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Beitrag vom 11.03.2009
35 Rum
Clarissa Lempp
Die französische Regisseurin Claire Denis spürt die leisen Zwischentöne menschlicher Beziehungen auf. Ein Film über einen Vater, eine Tochter, ihre NachbarInnen und andere Liebende.
Der Zugführer Lionel hat seine Tochter alleine groß gezogen. Die beiden sind ein eingespieltes Team, das seinem eigenen Lebensrhythmus folgt. Abends wird das Essen im Reiskocher gekocht und im Stehen eingenommen, dazu gibt es Musik aus dem Radio. Aber die Dinge verändern sich nun mal und vor allem auch die Menschen. Aus Kindern werden Frauen und Männer mit eigenen Träumen und Ideen vom Leben. Das weiß auch Lionel, nur seine Tochter Josephine will das noch nicht ganz akzeptieren. Warum sollte sie ausziehen, wo doch alles so gut läuft?
Die Regisseurin Claire Denis zeigt einfühlsam und unspektakulär, wie die Veränderung im Leben der beiden um sich greift. So müssen auch die Nachbarin Gabrielle, die auf das Mädchen Josephine aufpasste und Noé, der verwaiste Nachbarsjunge, mit dem Erwachsenwerden Josephines leben. Aber hier wird nichts tot geredet oder ausdiskutiert, das Unausgesprochene bestimmt die Atmosphäre. Der Film konzentriert sich auf die Vorausahnung und das Ergebnis der Veränderungen. Das dazwischen Geschehene, die Entscheidungen, das Hadern klammert er aus. Das lässt die Chancen und Wege der Hausbewohner fast unabwendbar erscheinen und macht die Veränderungen gleichzeitig so plötzlich und umso eindringlicher. Am Ende scheint alles so zu kommen, wie es kommen muss – und das Ende ist kein trauriges. Trotzdem schwebt die Melancholie über den letzten Bildern, wenn Lionel seinen neuen Reiskocher auspackt. Denn jede Veränderung, auch die guten, heißt auch, etwas Altes los zu lassen. Und Abschied nehmen macht eben immer ein bisschen wehmütig.
AVIVA-Tipp: 35 Rum verliert nie den Stimmungsfaden. Die Nuancen und Zwischentöne, das Uneindeutige wird von den SchauspielerInnen nicht nur getragen sondern lebendig gemacht und bis in die kleinsten Nebenrollen ist es ein unglaublich wohl gewählter Cast. Ein atmosphärisch dichter Film, der ein universales Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und einer ganz eigenen Magie folgt.
35 RUM
Frankreich / Deutschland 2008
DarstellerInnen: Alex Descas, Mati Diop, Grégoire Colin, Nicole Dogué, Ingrid Caven, u.a.
Regie : Claire Denis
Drehbuch: Claire Denis, Jean-Pol Fargeau
Kamera: Agnès Godard
Production Designer: Benoît Pilot
Schnitt: Guy Lecorne
Ton: Martin Boisseau, Dominique Hennequin
Musik: Tindersticks
Ab 5. März im Kino
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