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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 19.10.2009


Literaturverfilmungen von Sarah Waters auf DVD
Sunna Krause-Leipoldt

2002 veröffentlichte die BBC den Roman "Tipping the Velvet" von Bestsellerautorin Sarah Waters als Fernsehfilmreihe. Im Jahr 2005 folgte mit "Fingersmith" eine weitere Adaption. Im Oktober 2009...




... erschienen beide Produktionen in Deutschland auf DVD bei dem Label NewKSM.

Sarah Waters ist eine gefeierte, englische Autorin, die mit historischen Romanen internationale Anerkennung gewonnen hat. Ihre Bestseller "Tipping the Velvet" und "Fingersmith" sind im viktorianischen England angesiedelt und begleiten ihre weiblichen Hauptfiguren auf ihren wechselhaften Wegen durch die dunklen und strahlenden Seiten einer Gesellschaft, die sich in fast jeder Hinsicht im Umbruch befand.

"Tipping the Velvet" erzählt die Geschichte von Nancy Astley (Rachael Stirling), einem jungen Mädchen, das im Austernrestaurant der Familie an der Küste der Grafschaft Kent im Südosten von England arbeitet. Sie hat einen Freund, einen jungen Fischer, der darauf hofft, sie bald heiraten zu können, doch fühlt sie sich nicht wirklich zu ihm hingezogen. Ihre Gefühlswelt gerät durcheinander als sie eine Varietévorstellung besucht. Im entfernten London sind diese Theater, in denen es zuweilen recht derb zugehen konnte, zu jener Zeit ein großer Erfolg und stellen einen Eckpfeiler der Entwicklung der Stadt zu einer Kunstmetropole dar. Nancy ist, im Gegensatz zum Rest ihrer Familie, von der Mischung aus wenig spektakulärer Artistik und Slapstick nicht gerade begeistert. Doch das ändert sich, als Miss Kitty Butler (Keeley Hawes) mit ihrem Auftritt als Herrendarstellerin das Publikum begeistert.

Nancy verpasst danach keine einzige Vorstellung mehr, immer hoffend, dass sie am Ende von Kittys Show die Rose fängt, die diese jedes mal einer jungen Frau im Saal zuwirft. Als dies geschieht, lernen die zwei Frauen sich kennen und Nancy wird zur persönlichen Assistentin und engen Freundin der Künstlerin. Doch sie spürt, dass da mehr als nur Freundschaft ist. Ein Gefühl der Hingezogenheit, das sie bei ihrem längst vergessenen Freund nie hatte.

Als Kitty ein Angebot von einem Manager aus London bekommt, begleitet Nancy sie und wird bald selbst als "Nan King" an Kittys Seite zu einer gefeierten Künstlerin. Die Beziehung der beiden Frauen wird intensiver, als sie spüren, dass sie beide einander begehren, doch halten sie ihre Liebe geheim, um den Erfolg in der von Doppelmoral geprägten Gesellschaft nicht zu gefährden. Während die gutherzige und naive Nancy jedoch mit der Zeit zu ihrer Beziehung stehen möchte, denkt die professionelle Kitty in erster Linie an ihre Karriere und entscheidet sich, entgegen ihrer Gefühle, einen Mann zu heiraten.

Tief verletzt fällt Nan sowohl emotional als auch gesellschaftlich in ein tiefes Loch. Um zu überleben, verkauft sie sich in den dunklen Gassen Londons an besser gestellte Männer und gerät dabei an die reiche Diana Lethaby (Anna Chancellor), die sie als persönliches Eigentum für ihre sexuellen Phantasien und als Ausstellungsstück auf bizarren Partys mit Freundinnen aus ihren Kreisen missbraucht. Nancy gelingt es, sich von den Fesseln dieser Beziehung, die von Hingezogenheit, Abhängigkeit und Zwang geprägt ist, zu befreien, doch der Preis, den sie dafür zahlt, ist hoch.

"Tipping the Velvet" ist eine Reise durch das London des viktorianischen Zeitalters, seine unterschiedlichen Milieus und sozialen Schichten in großartigen Bildern, die mit viel Liebe zum Detail gestaltet wurden. Durch die gelungene Besetzung wirken die einzelnen Figuren sehr authentisch. Die ZuschauerInnen werden immer wieder aufs Neue von einer wechselhaften Handlung gefangen, die mal bedächtig voranschreitet und Zeit lässt, Emotionen wirken zu lassen und mal wie im Zeitraffer dramatische Entwicklungen durchläuft, ohne dabei hektisch zu wirken.

Einzig in den Szenen, wenn Nan und/oder Kitty ihre wunderbaren Lieder singen und die ZuschauerIn einen Eindruck davon bekommt, wie streng die ProduzentInnen sogar auf die sprachlichen Aspekte einer korrekten historischen Darstellung geachtet haben, kommt die Vermutung auf, dass diese großartige BBC-Produktion mit der deutschen Synchronisation etwas von ihrem Zauber verloren hat. Glücklicherweise ist auf der DVD neben der deutschen Übersetzung auch die Originaltonspur vorhanden, so dass die KäuferIn auf dieses Erlebnis nicht verzichten muss.


