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Beitrag vom 27.07.2015
Still Alice - Mein Leben ohne Gestern. Ab dem 31.7.2015 auf DVD und Blu-ray
Claire Horst
Dass die Hauptdarstellerin Julianne Moore heißt, ist fast ein Garant dafür, dass dieser Film unter die Haut geht. Denn Moore verkörpert ihre Rollen so eindringlich wie kaum eine andere. In diesem...
... Fall sorgt außerdem das Thema dafür, dass niemand den Kinosaal ungerührt verlässt.
Alice Howland (Julianne Moore) ist Professorin für Linguistik, hat drei erwachsene Kinder und ein erfülltes Sozialleben. Dass ausgerechnet ihr, die ihre gesamte Karriere auf der Erforschung von Sprache und Kommunikation aufgebaut hat, plötzlich die Worte fehlen, ist zunächst keine Katastrophe. Kann ja mal passieren. Als sie aber auf ihrer gewohnten Joggingroute die Orientierung verliert, wird sie nervös. Und eine eingehende neurologische Untersuchung zeigt: Alice ist an Alzheimer erkrankt – mit gerade einmal 50 Jahren.
Die immer rasantere Entwicklung von der Diagnose über vermehrte Aussetzer bis zum völligen Verlust ihrer Erinnerung und damit ihrer gesamten Identität stellt Moore auf wirklich herzzerreißende Weise dar. Anfangs ist es vor allem die Angst vor der Zukunft, das bewusste Zusehen beim Verlust der eigenen Gedächtnisleistung, die Alice beschäftigt. Mit allen Mitteln kämpft sie gegen den Verfall an, trainiert ihr Gedächtnis, manövriert sich mit Hilfsmitteln durch den Alltag und anfangs sogar noch durch ihre Vorlesungen. Für die Zuschauerin ist das schwer zu ertragen, so sehr übertragen sich die Verwirrung und die Angst vor der nächsten Fehlleistung.
Alice weiß, dass sie immer weiter abbauen wird, sie weiß, dass sie eines Tages ihre Liebsten nicht mehr erkennen wird, und sie weiß, dass sie nichts dagegen tun kann. Wäre sie doch nur an Krebs erkrankt, wünscht sie sich einmal im Gespräch mit ihrer Tochter. Wenn man Krebs hat, tragen die Leute rosa Schleifen, organisieren Charity-Events, und man muss sich nie für die Symptome schämen.
Dass Alice einst bahnbrechende Bücher zur linguistischen Forschung geschrieben hat, dass sie sich gerade über Intellekt und Eloquenz definierte, macht ihre Lage umso schlimmer. Denn was bleibt von ihr noch übrig? Die frühe Form von Alzheimer ist zudem genetisch bedingt: Alices Kinder stehen vor der Entscheidung, sich testen zu lassen oder auf dieses Wissen zu verzichten.
Wie jede psychische oder neurologische Krankheit hat auch Alzheimer ganz direkte Auswirkungen auf das Umfeld. Wie geht frau/man mit der eigenen Mutter um, die ihre Tochter nicht einmal mehr erkennt? Wie gelingt es, Liebe und Respekt zur eigenen Ehefrau zu bewahren, wenn sie sich in die Hose macht, von der Intellektuellen zu einem anhänglichen kleinen Mädchen wird (in der Rolle des Ehemannes: Alec Baldwin)? Wie gelingt es, die Erinnerung an die Person, die da einmal war, mit dieser Fremden zu verknüpfen, die plötzlich Teil der Familie ist?
Julianne Moore lebt die Veränderung mit jeder Geste. An die Stelle der vor Energie sprühenden Blicke der Professorin tritt ein verlorenes, leeres Blinzeln, aus der gepflegten Erscheinung wird eine hilflose Person, die schließlich nur noch aus Körper zu bestehen scheint.
Ebenso berührend ist die Darstellung der Familie – jedes der Kinder reagiert anders auf die Krankheit, kämpft für sich mit der Überforderung. Damit ist diese fiktive Familie nicht allein: Alzheimer ist keine seltene Krankheit. In Deutschland leben etwa 1,5 Millionen Menschen mit Alzheimer, und etwa 20.000 davon leiden an der frühen Form, von der auch Alice betroffen ist. All diesen Menschen und ihren Angehörigen macht der Film zwar keinen Mut, denn er zeigt die Krankheit in ihrer ganzen Brutalität. Aber er hilft dabei, die Erkrankten besser zu verstehen. Wer mit Alice gelitten hat, die verzweifelt überlegt, wie das Shampoo in den Kühlschrank gekommen ist oder wo sich bloß die Toilette befindet, hat auch ein tieferes Verständnis für die eigene demente Großmutter, die zehnmal die gleiche Frage stellt.
