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Beitrag vom 16.08.2011
Shopping Girls. Kinostart: 18. August 2011
Britta Meyer
Alicja ist vierzehn Jahre alt und neu an der Schule. Ihre Kleidung ist unauffällig, ihr Handy ein uraltes Modell, ihr Benehmen freundlich und schüchtern, kurz, sie hat das Potenzial zum...
... klassischen Mauerblümchen. Dennoch nimmt eine Clique der schicksten und angesagtesten Mädchen sie unter ihre Fittiche.
Milena (Dagmara Krasowska), Kaja (Dominika Gwit) und Julka (Magdalena Ciurzynska) sind laut, rebellisch und stets nach der letzten Mode gekleidet. Den Großteil ihrer Freizeit verbringen sie im örtlichen Einkaufzentrum, wo sie nicht nur einkaufen, klauen und Eis essen, sondern auch Männer ausfindig machen, die ihren täglichen Konsumrausch finanzieren – im Austausch gegen sexuelle Dienstleistungen. Dies ist leichter als erwartet. In den Kaufhäusern sitzen ständig Männer mittleren Alters herum, die völlig unverhohlen die minderjährigen Mädchen taxieren und nur darauf warten, von ihnen angesprochen zu werden. Sex ist nichts als eine zum Verkauf stehende Ware, eine Möglichkeit für die Mädchen, sich all die teuren Dinge zu leisten, die sie wenigstens kurz zum Lächeln bringen. Milena und ihre Gang machen keinen Hehl aus ihrer Prostitution, Alicja (Anna Karczmarczyk) ist zwar abgestoßen, will aber in ihrer verzweifelten Suche nach Zuneigung auch unbedingt dazu gehören. Von ihrem hilflosen Vater (Artur Barcis) und ihrer vom Leben frustrierten Mutter (Izabela Kuna) ist keine Hilfe zu erwarten. Die alte Geschichte vom Gruppendruck nimmt ihren Lauf. Dass Sex keine geschäftliche Transaktion ist, sondern Menschen auch zutiefst verletzlich macht, lernt Alicja auf die schlimmste Weise...
Junge Mädchen, die sich in polnischen Kaufhäusern für teuren Lifestyle an ältere Männer verkaufen, werden seit dem Erscheinen des Films "Galerianki" (der Originaltitel von "Shopping Girls") genannt. Nach Schätzungen des Sozialpsychologen Janusz Czapinski gehen in einer Klasse von 30 SchülerInnen etwa drei Mädchen dieser Form der Prostitution nach. Katarzyna Roslaniec hat mit ihrem preisgekrönten Film einen Namen für ein sehr reales Phänomen geschaffen, welches schon seit Jahren bekannt ist, aber nur ungern öffentlich debattiert wird.
Zur Regisseurin: Katarzyna Roslaniec, geboren 1980, studierte Wirtschaft und Regie in Danzig und Warschau und besuchte einen Meisterkurs an Andrzej Wajdas Regieschule. Für "Shopping Girls" bekam sie den "Großen Jantar", den Hauptpreis des Debütfilmfestivals in Koszalin und den Preis für das beste Debüt im Wettbewerb Das Neue Polnische Kino in Gdynia. Anna Karczmarczyk wurde auf dem 19. Cottbuser Filmfestival für ihre Rolle als "Herausragende Darstellerin" ausgezeichnet.
AVIVA-Tipp: Die jungen Darstellerinnen von "Shopping Girls" sind ebenso beeindruckend, wie der konsequente Blick des Films darauf, wer kauft und wer käuflich ist. Die Perspektiven, die der Film für beide Geschlechter zeichnet, sind deprimierend realistisch: Eine Frau bist du, wenn du hübsch und sexuell verfügbar bist, ein Mann, wenn du das Geld hast, Frauen mit teuren Dingen zu "beschenken". Immer wieder leuchten den ZuschauerInnen grelle Werbeplakate entgegen, die Luxusgüter in Verbindung mit sexuell aufgeladenen Posen zeigen. Sex sells... aber zu welchem Preis?
Shopping Girls
Originaltitel: Galerianki
Polen, 2009
Regie und Drehbuch: Katarzyna Roslaniec
DarstellerInnen: Anna Karczmarczyk, Dagmara Krasowska, Dominika Gwit, Magdalena Ciurzyñska
Verleih: Peripher
Kamera: Witold Stok
Musik: O.S.T.R.
Länge: 86 Minuten
Kinostart: 18.08.2011
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.peripherfilm.de
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