Aktualität abzugewinnen. Drei Jahre dauerten die 15 Millionen Euro teuren Recherche- und Dreharbeiten, in denen sich der Mann-Experte Breloer intensiv mit dem Roman und der Zeit, in der er spielt, auseinandersetzte. Darüber hinaus bewies der Regisseur ein überaus geschicktes Händchen bei der Besetzung. Armin Müller-Stahl brilliert als Jean Buddenbrook, wie er es bereits als Thomas Mann in Breloers Fernsehreihe tat. Jessica Schwarz als etwas unkonventionelle Tony und Iris Berben als ihr Counterpart, die statusorientierte Konsulin, überzeugen ebenso wie August Diehl als Querulant und Mark Waschke als prinzipientreuer Thomas.
AVIVA-Tipp: Dass es sich bei "Buddenbrooks" um Heinrich Breloers ersten Spielfilm handelt, ist dem zweieinhalb Stunden langen Film in keiner Sekunde anzumerken. Opulent in Szene gesetzt und bis in die kleinste Rolle hervorragend besetzt, zeigt der Film großen Respekt vor seiner Vorlage und steht selbiger in nichts nach. Schwierigkeiten, die mit der Adaption des knapp 700 Seiten starken Romans einhergegangen sein mögen, werden gekonnt durch Schnitt und Kameraführung gemeistert. Darüber hinaus hält sich der Film an Manns ausführliche Beschreibungen der Figuren und Schauplätze und liefert mit Kostüm und Kulisse ein Fest für die Augen.
Zum Regisseur: Heinrich Breloer, Jahrgang 1942, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Hamburg und Bonn und lebt derzeit in Köln. Insgesamt drehte er über 40 Fernsehfilm, unter anderem "Speer & Er". Seine Affinität zu den Werken und der persönlichen Geschichte der Familie Mann verlieh er erstmals in dem Doku-Drama "Die Manns – ein Jahrhundertroman" Ausdruck, mit welchem er ein "großes historisches Panorama des zwanzigsten Jahrhunderts" (Hellmuth Karasek) erschuf. Der Dreiteiler wurde unter anderem mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.
Buddenbrooks
Regie: Heinrich Breloer
Drehbuch (nach dem Roman von Thomas Mann): Heinrich Breloer, Horst Königstein
DarstellerInnen: Armin Mueller-Stahl, Jessica Schwarz, August Diehl, Mark Waschke, Iris Berben, Léa Bosco, Raban Bieling, Justus von Dohnányi, Alexander Fehling
Produktion: Michael Hild, Jan S. Kaiser, Uschi Reich – Bavaria Film Winka Wulff – Colonia Media
Co-Produktion: Pirol Film Production, Colonia Media
WDR, NDR, SWR, BR, Degeto, ORF und ARTE
Verleih: Warner Bros.
Kinostart: 25. Dezember 2008
Weitere Infos unter: www.buddenbrooks-derfilm.de