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Beitrag vom 01.10.2009
Die Kinder der Seidenstraße - Ein Film von Roger Spottiswoode
Iella Peter
Inspiriert von wahren Begebenheiten, erzählt der, leider sehr idealisierende und glorifizierende, Film von dem britischen Reporter George Hogg. Im kriegsgebeutelten China, Ende der 1930er Jahre,...
... rettete er couragiert das Leben von 60 chinesischen Waisenkindern.
Kein besonders differenzierter Film ist dem Regisseur Roger Spottiswoode hier gelungen. Auch wenn zu spüren ist, dass er mit hohen Ansprüchen an das Projekt herangegangen ist, sind die einzelnen Figuren und ihre Beziehungen zueinander zu klischeehaft und plakativ dargestellt worden. Zu sehen ist dies, wenn beispielsweise die kommunistischen Widerstandskämpfer zu jovialen und offensichtlich dem Helfersyndrom verfallenden Menschen stilisiert werden. Denn scheinbar selbstverständlich wird der junge Journalist Hogg in einer gefährlichen Lage von ihnen gerettet und postwendend zum vertrauten Freund des Partisanenführers erkoren.
Als George Hogg 1937 in China eintrifft, haben die JapanerInnen den Nordosten des Landes eingenommen. Als Idealist stürzt sich der britische Reporter mitten ins Geschehen und lässt sich in die damalige chinesische Hauptstadt Nanjing bringen.
Dort wird er Zeuge eines furchtbaren Massakers an chinesischen ZivilistInnen. Es gelingt dem jungen Mann, Beweisfotos zu schießen, er wird aber kurz danach von den JapanerInnen verhaftet. Als seine Fotos entdeckt werden, soll er noch an Ort und Stelle hingerichtet werden. In letzter Sekunde wird George von dem chinesischen Partisanenführer Jack Chen, dargestellt von Chow Yun Fat, gerettet. Chen organisiert im Verborgenen den Widerstand gegen die japanische Besatzung. Leider, wie schon beschrieben, wird die Figur des Widerständlers auf recht einseitige Weise dargestellt. Als dynamitliebender Haudegen, könnte seine Rolle auch bestens in einem amerikanischen Western angesiedelt sein.
Chen und Lee Pearson, eine amerikanische Krankenschwester, schicken den jungen Mann nach Huang Shi, einem kleinen, weit vom Kriegstreiben entfernten Ort, um ihn dort seine Verletzungen auskurieren zu lassen.
Dort angekommen, entdeckt er in einem von Ratten und Unrat verseuchten ehemaligen Schulgebäude 60 Waisenjungen. Ihr anfänglicher Hass gegen den unerwünschten Eindringling weicht bald einer schüchternen Neugier. Hogg macht das Beste aus der Situation und beginnt das Gebäude wieder richtig bewohnbar zu machen. Mit Hilfe der Jungen repariert er den alten Stromgenerator und ersteht Saatgut in der nächstliegenden Stadt.
Eine weitere Errungenschaft ist das auf dem Gelände neu entstehende Basketball-Feld. Andere, chinesische Spiele, scheinen in Hoggs für die Kinder vorgesehenen Welt nicht zu existieren. Anstatt sich mit diesem, kritisch zu betrachtenden Aspekt von Hoggs Persönlichkeit, auseinanderzusetzen, glorifiziert Spottiswoode, völlig unkritisch, die Person George Hogg zu einem Gutmenschen aller erster Güte.
Ein wenig mehr Plastizität bietet die Rolle Lee Pearsons. Sie kam nach China, um den bestehenden gesellschaftlichen Pflichten ihres Heimatlandes zu entfliehen. Anfangs, ebenso wie Hogg, blind idealistisch, realisiert sie schnell, dass es in den bestehenden Zeiten für die Opfer, die Zivilisten, ums nackte Überleben geht und es nicht lohnt, überkommender moralischer Vorstellungen anzuhängen.