Wash Westmoreland, der den Film mit seinem Lebensgefährten und Partner Richard Glatzer gedreht hat, wollte die Krankheit aus der Innenperspektive begreiflich machen. Und genau das ist den Regisseuren gelungen. Wenn Alice beim Joggen plötzlich die Orientierung verliert, wenn ihr in der Vorlesung plötzlich die Wörter nicht mehr einfallen, ist ihre Verzweiflung fast körperlich zu spüren.
Richard Glatzer ist kurz vor der Realisierung des Films an der Muskelschwäche ALS erkrankt. Wash Westmoreland sieht Parallelen zur Filmhandlung, auch wenn es sich bei ALS um eine rein körperliche Veränderung handelt: "(...) diese wachsende Furcht, je näher die endgültige Diagnose rückt, und dieses Gefühl, mitten im Leben niedergestreckt zu werden, kannten wir nur zu gut. Weswegen wir uns ernsthaft fragten, ob wir uns wirklich diesen Film zumuten wollten." Gut, dass sie es dennoch getan haben.
AVIVA-Tipp: Für ihre Darstellung der Alice Howland wurde Julianne Moore verdientermaßen mit einem Oscar als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet.
Mehr über Alice erfahren Interessierte aus dem Roman, auf dem das Drehbuch beruht: Mein Leben ohne Gestern. Autorin ist die Neurowissenschaftlerin Lisa Genova.
Zu den Regisseuren: Richard Glatzer und Wash Westmoreland wurden 2006 beim Sundance-Festival für ihren Film "Quinceanera" mit dem Großen Preis der Jury und dem Publikumspreis ausgezeichnet. Zusammen haben sie auch den Fernsehfilm "Pedro" über den AIDS-Aktivisten Pedro Zamora gedreht. Zu ihren weiteren Filmen gehören "The Fluffer" (2001) und "Grief" (1994). Ihr jüngster Film "The Last of Robin Hood" mit Kevin Kline, Susan Sarandon und Dakota Fanning feierte 2013 in Toronto Premiere. (aus der Presseinformation)
Zu der Hauptdarstellerin: Julianne Moore ist bekannt für die Bandbreite ihrer Arbeit. Zu ihren letzten Projekten zählen der Action-Thriller "Non-Stop" mit Liam Neeson, das Remake des Horror-Klassikers "Carrie" von Kimberly Pierce sowie David Cronenbergs "Maps to the Stars", für den sie bei den Filmfestspielen von Cannes 2014 mit dem Darstellerinnenpreis ausgezeichnet wurde. Zu Moores wichtigsten Filmen gehören unter anderem "Crazy, Stupid, Love", "The Kids Are All Right", "A Single Man", "Die Vergessenen", "Die Stadt der Blinden", "Wilde Unschuld", "I´m Not There", "Children of Men", "Die Hand an der Wiege", "Das Ende einer Affäre", "Boogie Nights", "Magnolia", und "The Big Lebowski".
Der Film im Netz: www.stillalice.de
Still Alice – Mein Leben ohne Gestern
Regie und Drehbuch: Richard Glatzer und Wash Westmoreland
Produzentinnen: Christine Vachon und Pamela Koffler
DarstellerInnen: Julianne Moore, Kristen Stewart, Alec Baldwin, Kate Bosworth, Hunter Parrish u.a.
Verleih: polyband Medien GmbH
Ab dem 31.7.2015 auf DVD und Blu-ray
Technische Daten DVD und Blu-ray
DVD: STILL ALICE – MEIN LEBEN OHNE GESTERN
Best.-Nr./EAN: 4006448764197 (Mediabook DVD: 4006448764753)
Tonformat: Dolby Digital 5.1
Disc-Type: DVD-9
Ländercode: 2 PAL
Softbox im Schuber
Laufzeit: ca. 100 Min.
FSK: ab 0 Jahren
Bildformat: 16:9 (1.85:1)
Sprache: Deutsch, Englisch, Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: B-Roll, Interviews mit Julianne Moore, Kristen Stewart, Alec Baldwin und mit den Regisseuren Richard Glatzer und Wash Westmoreland inkl. Audiodeskription, um Blinden und Sehbehinderten einen barrierefreien Zugang zu ermöglichen
Blu-ray: STILL ALICE – MEIN LEBEN OHNE GESTERN
Best.-Nr./EAN: 4006448363444 (Mediabook Blu-ray: 4006448363710)
Tonformat: DTS-HD 5.1
Disc-Type: BD-50
Ländercode: ABC
Softbox im Schuber
Laufzeit: ca. 100 Min.
FSK: ab 0 Jahren
Bildformat: 16:9 (1.85:1)
Sprache: Deutsch, Englisch, Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: B-Roll, Interviews mit Julianne Moore, Kristen Stewart, Alec Baldwin und mit den Regisseuren Richard Glatzer und Wash Westmoreland inkl. Audiodeskription, um Blinden und Sehbehinderten einen barrierefreien Zugang zu ermöglichen
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