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Beitrag vom 22.07.2008
Der Fangschuss
Christiane Krämer
Die Verfilmung von Marguerite Yourcenar´s ersten Erfolgsromans über eine fatale Liebesbeziehung, Gewalt und Klassenkampf mit Margarethe von Trotta ist endlich auf DVD erhältlich
Zum 105. Geburtstag von Marguerite Yourcenar wird das Drama um eine fatale Liebesbeziehung zwischen Adel und Revolution filmisch neu aufgelegt. Die französische Schriftstellerin und Philosophin wandte sich selbst gegen die Normen der Bourgeoisie und die Grenzen ihrer Zeit und wanderte 1939 mit ihrer Lebensgefährtin nach Amerika aus, im selben Jahr wurde ihr Roman ein Welterfolg.
Die französische Schriftstellerin Marguerite Yourcenar (ursprünglich: Marguerite de Crayencour) ist geboren am 8. Juni 1903 in Brüssel und gestorben am 17. Dezember 1987 in Bar Harbor, Mount Desert Island, Maine/USA. 1980 wurde sie als erste Frau in die 350 Jahre alte Académie Française aufgenommen.
Der Fangschuss
Ãœberlebenskampf im Schnee
Zwei Reiter durchqueren eine düstere schwarz-weiße Landschaft, es schneit unaufhörlich. Wir befinden uns in der kargen Winterlandschaft des Baltikums im Jahr 1919 und mitten im Bürgerkrieg nach der Revolution. Auf einem Schloss haben sich der preußische Offizier Erich von Lhomond und seine Soldaten eingenistet, um kommunistische Widerstandskämpfer mit schwerem Geschütz und stählernen Kanonen mürbe zu machen.
Frontenwechsel
Das Palais der Sophie von Reval und ihres Bruders Karl erscheint als heller und überordentlicher Kontrapunkt der wüsten Kampfszenerie. Die junge Adlige verliebt sich in Erich, den kalten Offizier mit gestärkter Uniform und eckigem Kinn und zögert nicht, ihm seine Liebe zu gestehen. Doch der Umgarnte weist sie ab, woraufhin sich Sophie mit verschiedensten Soldaten einlässt. In ihren Gefühlen gedemütigt, schließt sich Sophie den Revolutionären an, verlässt die reaktionären Adligen und Militärs und wechselt die Klasse, in der sie als Frau nichts zu melden hat. Doch die Ihrigen lassen sie nicht ohne Weiteres entkommen und so muss Sophie letztlich dem Tod ins Auge sehen – allerdings nicht ohne sich auf ihre unvergessliche Weise an ihrer großen Liebe zu rächen.
Gewalt und Geschlechterkampf
Die psychische Gewalt wird in den ausstaffierten und mit zahlreichen Geweihen versehenen Zimmern und endlosen Fluren des Schlosses räumlich visualisiert, aus deren Enge sich die in Bedrängnis geratene Sophie befreit, die selbst zur Staffage zu gehören scheint. Der unbewegliche Offizier selbst kann Gefühle nur in der ihn umgebenden Soldatenwelt mit Männern zeigen, und Sophie verdächtigt ihn, aus diesem Grunde Krieg zu führen. Doch auch für Erich führt das verstaubte Männerbild letztlich zu einer unausweichlichen Niederlage, welche in der symbolischen Hinrichtung verbildlicht scheint.
AVIVA-Fazit: Volker Schlöndorffs Verfilmung des Kultromans von Marguerite Yourcenar transportiert die statische Situation einer zum Untergang verurteilten Klasse, die zudem die Interpretation der Geschlechterrollen lähmt, aus der Sophie immer wieder auszubrechen versucht. Die Unmöglichkeit von freier Liebe auch zwischen gleichen Geschlechtern wird dabei dezidiert angedeutet. Die gleichmütigen Bilder und die theaterhafte Inszenierung sind heute schwer adaptierbar obwohl sich die Reinterpretation des spannenden Stoffes aufdrängt. Dies belegen die Interviews mit Regisseur und Protagonistin als feines Extra auf der DVD !
Der Fangschuss
Deutschland 1976
Buch: Margarethe von Trotta, Genevieve Dormann, Jutta Brückner
Regie: Volker Schlöndorff
DarstellerInnen: Margarethe von Trotta, Matthias Habich, Rüdiger Kirschstein, Mathieu Carrière
Verleih: Kinowelt Home Entertainment. DVD-Start: 25.07.2008
Lauflänge: 93 Min.
Sprachen: deutsch
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 1976
"Der Fangschuss" im Netz unter:
www.kinowelt.de
www.arthaus.de