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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 25.02.2011


The Green Wave. Ein Film von Ali Samadi Ahadi
Britta Leudolph

Im Sommer 2009 war auf einmal ein anderer Iran auf den Bildschirmen der Welt zu sehen. Junge Menschen gingen in grünen Farben auf die Straße und protestieren für Freiheit und ihre Rechte. Vergebens.




Aus westlicher Sicht sind die Nachrichten, die aus Iran ankommen, in der Regel schlecht, oftmals sogar beängstigend. Das Land, das seit der Revolution 1979 eine islamische Theokratie ist, ist geprägt durch ein autoritäres Regime, welches seiner Bevölkerung ungezählte Verbote auferlegt, die weit in das Privatleben hineinreichen. Eine freie Meinungsäußerung ist nicht möglich, sogar das Tanzen ist verboten.

Präsident Mahmud Ahmadinedschad fällt international insbesondere durch radikale Parolen, antisemitische Hetze und Drohgebärden gegen seine KritikerInnen auf. Die Medien im Iran sind derart unter Kontrolle des Staatsapparates, dass Meinungen, die sich gegen die die Machthaber richten, kaum außerhalb des Landes wahrgenommen werden.

Umso außergewöhnlicher waren die Meldungen, die sich im Sommer 2009 aus dem Iran in die ganze Welt verbreiteten. Auf den Bildschirmen waren plötzlich Menschenmassen zu sehen, die in Teheran und anderen Städten für einen Wandel auf die Straßen gingen. Ausgestattet mit grünen Armbändern, Tüchern und Stirnbändern unterstützte die Bevölkerung einen Mann, der ihnen ein Symbol der Hoffnung war: Mir Hossein Mussawi. Doch so groß die Hoffnung, so tief war der Fall nach der Wahl: Entgegen aller Erwartungen wurde der ultrakonservative Populist Ahmadinedschad in seinem Amt bestätigt. Verzweiflung machte sich breit, aber auch Wut über diese allzu offensichtliche Wahlmanipulation. Wieder gingen die Menschen auf die Straße, hielten Schilder hoch mit der Frage "Where is my vote?". Das Regime reagierte mit maßloser Gewalt: Protestdemonstration wurden von staatlichen Milizen brutal aufgerieben und aufgelöst. RegimegegnerInnen wurden eingesperrt, gefoltert, vergewaltigt. Menschen verschwanden. Die Hoffnung starb.

Ali Samadi Ahadi hat in seiner Dokumentarfilm-Collage "The Green Wave" die Ereignisse des Sommers 2009 nachgezeichnet. Natürlich konnte er für seinen Film nicht nach Iran reisen. Mithilfe von Animationen, ZeitzeugInnen sowie privater Aufnahmen von Handys oder Fotokameras gelingt es ihm, die Stimmung dieser Zeit noch einmal greifbar zu machen: Er begleitet junge Menschen, die sich im Wahlkampfteam Mussawis engagieren oder über die Ereignisse in Blogs schreiben. In den ersten Tagen sind sie von einer befreienden Hoffnung erfüllt, erstmals haben sie das Gefühl, ihr Leben doch in die eigene Hand nehmen zu können: Tag für Tag, Nacht für Nacht sie ziehen auf die Straßen. Der Protest hat in diesen Tagen etwas leichtes, fröhliches – eine ungekannte Stimmung macht sich breit. Doch nach der Wahl schlägt die Stimmung um, aus der Hoffnung wird erst Ernüchterung, dann Verzweiflung. Am Ende steht ein Gewaltexzess des Staatsapparates, dem die ProtestantInnen bald nichts mehr entgegen zu setzen haben.

Zum Regisseur: Ali Samadi Ahadi wurde 1972 in Täbris, Iran geboren. Im Alter von 12 Jahren kam er 1985 ohne Familie nach Deutschland. Nach dem Abitur studierte er in Kassel Visuelle Kommunikation mit Schwerpunkt Film und TV. Er war als Regisseur, Cutter und Kameramann an verschiedenen Dokumentationen und Reportagen beteiligt. Bisher hat er mit seinen Dokumentarfilmen "Culture Clean" und "Lost Children" für Aufsehen gesorgt. Zuletzt gab er mit "Salami Aleikum" sein Spielfilmdebut.

AVIVA-Tipp: "The Green Wave" ist in mehrfacher Hinsicht ein überragender Dokumentarfilm. Er zeigt die Ereignisse des Sommers 2009 in Iran noch einmal aus der Sicht der ProtestantInnen, er gibt ihren Hoffnungen und Wünschen ein Gesicht und lässt die ZuschauerInnen mitfühlen. Er verleiht dem so oft verwendeten Begriff der Freiheit eine wahre Bedeutung und zeigt in aller Deutlichkeit, wie es ist, unfrei zu sein. Er vermittelt aber auch den Absturz der Hoffnung nach dem Scheitern der grünen Revolution. Er zeigt die Gewaltexzesse der Milizen, die auch nicht davor zurückschreckten, auf unbeteiligte Kinder einzuprügeln. Die Stimmung des Films ist mitunter so bedrückend, so traurig und hoffnungslos, dass frau mitweinen möchte.

The Green Wave
Deutschland, 2010
Lauflänge: 80 Minuten, HD 1:1,85
Sprachen: Deutsch, Englisch, Farsi, deutsche Untertitel
Regie und Drehbuch: Ali Samadi Ahadi
DarstellerInnen: Pegah Ferydoni, Navid Akhavan
Kamera: Peter Jeschke, Ali Samadi Ahavi
Zeichnungen: Ali Reza Darvish
Animation: Prof. Dr. Sina Mostafawy und Andreas Menn
InterviewpartnerInnen: Dr. Shirin Ebadi, Prof. Dr. Payam Akhavan, Dr. Mohsen Kadivar,
Mehdi Mohseni, Mitra Khalatbari u.a.
Kinostart: 24.02.2011
www.thegreenwave-film.com

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Beitrag vom 25.02.2011

Britta Leudolph