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AVIVA-BERLIN.de im Oktober 2024 - Beitrag vom 23.11.2010


Nan Goldin - Berlin Work. Fotografien 1984 bis 2009. Finissage mit Scopophilia am 26. - 27. März 2011
Sharon Adler

Die Fotoausstellung vom 20. November 2010 bis 28. März 2011 in der Berlinischen Galerie zeigt mit 80 teils noch nie gezeigten Fotografien einen umfassenden Überblick der in Berlin entstandenen ...




... Arbeiten der Ausnahmefotografin und Künstlerin.



NEWS vom 17. März 2010
Geschenk zur Finissage: "Scopophilia" im Rahmen von "Nan Goldin – Berlin Work" am 26. - 27. März 2011
Mit über 60.000 BesucherInnen geht eine der erfolgreichsten Ausstellungen der Berlinischen Galerie am 28. März zu Ende. Zum Abschluss bietet das Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur mit der Präsentation der Diashow "Scopophilia" noch eine Überraschungfür die vielen Fans der Künstlerin. Am letzten Ausstellungswochenende zeigt Nan Goldin ihr neuestes, in Paris entstandenes Werk, eine Diashow die sie auf Einladung Patrice Chéreaus schuf. Diese sollte in Beziehung zu den Themenkomplexen seiner gleichnamigen Ausstellung "Gesichter und Körper im Louvre" stehen. In dieser verbindet sie eigene Fotografien mit solchen, die sie zusammen mit einem Mitarbeiter und über einen Zeitraum von acht Monaten im Louvre aufgenommen hat. Die Bilder sind unterlegt mit der Musik von Alain Mahé, der u.a. Ovids Metamorphosen auf Latein singt. "Als ich mich das erste Mal ganz allein, am Schließtag des Museums, im Louvre befand, erlebte ich eine sehr eindrückliche Reaktion auf die Gemälde des Museums, die mich selbst überraschte. In meiner Einsamkeit und in der Stille des Raumes hatte ich plötzlich ein Erweckungserlebnis. Die Bilder lösten ein überwältigendes Gefühl aus, das mir später als "Scopophilia" beschrieben wurde: gemeint ist damit eine intensive Sehnsucht und die Erfüllung dieser Sehnsucht durch das Betrachten.", Nan Goldin
Die Präsentation wird am Samstag, dem 26. März um 18 Uhr mit einem Vortrag Nan Goldins eröffnet. Sie ist anschließend am Samstag bis 22 Uhr und am Sonntag von 10 bis 18 Uhr zu sehen.




Nan Goldins Fotografien sind Zeugnisse ihres Lebens. Sie zeigen damit nicht nur eine reine Werkschau, sondern liefern einen authentischen Einblick in die "Familie" Goldins – ihre FreundInnen und LiebhaberInnen. Seit sie mit 14 Jahren ihr liberal-jüdisches Elternhaus verließ, lebte sie in einer Subkulturszene von Drag Queens ("Drag Queens are the most beautiful people on earth"), Transvestiten und Homosexuellen zuerst in Boston und ab 1978 in New York. 1991 kam sie durch ein DAAD-Stipendium nach Berlin und lebte in der Hornstraße in Berlin-Kreuzberg. Eingeladen war sie für nur ein Jahr, aus dem mit kurzen Unterbrechungen schnell insgesamt vier Jahre wurden. Seither ist sie immer wieder in die Stadt zurückgekehrt.

"The best days in my life were in Berlin. I was truly happy and that´s probably a rare thing in my life"

© Aurélia Vartanian



Die Ausstellung NAN GOLDIN – BERLIN WORK des Landesmuseums für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur gibt mit 80 teils noch nie gezeigten Fotografien aus unveröffentlichtem Archivmaterial aus dem Besitz der Künstlerin, entstanden zwischen 1984 und 2009, einen umfassenden Überblick der in Berlin entstandenen Arbeiten. Die KünstlerInnen- und Selbstporträts, Interieurs und Stillleben werden thematisch und chronologisch präsentiert, wobei vier Bildtableaus, "grids", als narrative Sequenzen Goldins Berlin-Erfahrung und die selbstgewählte Heimat in ihrer Bedeutung als Ort künstlerischer Kreation und Veränderung zeigen: "I´ve been looking for a home all my life."

© Aurélia Vartanian


KünstlerInnenporträts, Interieurs, Selbstporträts, Stillleben und Straßenszenen spiegeln das Leben der Fotografin und ihrer FreundInnen, Bohème und AußenseiterInnen zugleich, jenseits aller Klischees: Einsam, verzweifelt, aber auch selbstbewusst posierend, glücklich und exaltiert. Goldins Arbeiten sind Momentaufnahmen, wirken wie Schnappschüsse und haben doch einen sorgsam, intuitiv erfassten Bildaufbau. Dabei geht es der Künstlerin keinesfalls um Effekthascherei und ebenso scheint sie keinen Wert auf die Meinung eines Publikums zu legen, einzig ihre FreundInnen sind ihr wichtig: "Everybody had full control over where the pictures are going to be shown, the best pictures I have ever taken are in my drawer. Friendship is more important to me than photographs, I don´t photograph strangers, friendship comes first and then the pictures." Auf die Frage, wie die von ihr Portaritierten damit umgehen, wie und dass sie in der Öffentlichkeit präsentiert werden, antwortete Goldin im Artist Talk: "I don´t think about my audience at all when I take a picture when I edit a picture, when I do a slideshow, I do nothing for the market, all I have left of my integrity is that someones doesn´t want to be in a show I don´t show them. That´s deep integrity."