"Fingersmith" ist der dritte Roman von Sarah Waters und wurde von der BBC 2005 verfilmt.

Auch der Fokus dieser Geschichte liegt auf der Beziehung zweier Frauen zueinander, die auf den ersten Blick scheinbar nichts gemeinsam haben. Die Geschichte beginnt in einem Londoner Elendsviertel bei der kleinen Susan (Sally Hawkins). Ihre Mutter wurde wegen Mordes gehängt, als sie noch ein Baby war und nun wächst sie bei der alten Mrs. Sucksby (Imelda Staunton) auf, die gegen Bezahlung ungewollte Kinder aufnimmt und ihren Lebensunterhalt durch Diebstahl und Betrügereien bestreitet.

Die Geschichte der zweiten Frau beginnt in einem Irrenhaus außerhalb der Stadt. Dort wächst die Waise Maud (Elaine Cassidy) auf, nachdem ihre Mutter, eine Insassin der Anstalt, bei der Geburt gestorben ist. Eines Tages kommt ein unheimlicher, älterer Herr zu Besuch, der von sich behauptet, ihr Onkel zu sein. Er lässt das kleine Mädchen auf seinen großzügigen Landsitz in Briars kommen und bildet es dort zu seiner Sekretärin aus.

Ein kurzer Zeitraffer zeigt, wie Maud über die Jahre hinweg zu einer jungen Frau heranwächst, während sie in der Bibliothek ihres Onkels arbeitet. Eines Tages kommt ein junger Mann zu Besuch, der ihr angeblich bei ihrer Arbeit helfen und ihr das Malen beibringen soll. Wie sich herausstellt, handelt es sich dabei um den Hochstapler Richard "Gentleman" Rivers (Rupert Evans), der später in London Mrs. Sucksby einen Plan unterbreitet, wie er an das Erbe von Maud, von dem diese nichts ahnt, kommen will. Susan soll bei diesem Vorhaben eine Rolle übernehmen und dafür zusammen mit ihrer "Familie" einen Teil der Beute bekommen. Der Plan geht zunächst auf, jedoch anders als es die ZuschauerIn erwarten würde.

An diesem Punkt wird die Handlung zurückgedreht und mit Beginn des zweiten Teils aus der Perspektive von Maud neu erzählt. Viele bekannte Szenen, die zu Beginn eindeutig schienen, bekommen nun eine neue Bedeutung und liefern die Erklärung für die unerwartete Wendung des Plots Die beiden Frauen, die - durch Standesunterschiede getrennt – zu Beginn nichts gemeinsam zu haben schienen, sind tatsächlich seit ihrer Geburt mit einander verbunden. Auch die Rollen von "Gentleman" und Mrs. Sucksby in dieser Intrige, deren eigentliche Bedeutung sich nach und nach entfaltet, werden neu definiert und der ZuschauerIn bleibt nichts anderes übrig, als geduldig abzuwarten und sich immer wieder neu überraschen zu lassen.

"Fingersmith" ist in der Handlung stärker an einem Krimi orientiert als "Tipping the Velvet" und eher von zwischenmenschlichen Konflikten als dem Kampf mit dem Schicksal geprägt. Dies ermöglicht überraschende Enthüllungen und Veränderungen in der Sicht auf einzelne Charaktere, die es schaffen, echte Verblüffung zu erzeugen, ohne konstruiert oder unlogisch zu wirken.

Was diesem Film, trotz seines sehr guten Plots leider fehlt, ist die Begeisterung für den Zeitgeist, die der andere beim Publikum wunderbar weckt. Die Arbeit an der historischen Authentizität wirkt solide, jedoch nicht so liebevoll wie in "Tipping the Velvet".
Auch bei der Beziehung von Maud und Susan will der Funke nicht recht überspringen. Während die ZuschauerIn bei Nan und Kitty ganz nah dran ist, mit ihnen lacht, trauert und hofft und sowohl Euphorie als auch tiefe Niedergeschlagenheit mitfühlt, bleibt in "Fingersmith" immer eine gewisse Distanz zu den Figuren bestehen.

AVIVA-Tipp: "Tipping the Velvet" und "Fingersmith" sind Bestseller, für die ihre Autorin Sarah Waters eine Reihe von Preisen und Auszeichnungen erhalten hat. Mit den gleichnamigen Fernsehproduktionen sind der BBC beeindruckende Adaptionen gelungen, die überaus aufwendig und mit einer Liebe für Details produziert wurden, wie man sie bei TV-Filmen leider nur sehr selten zu sehen bekommt.
Die BBC hat sich nicht gescheut, beiden Romanvorlagen die Länge zuzugestehen, die sie verdienen. Die Verfilmungen glänzen deswegen nicht nur mit opulenten Bildern, sondern vor allem mit einer beeindruckenden Handlungstiefe und Komplexität. die den Figuren selbst und ihren Beziehungen zueinander ausreichend Zeit zur Entwicklung lässt.

