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Beitrag vom 20.12.2014
Exhibition - ein Film von Joanna Hogg. Kinostart: 11.12.2014
Helga Egetenmeier
Viv Albertine, Sängerin und ehemals Gitarristin der Punkband "The Slits" , gibt ihr Filmdebüt in der Rolle einer Performance-Künstlerin, die mit ihrem Partner in einem architektonisch...
... einzigartigen Haus in London lebt. Ihr Entschluss, es zu verkaufen, ist ihnen nicht leicht gefallen, sie befürchten, damit ihrer Ehe das Zuhause und vielleicht auch die Zukunft nehmen.
Die Arbeitsweise der Filmemacherin Joanna Hogg
Während der Aufnahmen zu ihrem ersten Spielfilm "Unrelated" stellte die Regisseurin fest, dass sie außerhalb ihres Regiejobs für das britische Fernsehen, besser ohne festes Drehbuch arbeitet und so setzte sie diese Arbeitsweise bei ihrem zweiten Film "Archipelago" und nun auch bei "Exhibition" fort. Dadurch müssen sich ihre SchauspielerInnen der Freiheit und Aufgabe stellen, ihre eigenen Worte und Ausdrucksformen nach der novellenartigen Vorgabe zu finden.
"Exhibition" entstand als chronologisch gedrehter Film innerhalb von sechs Wochen im und um das ehemalige Londoner Haus des 2012 verstorbenen Architekten James Melvin. Wie auch bei ihren anderen Filmen wurden Alltagsgeräusche, wie Baggerarbeiten, Schreie und Sirenen, zu einem wichtigen Bestandteil der Filmwahrnehmung, dafür verzichtete die Regisseurin auf stimmungsleitende Musik.
Joanna Hogg gilt als Autorenfilmerin des englischen Obere-Mittelklasse-Realismus, was sich in der Auswahl ihrer ProtagonistInnen, wie auch DarstellerInnen, widerspiegelt. Viv Albertine, eine Freundin von Hogg, und Liam Gillick, die als KünstlerInnenpaar die Hauptrolle in "Exhibition" spielen, sind auch in ihrem echten Leben KünstlerInnen. Beide standen noch nie als SchauspielerInnen - auch eine Vorliebe der Regisseurin, LaienspielerInnen in ihre Filme einzubinden - vor der Kamera und geben als "D" und "H" mit ihrer erste Hauptrolle ein anspruchsvolles Debüt.
Verschiedene BewohnerInnen
Das Londoner Haus, das die dritte Hauptrolle spielt, wurde 1969 vom Architekten James Melvin für sich und seine Frau Elsa als Wohnort für die Zeit nach dem Auszug ihrer Kinder gebaut. Regisseurin Joanna Hogg hat das Ehepaar und ihr damaliges Haus bereits vor Jahren selbst kennengelernt und den Dreh ihres Filmes an die Bedingung gebunden, dieses Haus dafür nutzen zu können.
Die Kinderlosigkeit des Hauses ist eines der Themenstränge, die im Film das Künstlerehepaar D und H beschäftigt, als sie nach knapp zwanzig Jahren ihr Haus verkaufen. Selbst bewusst kinderlos lebend, betonen sie dem Makler gegenüber, dass sie sich keine Familie mit Kindern als KaufpartnerIn vorstellen können, da sich das Haus nicht dafür eignet. Doch um KäuferInnen bemüht, kann ihnen der Immobilienmakler diesen Wunsch nicht versprechen.
Gewohnheiten und Geräusche
Seit langer Zeit haben sich D und H nun in ihrem Haus eingerichtet, getrennte Arbeitsbereiche und gemeinsame Lebensräume gehören zu ihrem eingespielten Alltag. Die knarzenden Geräusche des Hauses, die dem Paar kaum mehr auffallen, werden über lange, ruhige Kameraeinstellungen präsentiert und irritieren, da sie in der gängigen Filmsprache auf eine heranziehende Aggressivität verweisen, doch nichts Brutales erschreckt die ZuschauerIn.
Dennoch erwecken diese Geräusche, zusammen mit der routinierten Zweisamkeit des Ehepaars, die angedeuteten Beziehungsprobleme zu einer Größe, die über den erkennbaren Umgang miteinander hinaus führen. Konsequent ihrem Stil folgend, formt die Regisseurin daraus kein Psychodrama, sondern verweist still auf die Routine und Stabilität langjähriger enger und vertrauensvoller Beziehungen. Mit Szenen unterschiedlichen sexuellen Begehrens unterstreicht sie diese Haltung und distanziert sich damit von dem Anspruch auf Zuspitzungen als eigentlichem Ziel künstlerischen Ausdrucks.