Sie will, zum Erstaunen Hoggs, als Krankenschwester Verletzte durch Amputation vor dem sicheren Tod retten, auch ohne speziell als Chirurgin ausgebildet zu sein. Diese sehr starke Seite ihrer Persönlichkeit, aber auch gleichzeitig die vor George sorgfältig versteckte Morphiumsucht, geben ihrer Person Authentizität.
Nachdem Jack Chen George von den herannahenden JapanerInnen unterrichtet, entschließt dieser sich, mit den Kindern über die Seidenstraße tief nach Westchina vorzudringen. Dort, so hofft er, werden seine Schutzbefohlenen vor dem Zugriff der Japaner geschützt sein. Lee schließt sich dem Plan an und gemeinsam rüsten sie sich und die Kinder für den langen Marsch nach Shandan, einem Dorf am westlichen Ende der Wüste Gobi.
Kurz vor Beginn der ungewissen Reise bringt sich ein Junge aus der Gruppe um. Seine Angst, das gerade geschaffene Glück durch die Flucht vor den Japanern zu verlieren, ist zu groß. Lee erzählt später unter Tränen, dass sie diese Wendung hätte ahnen müssen, da sie die traurige Familiengeschichte des Jungen kannte.
Die Lebens- und Leidensgeschichten der Waisenjungen werden in dem Film kaum beleuchtet und wenn, so nur, wie in der zuvor beschriebenen Szene, kurz angerissen. Dem Film hätte es gut getan, die Leben seiner eigentlichen HauptprotagonistInnen ein wenig mehr in den Vordergrund zu stellen und nicht der Liebe zwischen Hogg und Pearson den Vorrang zu geben.
Letztlich gelingt die Reise ans Ende der Welt tatsächlich und Hogg schafft es mit vereinten Kräften, die Kinder ans sichere Ziel zu bringen. Tragischerweise besiegelt eine kleine, von Hogg nicht beachtete Wunde, sein Schicksal. Die Verletzung infiziert sich und er erkrankt an Tetanus. Die verzweifelten Versuche, sein Leben zu retten, schlagen fehl. George Hogg stirbt und wird im Beisein all seiner Kinder beerdigt.
Im Film ist George in seinen letzten Stunden vom Glück der erfolgreichen Reise erfüllt und hinterlässt Lee und den Kindern, so wird es beschrieben, ein Vermächtnis, das sie optimistisch und hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lässt. Es scheint dabei keinerlei Platz für Angst, Bitterkeit oder Sorge über die Zukunft geben zu dürfen.
Auch die im Abspann gezeigten Originalaufnahmen der inzwischen zu greisen Männern gewordenen Waisenjungen, werfen ein rein positives Licht auf den Menschen George Hogg und führt zu einer kritiklosen Heroisierung seiner Person.
AVIVA-Fazit: Schade! Dieser Film hätte das Potential gehabt, die wirklich eindrucksvolle Geschichte des jungen Journalisten George Hogg zu einem vielschichtigen Kinoerlebnis zu machen. Leider ist Spottiswoode der Versuch, die historisch-politischen Aspekte wie auch die emotionalen Ebenen der einzelnen Charaktere realistisch zu verbinden, nicht gelungen. Er ist über seine eigenen großen Ambitionen gestolpert.
Zum Regisseur: Roger Spottiswoode, geboren 1945 in Kanada, begann seine Karriere als Editor. In den frühen 1970er Jahren kam er in die USA und wechselte schließlich aus dem Schneideraum hinter die Kamera. Spottiswoode befasste sich in seiner langen Karriere mit unterschiedlichsten Projekten, von der Komödie "Stop – oder meine Mami schießt" bis hin zum Bond-Film "Der Morgen stirbt nie".
Die Kinder der Seidenstraße
Originaltitel: The Children of Huang Shi
Australien/ China/ Deutschland 2008
Buch: James McManus, Jane Hawksley
Regie: Roger Spottiswoode
DarstellerInnen: Jonathan Rhys Meyers, Radha Mitchel, Chow Yun Fat, Michelle Yeoh u.a.
Verleih: 3Rosen Filmverleih
Lauflänge: 114 min.
Kinostart: 08. Oktober 2009
Weitere Infos finden Sie unter: www.3rosen.com