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Beitrag vom 05.05.2010
Ayla
Katharina Liese
Regisseur Su Turhan thematisiert in seinem beeindruckenden Leinwanddebüt, in dem das emanzipierte Leben der jungen, unabhängigen Deutschtürkin Ayla im Fokus steht, die Zerrissenheit zwischen...
...den beiden Kulturen.
Nach dem Drama Die Fremde von Feo Aladag erscheint im Mai 2010 der Kinofilm "Ayla" des deutsch-türkischen Regisseurs Su Turhan, der ebenfalls das Thema Ehrenmord in der Parallelgesellschaft aufgreift.
Ayla (Pegah Ferydoni) ist eine emanzipierte Frau, die ein selbstbestimmtes Leben führt. Sie lebt in München in ihrer eigenen Wohnung und ist nicht verheiratet. Ein Szenario, das auf den ersten Blick normal scheinen mag. Doch Ayla ist eine Deutschtürkin, die aus einer konservativen Familie stammt. Ihr Vater (Baris Sezer) hat aufgrund ihrer westlichen Wertvorstellungen mit ihr gebrochen.
Tagsüber arbeitet sie als Erzieherin in einem Kindergarten und abends jobbt sie als Garderobiere in einem Nachtclub. In den Augen ihres Vaters bringt sie durch ihr rebellisches Verhalten entgegen alter Traditionen Schande über die türkische Familie.
Eines Tages trifft Ayla auf den sympathischen Fotografen Ayhan (Mehdi Moinzadeh), der ebenfalls türkischer Herkunft ist. Auf den ersten Blick verspricht diese Begegnung der Anfang einer großen Liebe zu sein. Doch schnell lässt sich vermuten, dass die überholten Ansichten von Ayhans Familie dem Paar Schwierigkeiten bereiten wird. Vor allem sein jüngerer Bruder Mehmet (Timur Isik) ist, was die Familienehre betrifft, äußerst rigoros und kompromisslos. Daher gibt er Ayhan zu verstehen, dass die Familie eine Frau wie Ayla niemals akzeptieren kann.
Zwischen den frisch Verliebten entfacht eine zärtliche Liebe, die jedoch nicht lange ungetrübt bleibt. Bei der Arbeit lernt Ayla die kleine, eingeschüchterte Elif (Mehtap Yurtseven) kennen. Als sich ihre Mutter Hatice (Sesede Terziyan) eines Tages panisch im Kindergarten vor einem Mann versteckt, begreift Ayla was die junge Frau plagt, fackelt nicht lange und versteckt sie bei sich zu Hause.
Denn auch Hatice möchte ein eigenständiges Leben führen und hat ihren Mann in der Türkei verlassen. Doch der streng muslimischen Familie ist die Ehre wichtiger, als die Liebe zu ihrer Tochter. Dem ältesten Bruder wurde daher auferlegt, die Schwester mit allen Mitteln "zur Vernunft zu bringen" und noch schlimmer: die Familienehre wiederherzustellen.
Ayla muss durch Zufall schmerzlich feststellen, dass es sich bei dem gefürchteten großen Bruder, vor dem Hatice auf der Flucht ist, um keinen Geringeren als Ayhan handelt. Mit ihrem Gerechtigkeitssinn kämpft Ayla wie eine Löwin für die Unabhängigkeit und Freiheit Hatices, nimmt den Verlust ihrer großen Liebe in Kauf und lehnt sich somit erneut gegen die patriarchalischen Bräuche auf.
Im Laufe der Handlung wird die innere Unruhe Aylas immer deutlicher, die durch ihre Lebensweise ein großes Opfer bringen musste: sie verlor ihren Vater und damit auch ein Stück Heimat und Geborgenheit. Ayla ist fortwährend auf der Suche nach ihrer eigenen Identität und man hofft, dass sie letzten Endes zu sich selbst finden wird.
