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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 25.09.2008


Trennung – ein Film von Amos Gitai und Marie-José Sanselme
Margret Müller

Während des Gaza-Abzugs sucht eine französische Jüdin ihre Tochter unter den SiedlerInnen und gerät in die Wirren der Räumungen. Ein Familiendrama unter politischem Einfluss.




Trennung und Annäherung, dies sind die zwei wesentlichen Komponenten des Filmes, wobei die Grenzen vor allem durch Politik bestimmt werden und dabei die Annäherungsversuche innerhalb einer bisher getrennten Familie bedrohen.
Ana (gespielt von Juliette Binoche) trifft ihren Stiefbruder Uli (Liron Levo) zur Beerdigung des Vaters in Frankreich. Das Erbe soll an Anas Tochter gehen, die sie nach ihrer Geburt vor 20 Jahren zur Adoption freigegeben hat. Nichts hält Ana in Frankreich, so beschließt sie, ihre Tochter in Israel zu suchen. Diese lebt als Siedlerin im Gazastreifen.
Zur Zeit Anas Ankunft beginnt der von der israelischen Regierung angeordnete Abzug der SiedlerInnen des Jahres 2005. Dieser war in Israel sehr umstritten und drohte, die Gesellschaft in zwei Lager zu spalten: jene – meist politisch links Angesiedelte -, welche die Siedlungen bis heute für illegal halten und ein kleines Israel in Frieden bevorzugen und jene, meist Religiöse, die an ein biblisches Großisrael glauben und daher den Gazastreifen als jüdischen Boden verstehen. Die SiedlerInnen weigerten sich, ihre Dörfer zu verlassen und wurden von der israelischen Polizei und Armee evakuiert. In starken Szenen zeigt Amos Gitai die Absurdität und Härte dieses Konfliktes innerhalb eines Volkes, bei dem sich Brüder und Schwestern plötzlich auf gegnerischen Fronten wiederfinden. Uli befehligt auf Seiten der Polizei den Abzug, während Ana sich auf der Suche nach ihrer Tochter auf der Seite der SiedlerInnen wiederfindet.

Trennung behandelt nicht nur die Auseinandersetzung mit den politischen Ereignissen Israels im Jahr 2005, vielmehr sind Grenzgänge, Trennung und Annäherung gleichzeitig subtil in der Familiendramatik wiederzufinden. Die Geschwister Uli und Ana sind von der Gesellschaft entfremdet, und ihre Beziehung zueinander bleibt unklar. Juliette Binoche glänzt in ihrer Rolle der unangepassten Ana, der etwas verspielt, verwirrten Frau mit schlenkerndem Gang, unentschlossen, ob sie reife Erwachsene, oder doch Kind sein möchte und dabei oft kokett tiefe Unsicherheit überspielend. In die Wirren des Abzuges geraten, als unverbundener Fremdkörper zwischen den Fronten hin- und hertaumelnd, scheint Ana innerlich zu wachsen. Zwar ist sie unfähig, die Prozesse um sich herum zu verstehen, wirkt aber in sich stabiler. Die zarte Annäherung zu ihrer Tochter steht im starken Kontrast zu den Geschehnissen des Umfeldes.
Jeanne Moreau übernahm als Notarin des Vaters eine kleine, aber entscheidende Rolle der weckenden Mahnerin mit Charisma und Autorität.

AVIVA-Tipp: Amos Gitais jüngster Film verbindet Familien- und Gesellschaftsdrama in einem. Annäherung innerhalb der Familie und Abkoppelung von der Heimat, Risse innerhalb eines Volkes, bis in Familien hinein und gleichzeitig Festigung alter Bande finden gleichzeitig statt, beeinflussen sich. Obwohl der Filmemacher sich politisch positioniert, bleibt der Zuschauerin Raum zum Weiter-Nachdenken.

Zum Regisseur: Amos Gitai wurde 1950 in Haifa, Israel, geboren. Wie sein Vater studierte er Architektur und gelangte durch seine Arbeit mit Super-8 Kameras während des Yom-Kippur Krieges zum Film. In fast 40 Dokumentar- und Spielfilmen setzt er sich vor allem mit der Geschichte des Nahen Ostens auseinander. Seine Themen sind dabei Religion, Heimat und Exil, soziale Kontrolle und Utopien. Zwei seiner Filme wurden wegen zu "pro-palästinensischer Haltung" vom israelischen Fernsehen nicht gesendet, auch Trennung wurde aus diesem Grund nicht unterstützt. Gitais Arbeiten wurden Retrospektiven unter anderem in Paris, London, New York, Berlin, Madrid, Toronto und Tokio vorgestellt und neue Filme werden regelmäßig in das Programm der Filmfestivals in Cannes, Toronto und Venedig aufgenommen. So wurde auch Trennung 2007 auf den Filmfestivals in Venedig und Toronto gezeigt und mit dem "Roberto Rossellini Award" ausgezeichnet.

Weitere Infos zu Amos Gitai und Kontakt unter: www.amosgitai.com

Die Programmkinos in Berlin finden Sie unter:
www.berlin.de.


Trennung
Originaltitel: Désengagement
Israel / Frankreich / Deutschland 2007
Regie und Drehbuch: Amos Gitai, Marie-José Sanselme
DarstellerInnen: Juliette Binoche, Liron Levo, Jeanne Moreau, Barbara Hendricks
Verleih: Pandora Filmverleih
Laufzeit: 115 Minuten
Kinostart: 25.09.2008


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Beitrag vom 25.09.2008

AVIVA-Redaktion