Nan Goldin. Bea with the blue drink, O-Bar, West-Berlin 1984
© Nan Goldin / Courtesy Matthew Marks Gallery, New York


Durch eine Schenkung gelangte im Jahr 1996 die Arbeit "Self-portrait in my blue bathroom" (1992) in die Sammlung der Berlinischen Galerie. Die im Jahr 1991 entstandene Aufnahme von und mit Goldin entstand während einer Phase der Einsamkeit und hat bis heute nichts von ihrer Aussagekraft verloren.
Die größte Motivation für Nan Goldin war und ist: "to show people how beautiful they are".

Porträts

Nan Goldin. Kathe in the tub, West Berlin 1984
© Nan Goldin / Courtesy Matthew Marks Gallery, New York



Nicht nur der autobiografische Aspekt ihrer Arbeiten, auch deren dokumentarischer Charakter wird besonders in ihren in Berlin entstandenen Aufnahmen deutlich.
In Selbst- und das Einzelporträt nähert sie sich mit der Kamera dem Inneren der dargestellten Person/en an, wobei Berlin als neuer Erfahrungsort Goldin die Möglichkeit bot, in die KünstlerInnenszene der Stadt einzutauchen. Es entstanden neue, ungewöhnliche Aufnahmen ihrer engsten FreundInnen aus New York. Während Joey nicht mehr als "Queen" in schillernden Kostümen auftritt, sondern mit ihrem Freund Andres in intimen Momenten und beim Erleben des Berliner Nachtlebens fotografiert wird, generiert Nan Goldin mit den Porträts von Siobhan eine neue, melancholisch-strenge Bildsprache. Nan Goldin über ihre Zeit in Berlin: "Berlin was an island, a certain type of tribe of people, evryone who wanted to leave Germany came to Berlin. It was a real community of artists. Separated from the rest of the nation."

Selbstporträts

Nan Goldin. Self-Portrait in my Blue Bathroom, Berlin 1991
© Nan Goldin / Sammlung Berlinische Galerie


In ihren frühen Selbstporträts stellt sich Goldin häufig in Beziehung zu anderen Personen dar, wobei immer wieder der Spiegel als kompositorisches Element eingebunden wird. Ihr Selbstporträt im Zug ("Self-Portrait on the Train, Germany", 1992), das eine nachdenkliche und traurige Nan Goldin zeigt, aber auch das erschütternde Selbstbildnis, Ende einer ihrer "gefährlichen Liebschaften", "Nan after being battered" zeugen von einer Lebensphase, steht für eine Dokumentation ihres Privatlebens, eines Tabubruchs, zu zeigen, wie eine Frau aussieht, nachdem sie von ihrem Freund beinahe zu Tode geprügelt wurde: "My work has always been political – some people have changed their sexuality because of my work."
Besonders wurden immer wieder ihre Aufnahmen diskutiert, die sie bei sexuellen Aktivitäten zeigen – auch diese sind in der Berlinischen Galerie zu sehen.

Interieurs

Wedding Bed, Pension Nürnberger Eck, Berlin 1996
© Nan Goldin / Courtesy Matthew Marks Gallery, New York


Ein immer wiederkehrendes Motiv Goldins sind Innenräumen – leere, häufig zerwühlte Betten und Hotelzimmer: Suiten in teuren Fünf-Sterne-Hotels über heruntergekommene Absteigen bis zu Matratzenlagern in den WGs der achtziger Jahre und sorgfältig komponierten Settings in ihrem eigenen Apartment. Dabei will sie nicht nur auf das Bett als sexuell konnotiertes Möbelstück hinweisen, sondern auch auf den transitorischen Aspekt eines Ortes, der für unterschiedlichste Menschen zu einer temporären Heimat wird und in seiner Anonymität lebt.

Stillleben

Die Schnappschussästhetik Goldins täuscht über den Sachverhalt hinweg, dass sie, ausgestattet mit einem geschulten kunsthistorischen Blick, ihre Aufnahmen auch stets komponiert.
Kunsthistorische Verweise, angefangen bei Spiegeln, Bildern und Konstellationen im Bild, zeigen deutlich, dass ihre Fotos nicht ausschließlich aus dem Affekt heraus entstehen.

© Sharon Adler


Nan Goldin, die sich in die Ausgestaltung ihrer Ausstellung in Berlin aktiv eingebracht hat, steht dem Medium der Fotografie kritisch gegenüber, schätzt seine Grenzen und Möglichkeiten realistisch ein:
"I much prefer slideshows, I always wanted to be a filmmaker sincer I was a a teenager. I don´t think a single photo can say that much, to picture a person one needs more than one portrait."

Vor allem aber ist sie, die viele ihrer FreundInnen durch AIDS verloren hat, geprägt von dem Wissen um das Unvermögen der Fotografie, Menschen und Erinnerungen zu konservieren, sie durch die bloße Existenz auf Film am Leben zu erhalten.

"Photography betrayed me – I started with photography because of the death of my sister, i did not want to loose anybody anymore but I found out after the death of Cookie Müller who died of AIDS, that no Picture would bring her life back."


Nan Goldin - Berlin Work. Fotografien 1984 bis 2009

Die Ausstellung wird von diversen Events begleitet.
Weitere Infos zum Rahmenprogramm finden Sie unter: www.berlinischegalerie.de

Veranstaltungsort: Berlinische Galerie
Alte Jakobstraße 124-128
10969 Berlin
Öffnungszeiten: Mi bis Mo, 10:00 bis 18:00 Uhr
www.berlinischegalerie.de

Lesen Sie auch unsere Rezension zu "Female Trouble", den Katalog zur gleichnamigen Ausstellung mit provozierenden Fotografien von Künstlerinnen wie Grete Stern, Ellen Auerbach, Cindy Sherman und Nan Goldin.



(Quelle: Berlinische Galerie)


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Beitrag vom 23.11.2010

Sharon Adler