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Beitrag vom 02.03.2010
Agora - Die Säulen des Himmels
Lisa Erdmann
Regisseur Alejandro Amenábar errichtet mit seinem fünften Spielfilm ein prunkvolles Denkmal für eine der mutigsten und klügsten Frauen des antiken Ägyptens und entführt seine ZuschauerInnen mit...
... atemberaubenden Bildern und imposanten Kulissen auf eine dramatische Zeitreise ins späte 4. Jahrhundert.
Wir schreiben das Jahr 391 n. Chr.: Vier Jahre vor der Teilung des Römischen Reiches ist die ägyptische Hafenstadt Alexandria sowohl wirtschaftliches, geistiges, als auch politisches Zentrum der römisch-hellenistischen Welt und im gesamtem Mittelmeerraum bekannt. An der Bibliothek der Metropole lehrt Hypatia (Rachel Weisz), die emanzipierte Tochter des Mathematikers und Philosophen Theon (Michael Lonsdale) ihre Schüler in Philosophie, Astronomie und Mathematik.
Für ihre Klugheit wird Hypatia verehrt und bewundert, von einigen ihrer männlichen Kollegen aber auch mit Argwohn betrachtet. Nicht nur ihr Geschlecht, sondern auch ihre äußert fortschrittlichen Theorien und ihre emanzipierte Lebensweise sorgen für steigendes Misstrauen.
Mit ihren Studenten hinterfragt die Philosophin das geozentrische Weltbild, in welchem die Erde und somit auch der Mensch als Zentrum des Universums, umrundet von allen anderen Planeten, betrachtet wird. Auch die Annahme, dass die Himmelskörper sich kreisförmig bewegen, stellt die Gelehrte auf den Prüfstand – lange vor Kopernikus und Galileo.
In ihrem Auditorium sitzen allerdings nicht nur gutsituierte Knaben, auch Hypatias Sklave Davus (Max Minghella) folgt ihren astronomischen Ausführungen interessiert, nicht zuletzt auch, weil er tiefe Gefühle für seine Herrin hegt. Aber auch der Schüler Orestes (Oscar Isaac), der später zum Christentum konvertiert und das Amt des Präfekten bekleidet, schwärmt für seine Dozentin und umwirbt sie regelmäßig nach dem Unterricht. Doch Hypatia ist Atheistin, sie liebt und glaubt allein an ihre Philosophie – würde sie sich an einen Mann binden, verlöre sie ihre Unabhängigkeit.
Doch nicht nur das astronomische Weltbild scheint sich zu wandeln. Der wachsende Einfluss des Christentums bringt die friedliche Koexistenz der verschiedenen Kulturen aus der Balance. Immer häufiger kommt es in der ägyptischen Weltstadt zum Streit zwischen den altgläubigen HeidInnen und den erstarkenden ChristInnen. Der Mönch Ammonius (Ashraf Barhom), Mitglied der christlich-militanten Paraboli-Kämpfer, zieht mit seinen euphorischen Reden auf der Agora das Publikum in seinen Bann und auch Davus entscheidet sich, zum christlichen Glauben überzutreten, denn diese sehen Sklaven als ihresgleichen an.
Die Freidenkerin Hypatia wird zum Feind ihrer einstigen Lehrlinge, denn die Welt, in der sie lebt, lässt Religionsfreiheit oder gar Religionslosigkeit nicht zu. Der Hass auf Andersdenkende verbreitet sich wie ein Lauffeuer in der Stadt. Den Höhepunkt des Kampfes um den einzig "wahren" Glauben bildet der Sturm auf die alexandrinische Bibliothek, bei der die radikalen religiösen AufrührerInnen ihrer Wut auf die HeidInnen freien Lauf lassen und auch die Juden Ägyptens können sich nicht länger sicher fühlen.
Auch Hypatia, die jahrelang den Schutz durch ihren Freund und toleranten Präfekten Orestes genoss, ist der Feindschaft des neuen Patriarchen Kyrill (Sammy Samir) nicht länger gewachsen und gerät immer stärker zwischen die Fronten. Doch Hypatia lässt sich weder unterdrücken noch missionieren und kämpft unerbittlich für die Wahrheit und das bedeutendste Prinzip ihrer Lehre: "Wenn zwei Dinge sich gleich zu einem Dritten verhalten, dann sind sie auch zueinander gleich. Uns alle verbindet viel mehr, als uns trennt."
AVIVA-Tipp: Alejandro Amenábars "Agora" ist ein wahres Glanzstück. Sind Historienepen zumeist weder originalgetreu noch geistreich, glänzt "Agora" hingegen mit genau dieser packenden Mischung. Nicht nur Oscar-Preisträgerin Rachel Weisz überzeugt als intellektuelle Philosophin, auch der restliche Cast ist durchweg glaubwürdig besetzt. Die erschreckende Erkenntnis, die frau nach dem Seherlebnis mit nach Hause nimmt: So klug und durchdacht eine Wissenschaft auch sein kann, gegen Fundamentalismus und radikale Ideologie wird sie immer den Kürzeren ziehen. Hypatias Theorien mussten untergehen, weil die Welt, in welcher sie gewonnen wurden, noch nicht bereit dafür war. In Zeiten des Übergangs zwischen antiker, bildungsgeprägter Hochkultur und von Unwissenheit und Aberglauben durchzogenem Mittelalter hatte das Wissen der Philosophin tragischerweise einfach keine Lobby, die es hätte erhalten können.
Agora
USA / Spanien 2009
Buch und Regie: Alejandro Amenábar, Mateo Gil
DarstellerInnen: Rachel Weisz, Max Minghella, Oscar Isaac, Michael Lonsdale, Ashraf Barhom, Rupert Evans, Homayoun Ershadi, Sammy Samir u.a.
Verleih: Tobis
Lauflänge: 126 Minuten
Kinostart: 11. März 2010
www.agorathemovie.com