Zu den Hauptdarstellerinnen in "Tipping the Velvet": Rachael Stirling, 1977 in London geboren, ist eine erfolgreiche Schauspielerin, die bereits vor ihrem großen Durchbruch im Fernsehen mit "Tipping the Velvet" in einer Reihe von kleineren Kino- und TV-Produktionen aufgetreten ist und auch auf der Theaterbühne und beim Radio gearbeitet hat. 2003 wurde sie für ihre Rolle in dem hier vorgestellten Film mit dem Sir James Carreras Award als neues Talent geehrt.
Keeley Hawes, 1976 in London geboren, wirkte bereits seit 1989 in diversen Fernsehproduktionen mit. Ihren Durchbruch hatte sie 2002 mit der in Großbritannien sehr erfolgreichen Serie "Spooks". Seitdem hatte sie neben der Arbeit im Fernsehen Rollen in bekannteren Kinofilmen wie "The Bank Job" und lieh von 2006 bis 2008 der Zeichentrickfigur Lara Croft in der Reihe "Tomb Raider" ihre Stimme.

Zu den Hauptdarstellerinnen in Fingersmith: Sally Hawkins, 1976 in London geboren, begann ihre Karriere beim Theater und hatte ihre erste Fernsehrolle 2002 als die Zofe Zena Blake in "Tipping the Velvet". Es folgten weitere Auftritte, Fernsehproduktionen und kleinere Kinofilme wie zum Beispiel "Cassandra´s Dream" mit Colin Farrell und Ewan McGregor.
Elaine Cassidy, geboren 1979 in Dublin, begann ihre Karriere als Filmschauspielerin mit dem Kurzfilm "The Stranger Within Me". Danach spielte sie unter anderem in dem Horrorfilm "The Others" mit Nicole Kidman und diversen Fernsehproduktionen mit. Für ihre Rolle in "Disco Pics" erhielt sie 2003 den IFTA Award, für den sie 2005 für "Fingersmith" erneut nominiert wurde. Seit August 2009 läuft auf Pro7 die Serie "Harper´s Island" mit ihr in einer der Hauptrollen.

Zur Autorin Sarah Waters wurde 1966 in Wales geboren und hat einen Ph.D. in Englischer Literatur. Sie ist Trägerin des Betty Trask Award und des Somerset Maugham Award. Im Jahr 2003 wurde sie von British Book Awards, The Booksellers´ Association und Waterstone´s Booksellers jeweils unabhängig zur Autorin des Jahres ernannt und kam auf die Liste der Best of Young British Novelists. Für "Fingersmith" erhielt sie den CWA Ellis Peters Dagger Award und den South Bank Show Award. Auch ihr zweiter Roman "Affinity" wurde von der BBC für das Fernsehen verfilmt.
Weitere Infos und Kontakt: www.sarahwaters.com

Mehr Infos zu den Verfilmungen von Sarah Waters Romanen finden Sie unter:
www.bbc.co.uk/drama





Tipping the Velvet
OT: Tipping The Velvet
Label: NewKSM, VÖ: Kauf-DVD: 22.10.2009
DarstellerInnen: Rachael Stirling, Keeley Hawes, Hugh Bonneville, Jodhi May, Sally Hawkins
Regie: Geoffrey Sax
Produktionsland/Jahr: Großbritannien 2002
FSK: ab 12 Jahren
Laufzeit: ca. 156 Minuten
Bildformat: 16:9, 1.78:1
Tonformat/Sprache: Deutsch (Dolby Digital 5.1, 2.0), Englisch (Dolby Digital 2.0)
Verpackung: Single DVD Box im Schuber, Besonderheiten: Wendecover, Schuber, Booklet
Extras: Biographien, Bildergalerie, Trailer
Bestellnummer: K1146, EAN Code: 4260181981468
Anzahl Disks: 1
22,95 Euro



Fingersmith
OT: Fingersmith
Label: NewKSM, VÖ: Kauf-DVD: 22.10.2009
DarstellerInnen: Sally Hawkins, Elaine Cassidy, Charles Dance, Rubert Evans
Regie: Aisling Walsh
Produktionsland/Jahr: Großbritannien 2005
FSK: ab 12 Jahren
Laufzeit: ca. 181 Minuten
Bildformat: 16:9, 1.78:1
Tonformat/Sprache: Deutsch (Dolby Digital 5.1, 2.0), Englisch (Dolby Digital 2.0)
Verpackung: Doppel DVD Box mit Schuber, Besonderheiten: Wendecover, Schuber, Booklet
Extras: Behind The Scenes, Bildergalerie, Biographien, Trailer
Bestellnummer: K1145, EAN Code: 4260181981451
Anzahl Disks: 2
22,99 Euro


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Beitrag vom 19.10.2009

AVIVA-Redaktion