Die ZuschauerInnen spüren die Zerrissenheit der mutigen Protagonistinnen, die einen Kampf zwischen den Kulturen ausfechten. Der althergebrachten Tradition stehen in Form von starken Frauenfiguren Mut und Selbstbestimmung gegenüber. Durch das immer wiederkehrende Motiv von Straßenbahnschienen wird jedoch die Ausweglosigkeit zum Ausdruck gebracht, die mit der verfahrenen Situation einhergeht.
Wird der sensible Ayhan, der als ältester Bruder von der Familie gehörig unter Druck gesetzt wird, es über`s Herz bringen den Mord an seiner Schwester zu begehen, um die Familienehre wieder herzustellen?
In einer spannenden Erzählung bringt der Regisseur Su Turhan mit seinem Spielfilmdebüt eine ernste Thematik auf die Leinwand, die bis zur letzten Sekunde fesselt. Die Schauspielerin Pegah Ferydoni, die unter anderem in der TV-Serie "Türkisch für Anfänger" und im Kinofilm "Zweiohrküken" mitspielte, brilliert in ihrer ersten Kinohauptrolle. Wie Su Turhan in einem Interview erzählte, habe sie beim Casting zum Film eine klare Favoritin Turhans regelrecht an die Wand gespielt. Davon ist die Zuschauerin überzeugt, wenn sie sieht, wie authentisch Ferydoni die durch ihren unbändigen Willen gesteuerte, moderne Frau verkörpert.
AVIVA-Tipp: "Ayla" ist ein eindrucksvolles Drama, das unter die Haut geht. Es greift die zeitgemäße Problematik der Zerrissenheit zwischen den Kulturen auf und beleuchtet dabei auf spannende Weise alle Blickwinkel der Beteiligten. Es werden zwar viele Klischees aufgezeigt, die jedoch leider auch in der Realität zu oft bedient werden. Daher ist es umso wichtiger, rund um das Thema Ehrenmord und überholte Traditionen zu diskutieren und mit einem Film dieser Art eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Das stärkste und wirksamste Mittel gegen den grausamen Brauch ist, wie "Ayla" demonstriert, die Liebe - doch leider nicht immer!
Zum Regisseur: Su Turhan kam am 1. Januar 1966 in Istanbul zur Welt. Als er zwei Jahre alt war, wanderte seine Familie nach Deutschland aus. An der LMU München studierte er Neue Deutsche Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt Filmphilologie. Von 1995 bis 1999 engagierte er sich als freier Mitarbeiter bei der Taurus Film GmbH (KirchGruppe). Er baute die Abteilung "Deutsche Produktion” mit auf und betreute internationale Projekte.
Nach dem Kinokurzfilm "Der Schlüssel" (1998) gelang es Su Turhan, den international gefeierten Kameramann Michael Ballhaus für seinen zweiten Kurzfilm "Gone Underground" (2000) zu begeistern. Für seinen ersten Kinospielfilm "Ayla" (2009) schrieb Su Turhan gemeinsam mit Beatrice Dossi das Drehbuch. Gleichzeitig arbeitete er an dem Drehbuch zur Komödie "Ali gegen Alle" und adaptierte Verena Wermuths Bestseller "Die verbotene Frau". In Vorbereitung ist derzeit das Projekt "Floating Rita", an dem Su Turhan ebenfalls als Autor und Regisseur beteiligt ist.
(Quelle: Presseinformation)
Ayla
D 2009
85 Minuten
Regie: Su Turhan
Drehbuch: Su Turhan, Beatrice Dossi
DarstellerInnen: Pegah Ferydoni, Mehdi Moinzadeh, Saskia Vester, Timur Isik, Türkiz Talay, Sesede Terziyan, Mehtap Yurtseven, Baris Sezer, Yavuz Asanatucu, Ercan Karacayli, Benedikt Hösl, Thomas Honsberg, Thomas Stang
Verleih: Zorro Film GmbH
Kinostart: 6. Mai 2010
Ayla im Netz: www.ayla-film.de
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