Das Haus als Schutz und Herberge
Der durch eine Doppeltür gut gesicherte Eingang des Hauses scheint die beiden BewohnerInnen vor einer bedrohlichen Außenwelt zu schützen, die dennoch als Lärm nach innen dringen kann. Durch die Verstärkung der Umgebungsgeräusche nimmt Hogg die laute Straße mit in das Haus hinein und lässt D zusammen mit der Kamera durch die halb geschlossenen Jalousien der großen Glasfenster nach außen blicken, um die Ursache für die Geräusche zu finden.
Doch das Paar ist nicht so isoliert, wie es oft scheint, sie laden auch FreundInnen in ihr Haus und können angeregte GesprächspartnerInnen sein. Längere Besuche außerhalb sabotiert D jedoch durch vorgetäuschte Ohnmachtsanfälle, auf die H mit gespielter Sorge und der sofortigen Rückkehr in ihr Haus reagiert. Doch so gespielt ist seine Sorge nicht, er befürchtet, D könne sich bei diesen Stürzen tatsächlich verletzen. Obwohl beide wortkarg miteinander umgehen, scheint immer wieder ein gegenseitiges Kümmern und Sorgen durch, so dass der Verkauf des Hauses ihre Zukunft als Paar zwar ungewiss macht, ihre gemeinsame Zeit darin jedoch nicht verloren gehen kann.
Der Film hatte seine Weltpremiere 2013 auf dem Locarno International Film Festival und die Deutschlandpremiere auf dem Festival "Around the World in 14 Films" am 6. Dezember 2014 in Berlin.
AVIVA-Tipp: Joanna Hogg verknüpft in ihrem ruhigen Film kleine Momente des Alltags an Geräusche und Bewegungen, die im "Zuhause" stattfinden. Mit ihrer beobachtenden und zuhörenden Art lädt sie dazu ein, die Gedanken treiben zu lassen, in das Haus und die Welt von D und H einzutreten und jenseits deren Leben auch über die Welt von X und Y nachzudenken.
Regisseurin und Autorin: Joanna Hogg lebt als Filmemacherin in London. Sie begann ihre künstlerische Laufbahn als Fotografin und experimentierte in den frühen 1980ern mit Super 8-Filmen. Es folgte ein Studium an der National Film and Television School Beaconsfield, in ihrem Abschlussfilm (GB 1986) spielte Tilda Swinton ihre erste Filmrolle. Es folgten zwölf Jahre Arbeit für das englische Fernsehen, vor allem für Soap-Serienformate, bevor sie mit 47 Jahren ihren ersten Spielfilm drehte. Sie gilt als herausragende "female voice" der letzten Dekade eines erstarkenden britischen Kinos.
Hauptdarstellerin: Viv Albertine, geboren 1954 in Australien, war von 1977 bis 1981 Gitarristin der britischen Punkband "The Slits", nach deren Auflösung sie sich an mehreren Bandprojekten beteiligte. In den 80er und 90er Jahren arbeitete sie, nach einem Regiestudium in London, als freie Filmemacherin für das englische Fernsehen. Sie beteiligte sich weiter an Kunstprojekten, arbeitete 2010 mit Joanna Hogg an der Filmmusik für "Archipelago" und veröffentlichte 2014 ihre Autobiografie "Clothes, Clothes, Clothes, Music, Music, Music, Boys, Boys, Boys".
Hauptdarsteller: Liam Gillick lebt als Künstler in New York. Er war 2002 für den Turner-Preis nominiert und gestaltete 2009 den deutschen Pavillon bei der 53. Biennale in Venedig. Seine meist mit minimalistischen Mitteln durchgeführten multimedialen Projekte sind oft von Essays, fiktionalen Texten und intellektuellen Konzepten begleitet. Seine Werke wurden u.a. im Museum of Modern Art, New York und in der Tate Gallery in London ausgestellt. Er lehrt an der Columbia University in New York.
Schnitt: Helle le Fevre studierte Filmschnitt in London und erhielt während ihrer Ausbildung bereits mehrere Auszeichnungen für ihre eigenen Kurzfilme. Sie war als Cutterin an allen drei Spielfilmen von Joanna Hogg beteiligt.
Produzentin: Gayle Griffiths studierte an der National Film and Television School in Beaconsfield und leitet die Produktionsfirma "Wild Horses Films", die bereits Hoggs Film "Archipelago" produzierte.
Exhibition
UK 2013
Regie und Buch: Joanna Hogg
Schnitt: Helle le Fevre
Produzentin: Gayle Griffiths
DarstellerInnen: Viv Albertine, Liam Gillick, Tom Hiddleston
Verleih: Fugu Filmverleih
Lauflänge: 104 Minuten
Kinostart: 11.12.2014
Weitere Informationen unter:
www.fugu-films.de