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Beitrag vom 13.11.2008
33 Szenen aus dem Leben - ein Film der polnischen Nachwuchsregisseurin Malgoska Szumowska
Henriette Jankow
Julia Jentsch spielt eine junge Künstlerin, die durch den Tod ihrer Eltern lernen muss, erwachsen zu werden. In der deutsch-polnischen Koproduktion stand sie nach ihrer Darstellung der Liza...
... in Jiri Menzels "Ich habe den englischen König bedient" zum zweiten Mal für einen internationalen Film vor der Kamera. Es ist ihre erste Hauptrolle seit "Sophie Scholl – die letzten Tage".
Julia (Julia Jentsch) stammt aus einem sehr künstlerischen Elternhaus, in dem sie gut behütet aufwuchs. Ihre Mutter Barbara (Malgorzata Hajewska) ist eine erfolgreiche Krimi-Autorin, ihr Vater Jurek (Andrzej Hudziak) ein Dokumentarfilmer, dessen Ruhm jedoch noch aus Zeiten des kommunistischen Polens stammt. So verwundert es kaum, dass auch sie eine bildende Künstlerin wurde und den aufstrebenden Komponisten Piotrek (Maciej Stuhr) heiratete.
Innerhalb weniger Monate muss Julia allerdings lernen, dass der Tod Teil des Lebens ist. Ihre Mutter erkrankt unheilbar an Krebs. Julia und Jurek stehen ihr in der letzten Phase ihres Lebens bei, während Piotrek Aufträge im Ausland entgegen nimmt. Auch ihre Halbschwester Kaska (Iza Kuna) wendet sich in dieser schwierigen Zeit von der Familie ab. Der Vater wird zusehends labiler und erliegt nach dem Tod seiner Frau dem Alkoholismus. Kurze Zeit später stirbt er überraschend an Herzversagen. Allein und auf sich gestellt, erweist sich für Julia ihr Assistent und Freund der Familie, der wortkarge Adrian (Peter Gantzler), als beständiger Fels in der Brandung. Julia erfährt innerhalb kürzester Zeit die Härte des Lebens und erkennt, dass sie nicht länger Kind sein kann.
Momente der Liebe und der Schönheit, des Begehrens und der Schuld, der Furcht und der Freude wollen sich in diesem Film zu "33 Szenen aus dem Leben" zusammen schließen. Gleichwohl sind diese 33 Szenen aus dem eigenen Leben der Regisseurin und Drehbuchautorin Malgoska Szumowska gegriffen. Die Tochter der renommierten polnischen Schriftstellerin Dorota Terakowska und des Dokumentarfilmers Maciej Szumowksi verlor selbst kurz vor ihrem 33. Geburtstag innerhalb von sechs Monaten beide Elternteile. Sie hielt ihre Emotionen und Gedanken fest und schrieb sie kurze Zeit später in ein Drehbuch um, welches aus 33 Szenen bestand.
In der Verfilmung versuchte Malgoska Szumowska ihre Gefühlswelt darzustellen: "Meine Vorstellungen von Krankheit und Tod waren so verschieden, von dem was ich fühlte, sah und erlebte, dass ich dieses Gefühl der Absurdität und das Bedürfnis, in den unangebrachtesten Momenten zu lachen, teilen musste." So versucht auch der Film Groteske und Tragik zu balancieren. In der ungeschönten Darstellung der sterbenden Mutter zwar sehr realistisch, entbehrt die Geschichte jedoch jeder Möglichkeit, sich mit den Figuren zu identifizieren. Zu kurz erscheint die Einführung der Charaktere und die Schilderung der Familiensituation. So wirkt das Wechselspiel zwischen Humor und Tragik nicht ausgewogen, sondern unentschlossen. Darüber hinaus wird die schauspielerische Leistung von Julia Jentsch und ihren polnischen und dänischen KollegInnen durch die schlechte deutsche Synchronisation stark beschnitten. Merkwürdig erscheinen auch die Übergänge zwischen den Filmkapiteln, in denen die ZuschauerIn sekundenlang auf eine schwarze Leinwand starren muss, während aus den Lautsprechern dramatische Musik erklingt.
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AVIVA-Fazit: Sind die Ähnlichkeiten zu großen polnischen Regisseuren wie Krzysztof Kieslowski zwar spürbar, so bleiben die "33 Szenen aus dem Leben" alles in allem hinter dem Potential ihrer Geschichte zurück. Der Verlust der Eltern, das Ende einer Lebensphase, die Bande einer Familie und die Entdeckung der Liebe – das alles sind starke Themen, die in diesem Film durchaus enthalten sind. Doch er vermag es nicht, eine Verbindung zu seinen ZuschauerInnen aufzubauen. Die Szenen der Hysterie, in denen unvermittelt gelacht wird, wirken eher befremdlich, als dass sie die Anteilnahme der BetrachterInnen für das Gefühlschaos der DarstellerInnen wecken könnten.
In Bezug auf seine Rezeption ist der Film wohl ein gutes Beispiel für die Kulturspezifik des Kinogeschmacks: In Polen erzielte er große Erfolge: Am ersten Wochenende lockte "33 Szenen aus dem Leben" 40.000 BesucherInnen in die Kinos. Die deutsch-polnische Koproduktion gewann in Locarno bereits den Spezialpreis der Jury und erhielt auf dem Festival von Gdynia Preise in den Kategorien beste Regie, beste Kamera, beste Musik und beste weibliche Nebenrolle.
Zur Regisseurin: "33 Szenen aus dem Leben" ist der dritte abendfüllende Spielfilm der jungen polnischen Nachwuchsregisseurin Malgorzata Szumowska. Wie auch schon ihre Landsmänner Krzysztof Kieslowski und Roman Polanski studierte sie Regie an der weltberühmten Filmhochschule in Lodz. Bereits während ihres Studiums zeigte sie ihre Filme auf zahlreichen Festivals in Thessaloniki, Tel Aviv, Angers und Bologna. Ihr zweiter Spielfilm "Leben in mir" war auf Robert Redfords Sundance Film Festival für Independent Filme zu sehen und wurde für den European Film Award nominiert. Szumowska ist Mitglied der Europäischen Filmakademie.
33 Szenen aus dem Leben
Deutschland / Polen 2008, 96 Minuten
Regie und Drehbuch: Malgoska Szumowska
Produzenten: Raimond Goebel, Karl Baumgartner
Co-ProduzentInnen: Teresa Dworzecka, Malgoska Szumowska
DarstellerInnen: Julia Jentsch, Peter Gantzler, Maciej Stuhr, Malgorzata Hajewska, Andrzej Hudziak, Iza Kuna, Rafal Mackowiak
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 13. November 2008
Weitere Infos zum Film finden Sie auf der Homepage des Verleihs www.realfictionfilme.de
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