In einer besseren Welt - der oscarprämierte Film von Susanne Bier. Filmstart: 17. März 2011 - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kultur



AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 17.03.2011


In einer besseren Welt - der oscarprämierte Film von Susanne Bier. Filmstart: 17. März 2011
Anna Hohle

Wie umgehen mit dem Bösen in der Welt? Kann und darf Rache jemals zur Option werden? Essentielle Fragen um Moral und Schuld stehen im Mittelpunkt dieses Dramas um den Arzt einer internationalen...




... Hilfsorganisation und dessen Familie

Anton (Mikael Persbrandt) pendelt zwischen zwei Welten: In der ersten ist er engagierter Arzt in einem afrikanischen Krisengebiet und versorgt dort tagtäglich mittellose Menschen. Die andere Welt ist seine beschauliche Heimat Dänemark, in die er regelmäßig reist, um einige Tage mit seiner Frau Marianne (Trine Dyrholm) und seinen beiden Söhnen Elias (Markus Rygaard) und Morton zu verbringen.

Doch die heimatliche Familienidylle bröckelt: Marianne kann Anton einen Seitensprung nicht verzeihen – die wachsende Distanz zwischen den Eheleuten scheint unüberbrückbar. Der zwölfjährige Elias kämpft derweil mit ganz eigenen Problemen: In der Schule ist der introvertierte Junge ein Außenseiter, der von seinen Mitschülern drangsaliert und gequält wird.

Dies ändert sich, als der gleichaltrige Christian (William Jøhnk Nielsen) in seine Klasse kommt. Die beiden Jungen freunden sich an und Christian schützt Elias vor den Übergriffen. Dass er bei diesen "Selbstverteidigungsmaßnahmen" auch vor eiskalter Gewalt nicht zurückschreckt, ist zum Teil seiner eigenen Biografie geschuldet: Seit dem Krebstod der Mutter hat sich der Junge eine emotionslose und abgebrühte Haltung zugelegt.

Wie weit darf der Einzelne gehen, wenn es um die Verteidigung gegen vermeintlich oder tatsächlich "böse", gegen amoralische Menschen geht? Bier entwickelt die moralische Essenz des Films anhand zweier paralleler Handlungsstränge an den verschiedenen Schauplätzen. Auf beiden Seiten sind die ProtagonistInnen ähnlichen Konflikten ausgesetzt:

In der Heimat versucht der Pazifist Anton, seinen Söhnen und Christian das Ideal des Gewaltverzichts zu vermitteln. Als er von einem rassistischen Autohändler geohrfeigt wird, praktiziert er das biblische Prinzip der "anderen Wange".
Christian reagiert mit Unverständnis und plant Vergeltung nach eigener Vorstellung. Frei nach der Talionsformel "Auge um Auge" will er mit all Jenen abrechnen, die aus seiner Perspektive durch ihre Handlungen Rache provozieren. Vergeblich appelliert Anton an seine Vernunft: "Er schlägt dich – du schlägst ihn – das ist Krieg!", versucht er dem verbitterten Jungen begreiflich zu machen.

Doch kann er selbst diese Haltung länger vertreten? In Afrika wird Anton eines Tages mit der Person des "Big Man" konfrontiert: ein skrupelloser regionaler Bandenchef, der für brutale Morde an Frauen verantwortlich ist. Antons afrikanische KollegInnen weigern sich, diesem "Monster" medizinische Hilfe zukommen zu lassen und der Arzt gerät in ein moralisches Dilemma. Ist er nicht per hypokratischem Eid verpflichtet, jedes Leben zu retten?

"In einer besseren Welt" behandelt essentielle moralphilosophische Fragen. Welche Mittel sind legitim, um das Leben von Schwächeren zu schützen? Verdienen Vertreter eines "radikalen Bösen" den Tod, wenn dadurch potentielle neue Opfer verhindert werden? Und wo bleibt die eigene moralische Integrität, wenn wir zur Verteidigung der Gewaltfreiheit Gewalt praktizieren?

AVIVA-Tipp: Susanne Bier präsentiert mit diesem Drama eine sensible Annäherung an ein moralisch komplexes Thema. Die Regisseurin verhandelt bedeutsame Fragen in einem spannungsreichen Plot. Der Zwiespalt der ProtagonistInnen zwischen den eigenen Idealen und der oftmals grausamen Wirklichkeit wird von den SchauspielerInnen überzeugend verkörpert.
Leider verzichtet der Film an einigen Stellen dennoch nicht auf Stereotype. Zunächst stößt das namenlose "afrikanische Land" negativ auf – eine Spezifikation hätte weniger klischeehaft gewirkt. Die Handlung erweist sich darüber hinaus einige Male als vergleichsweise vorhersehbar – insbesondere die letzten 15 Minuten wären in dieser Hinsicht eher einem schlichten Fernsehkrimi und weniger einem oscarprämierten Spielfilm angemessen. Dennoch bleibt In einer besseren Welt ein wichtiger und tiefgründiger Film, der zudem durchweg spannend inszeniert ist.

Zur Regisseurin: Susanne Bier wurde 1960 in Kopenhagen geboren. Sie studierte Angewandte Kunst in Jerusalem, Architektur in London und Regie an der Nationalen Filmschule Dänemark. Mit ihrer Abschlussarbeit, dem Kurzfilm De Saliges Ø gewann sie den ersten Preis des Internationalen Festivals der Filmhochschule München. Ihr Spielfilmdebüt Freud leaving Home - eine Komödie über die Irrungen und Wirrungen eines jüdischen Familienlebens, wurde mehrfach ausgezeichnet. Der internationale Durchbruch gelang ihr mit dem Drama Open Hearts – für immer und ewig. Dieser Film, sowie das Post-Afghanistan-Drama Brothers – zwischen Brüdern erhielten zahlreiche Preise. Mit Nach der Hochzeit war bereits 2006 ein Film der Regisseurin für einen Oscar nominiert. In einer besseren Welt erhielt einen Golden Globe sowie den Oscar in der Kategorie "bester nicht-englischsprachiger Film".
(Quelle: Presseinformation Universum Film GmbH)

In einer besseren Welt
Dänemark 2010
Regie: Susanne Bier
Drehbuch: Susanne Bier und Thomas Anders Jensen
Produktion: Sisse Graum Jørgensen
DarstellerInnen: Mikael Persbrandt, Ulrich Thomsen, Trine Dyrholm, Markus Rygaard, William Jøhnk Nielsen, Bodil Jørgensen, Elsbeth Steentoft, Martin Buch, Anette Støvlbæk, Kim Bodnia u.a.
Verleih: Universum Film GmbH
Lauflänge: 113 Minuten
Kinostart: 17. März 2011
FSK: ab 12
www.ineinerbesserenwelt-film.de

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Beitrag vom 17.03.2011

AVIVA-Redaktion